Record of the Week

Real Estate „Daniel”

Real Estate
„Daniel”
(Domino/Goodtogo)

Kennt Ihr das? Dieses popmusikalisch vermittelte Gefühl des „Alles wird gut“? Du lässt dich fallen, wirst eingelullt, ohne eskapistisch zugedröhnt zu werden. Fliehen ist ja so ein eigenes Thema. Hier also erfreulicherweise eher keine Flucht, sondern eine Hinkunft in Klang, Melodie, Gesang, Instrumentierung und vor allem Gesamtbild.

Wenn da keine Eile ist, die Sonne scheint, dann tut das einfach mal gut. Naiv ist das nicht, denn genaueres Hinhören eröffnet komplexe und auch durchaus melancholische Welten bei und von den Kritiker*innen-Lieblingen Real Estate aus New Jersey, zum Beispiel gleich recht deutlich auf „Haunted World“. Das im „RCA Studio A“ in Nashville aufgenommene neue Album der 2009 gegründeten Band strahlt, wie schon seine fünf Studio-Vorgänger, eine funkelnde Mischung aus gelassener Erfahrung und perlender Aufgeregtheit aus. Hört mal bitte kleinmaulige Hymnen wie das wunderschön fluffige „Somebody New“ oder das packend blumige „Water Underground“. Ganz viel Soft Indie Folk mit Ausflügen sowohl ins Feedback als auch, hier und da mal, bis fast ins Soulige oder kredibel Countryeske in den Traditionen von etwa Luna, The Jazz Butcher, Stephen Duffy, Feelies, Epic Soundtracks und die unvermeidlichen Prefab Sprout, die Real Estate mit Sicherheit teilweise bekannt sein dürften. Synthie-Tupfer tun da etwa auf „Airdrop“ ihr Übriges, während „Victoria“ sogar hin zu den Byrds oder Beach Boys Erinnerungsfäden spinnt.

 

Wobei die US-Amerikaner mittlerweile selbst schon transmediale Indie-Geschichte geschrieben haben, siehe aktuell auch der von dem Sitcom-Profi Edmond Hawkins verantwortete, in Kindheits- und Jugend-Autofahrtentagtraumzeiten versetzende Musikclip zu „Water Underground“ – inklusive retro-trashiger Werbeclip-Sequenz.

Sänger und Texter Martin Courtney beschreibt die Songs von Real Estate als Musik über Musik, ohne sich allzu ernst zu nehmen. Klingt nach verdammt reflektiertem Vergnügen. Dadurch entsteht dann eine besondere, durchaus nachdenkliche Federleichtigkeit. Schon seltsam, wie ich manchmal auf solch‘ tolle Bands stoße, die andere schon lange kennen. Immer wieder erklangen Real Estate (zum Beispiel ihr phantastisches 2014er-Album „Atlas“) im Auto einer Freundin oder Freundes auf sehr unterschiedlichen und zeitlich weit auseinander liegenden Fahrten zu Kunstausstellungen bei 40 Grad oder Beerdigungen am Niederrhein.

Erster Eindruck: Hm, ganz schön nah an anderen Bands, die ich mag (s.o.).
Zweiter Eindruck: Wie superschön ist das denn? Wie heißen die? Scheiß auf Algorithmen jedenfalls. „World domination with a whisper“, wie es der Musiker Jeremy Thirlby aka Matmosphere vor langer, langer Zeit einmal beschrieb. Leider hat das Flüstern mittlerweile an so vielen Stellen aufgehört. Aber wir und die Liebe ziehen und träumen weiter.

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