Kaput Revisited – 2005 – Andrew Fletcher & Martin Gore im Interview

Andrew Fletcher: “Unglücklicherweise nutzt Dave Interviews manchmal als Therapie-Ersatz. Er lässt dann immer zu viel von dem raus, was ihm auf der Seele brennt.”

Martin Gore, Collage von Sarah Szczesny


2005 trafen Jürgen Dobelmann und Thomas Venker die beiden Depeche Mode Gründungsmitglieder Andy Fletcher
und Martin Gore in einem Berliner Hotel anlässlich der Veröffentlichung von „Playing The Angel“ zu einem ausgedehnten Nachmittagstee. Tina Engel war so freundlich das Gespräch für die ursprüngliche Publikation im Intro Magazin in Form zu bringen. 18 Jahre später haben die Fragen und Antworten nichts von ihrer Faszination verloren – ein Fall für Kapur revisited.


Habt ihr euch schon mal gefragt, ob es nicht auch ohne Interviews und Promotion ginge? Bei den vielen Depeche-Mode-Fans da draußen würdet ihr doch bestimmt genau so viele Platten verkaufen.

Martin Gore: Wir haben sicher eine ziemlich große Fanbase. Aber es ist doch immer wieder schön, neue Hörer auf unsere Musik aufmerksam zu machen, ein jüngeres Publikum vielleicht. Man kann sich ja nicht darauf verlassen, dass die alten Fans immer da sind.
Andrew Fletcher: Wir wollen, dass sich auch andere Leute unsere Musik anhören. Promotion ist für uns ja auch nichts Ungewöhnliches mehr. Wir machen es schließlich schon seit 25 Jahren. Du bringst eine Platte raus, und du willst sie promoten. Zugegeben: Promotion ist nicht das Angenehmste an diesem Job. Das Beste ist ganz offensichtlich, eine Platte zu machen. Etwas zu erschaffen, wo vorher nichts war. Und Konzerte zu geben natürlich.

Habt ihr eigentlich immer noch Bock auf diese Endlos-Tourneen? Ihr könntet doch einfach sagen: Wir spielen zwei Gigs in Deutschland und zwei in Japan, zwei in den USA …

AF: Das kann man nicht machen. In der Praxis funktioniert das nicht. Tourneen müssen einen bestimmten Umfang haben, um rentabel zu sein. Überhaupt eine Show auf die Beine zu stellen kostet schon Millionen von Dollar. Man verliert jede Menge Geld, wenn man nur acht Konzerte macht.

Man bekommt durch Interviews auch Feedback von verschiedensten Menschen auf der ganzen Welt. Gibt es da große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern?

MG: Oh ja, da gibt es natürlich große Unterschiede. Ich denke, England ist zurzeit unser schlechtester Markt. Das kommt vielleicht daher, weil wir dort als Erstes erfolgreich waren, ich weiß nicht. Aber der Level an Enthusiasmus scheint dort nicht so hoch zu sein, das merkt man bei den Interviews. Ein Radio-Interview wurde z. B. zweimal abgesagt.

Von deren Seite?

MG: Beim ersten Mal wurde es von deren Seite gecancelt, beim zweiten Mal wollten sie es kurzfristig um 15 Minuten verlegen. Wir hatten natürlich einen ziemlich engen Terminplan, da konnten wir nicht mal eben so alles verschieben.

Das ist ja irgendwie respektlos. Auf der anderen Seite haben sie dann diese ganzen Vier-Jungs-mit-Gitarren-Bands, von denen in der nächsten Sekunde schon wieder keiner spricht, wo wieder der ganze ungebremste Brit-Enthusiasmus voll zum Tragen kommt.
Aber kommen wir zum neuen Album „Playing The Angel“: Wenn man sich die Texte anhört, wird eigentlich ausschließlich die dunkle Seite von Beziehungen thematisiert. Fällt es dir, Martin, eigentlich immer leicht, diese Gefühle heraufzubeschwören – man kann sich ja schließlich kaum vorstellen, dass dein Leben ausschließlich aus Kummer besteht. Musst du diese Atmosphäre künstlich simulieren, um solche Texte schreiben zu können, oder spricht die Finsternis auch an den sonnigsten Tagen zu dir?

MG: Ich setze mich nie hin und schreibe Gedichte, zu denen ich dann die Musik mache. Ich fange damit an, auf einem Instrument zu spielen, welches auch immer. Und dann fange ich an, dazu zu singen. Die Worte kommen also wohl aus meiner Seele. Und es war dieses Mal auch nicht besonders schwierig, mich in diese Finsternis hineinzuversetzen – schließlich bin ich mitten in einer Scheidung. Und die zieht sich jetzt schon die letzten fünfzehn, sechzehn Monate hin.

Dave wurde mit der Aussage zitiert: „Es gibt noch viel zu tun mit Depeche Mode“ – auch bezogen auf das Album, zu dem er jetzt erstmals drei Songs beigetragen hat. Wie groß war sein Input als Songwriter – waren es genau die drei Stücke, die letzten Endes auf dem Album sind? Oder hatte er mehr geschrieben?

MG: Nein, es waren wohl eher fünfzehn Songs. Wir haben unseren Produzenten Ben Hillier mit weitaus mehr Kontroll-Kompetenzen ausgestattet, als wir es sonst anderen Produzenten zugestehen. Es war viel einfacher, ihn entscheiden zu lassen, welche von Daves fünfzehn Songs wir weiter bearbeiten. Ich denke, es ist völlig normal, dass Dave selber Songs schreiben wollte, nachdem er ein Soloalbum veröffentlicht und seine Erfahrungen diesbezüglich gesammelt hatte. Aber ich war nicht der Meinung, dass es nach 25 Jahren okay gewesen wäre, wenn er plötzlich fünfzig Prozent des Albums geschrieben hätte. Wir einigten uns also auf zwei oder drei Songs und ließen Ben die Auswahl treffen.

Ben Hillier musste also die Rolle eines Schiedsrichters übernehmen. Zu welchem Zeitpunkt in diesem ganzen Prozess fand diese Auswahl statt?

MG: Das ging so nach und nach, als das Album langsam Gestalt annahm. Wir fingen mit zwei oder drei von meinen Songs an, und dann machten wir ein, zwei von Daves Songs. Und so ging es dann weiter: Für drei von meinen Songs arbeiteten wir an einem von Daves, und letzten Endes waren dann von den zwölf Stücken auf dem Album drei von ihm.

War es das erste Mal, dass er tatsächlich mit Songs daherkam, die er dir vorspielte? Oder gab es das bereits bei den Platten zuvor, und seine Lieder hatten es einfach nicht auf das Album geschafft?

MG: Während Dave sein „Paper Monsters“-Projekt promotete, sagte er oft, dass er mich als eine Art totalitären Diktator betrachte, der es ihm nie erlaube, seine Ideen einzubringen und seine Songs auf den Alben zu verwenden. In Wirklichkeit passierte es aber nur ein einziges Mal, während der Aufnahmen zu „Ultra“, dass er mir einen Song vorspielte. Und der bestand nur aus seiner Stimme, ohne jedes Instrument. Er hatte es an einem Strand eingesungen. Tim, der damalige Produzent, und ich waren nicht der Meinung, dass es zu den anderen Songs passte. Und das war das einzige Mal, dass er jemals einen Song anbrachte.
AF: Unglücklicherweise nutzt Dave Interviews manchmal als Therapie-Ersatz. Er lässt dann immer zu viel von dem raus, was ihm auf der Seele brennt. Er erzählt Journalisten auch immer viel, um sein Selbstwertgefühl aufzublasen – das ist ziemlich offensichtlich. „Wie kommt es denn, Dave, dass du nach 22, 23 Jahren plötzlich Songs schreibst? Warum hast du das vorher nicht gemacht?“ Seine Antwort war natürlich: „Weil Martin mich nicht gelassen hat.“ Das ist völliger Quatsch, weil Dave auch nie den Wunsch geäußert hat, Songs zu schreiben. Aber so ist Dave eben manchmal in Interviews. Er sagt Journalisten, was ihm im Kopf rumschwirrt.

Er hat also vor diesen Interviews nie seine Unzufriedenheit euch gegenüber geäußert?

AF: Nein, nein. Ich habe mir das aus den Beobachtungen hergeleitet, wie gut das aktuelle Projekt abgelaufen ist. Und schließlich begreift man dann, wie alles miteinander zusammenhängt.

Wenn schon kein „Diktator“, dann ist Martin bei Depeche Mode sicherlich derjenige, der immer bestimmt hat, wo es musikalisch langgeht. Wie schwer ist es dir gefallen, Martin, zuzulassen, dass andere beim Songwriting mitmischen und es darüber Diskussionen gibt?

MG: Ich hatte zu akzeptieren, dass ich Zugeständnisse machen musste, wenn Depeche Mode als Band weitermachen sollten. Dave wäre sehr unbefriedigt gewesen, wenn er nichts zu den Songs auf diesem Album hätte beitragen können.
AF: Aber das ist ja das Gute, wenn man in einer Band ist. Mir haben Solo-Künstler in gewisser Weise immer Leid getan. Man muss alle Entscheidungen treffen, und man ist umgeben von Leuten, die für einen arbeiten. Wir sind aber eine Gruppe, wir können diskutieren. Das Gute bei der Entstehung dieses Albums war, dass wir uns sehr, sehr gut verstanden haben. Die Atmosphäre war fantastisch. Es war eine Demokratie, die perfekt funktioniert hat. Vor einigen Jahren, als wir schlechte Zeiten durchmachten, wurde jede Diskussion gleich zum Streit. Jedes Mal, wenn wir ein Meeting hatten, war es: „Oh nein, nicht schon wieder …“ Diesmal war die Atmosphäre super, und ich hoffe, dass man das dem Album anmerkt.

Wie muss man sich das erste Treffen nach Daves PR-Offensive konkret vorstellen? Habt ihr drei euch auf ein Bierchen getroffen und geplaudert?

MG: Wir können uns schlecht „auf ein Bierchen“ treffen, weil Dave kein Bier trinkt. [lacht]

Okay. Wie war’s dann?

MG: Wir arrangierten ein Treffen in London, wir waren zufällig alle zur gleichen Zeit dort. Wir diskutierten die groben Pläne, und Dave spielte uns ein paar der Songs vor, die er geschrieben hatte, und ich spielte ihnen meine vor.
AF: Es war uns natürlich klar, was Dave wollte. Er war sehr frustriert in den vergangenen zehn Jahren. Am Anfang unserer Karriere war er durchaus bereit, Texte zu singen, die jemand anderes geschrieben hatte. Das ist sehr ungewöhnlich in einer Band. Mir sind nur wenige Beispiele bekannt, wo das so war, z. B. bei The Who oder den frühen Oasis, wo Liam gesungen hat, was Noel schrieb. In den letzten Jahren wurde das für Dave aber immer unbefriedigender, und dann kam sein Soloalbum … Und das ist ein weiterer Grund, warum die Atmosphäre heute so viel besser ist als früher. Dave hat ganz einfach das Gefühl, mehr involviert zu sein.

Und dann hat Fletcher plötzlich gesagt: Hey Jungs, ich hab hier auch ein paar Stücke, die ich geschrieben habe?

MG: Komischerweise ist das nicht passiert. [lacht] Das heben wir uns fürs nächste Album auf.

Hattest du Angst, Martin, dass das eines Tages passieren könnte?

MG: Oh nein. Ich bezweifle sehr stark, dass Andy jemals damit anfangen wird, Songs zu schreiben.
AF: Ich schreibe keine Songs. Ich hatte das Glück, in einer Band zu sein, die zwei der besten britischen Songwriter der vergangenen 25 Jahre hervorgebracht hat: Vince Clarke und Martin Gore. Und nicht jeder kann Songs schreiben. Man muss auch mit der eigenen Rolle in der Band zufrieden sein. Das ist wichtig. Ich kann keine Songs schreiben. Ich kann über meine Gefühle reden, aber diese Sachen aufzuschreiben und in einen Song einzubauen, damit es die ganze Welt hören kann, das interessiert mich überhaupt nicht. Null.

Martin, bist du jemals auf die Idee gekommen, einen Song mit Dave zusammen zu schreiben – so wie das andere Bands üblicherweise machen?

MG: Das ist natürlich auch irgendwie eine Möglichkeit. Aber ich habe noch nie einen Song mit anderen Menschen zusammen geschrieben.

Niemals in deinem ganzen Leben?

MG: Ein einziges Mal, mit Claudia Brücken von Propaganda. Sie hatte eine Grundidee und einige Worte. Ich eliminierte die Grundidee und ihre Worte und stellte den Song fertig.

Diese Erfahrung war also nicht wirklich gut?

MG: Oh nein. Man kann nicht sagen, dass sie „nicht gut“ war. Ich mochte das Endresultat. Aber die Idee, mit anderen Leuten in einem Raum zu sitzen und Songs zu schreiben, behagt mir ganz einfach nicht.

Ich habe gelesen, dass du mit Gwen Stefani gearbeitet hast. Wie kann man sich das vorstellen? Hast du einen Song geschrieben, der nicht auf das erste Album passte? Oder warst du mit ihr im Studio?

MG: Sie hat Kontakt zu mir aufgenommen und wollte ein paar Songs mit mir schreiben. Aber wie schon gesagt: Ich habe keine Lust, in einem Raum zu sitzen und mit jemandem Songs zu schreiben. Ich finde, Songwriting ist eine ziemlich persönliche Angelegenheit. Ich kann mir vorstellen, dass es ganz schön peinlich sein kann, mit jemandem zusammen Songs zu schreiben, den man nicht gut kennt. Gwen Stefani machte Witze darüber und sagte, sie habe in den vergangenen zwei Jahren mit so vielen Leuten zusammen gearbeitet, um ihr Album zu machen, dass sie zur „Songwriting-Hure“ geworden sei. Sie habe das Stadium der Peinlichkeiten schon lange hinter sich gelassen.

Das ist ja nicht unbedingt das geeignete Argument, um einen von einer gemeinsamen Zusammenarbeit zu überzeugen.

MG: Wie gesagt, die Idee, Songs mit ihr oder für sie zu schreiben, gefiel mir nicht so gut. Ich ging aber ins Studio und traf sie, und sie spielte mir ein paar Songs vor, an denen sie gearbeitet hatte. Und ich bot ihr an, auf einem Stück Gitarre zu spielen, wenn sie das wolle. Und jetzt spiele ich halt auf einem der Songs Gitarre.

Musikalische Gäste zu haben ist ja heute völlig normal. HipHop-Acts bestreiten neunzig Prozent ihrer Alben mit „featured artists“. Habt ihr in der Band schon einmal diese Möglichkeit diskutiert?

MG: Wir haben schon mit anderen Musikern gearbeitet. Wir hatten allerdings noch nie einen Rapper da. Es gab nie „Depeche Mode feat. irgendjemand“. Aber wir haben mit Jaki Liebezeit gearbeitet. Und mit Doug Wimbish auf dem „Ultra“-Album.

Das letzte Album wurde von Mark Bell produziert. Warum ist er diesmal nicht dabei? Wann fiel die Entscheidung, musikalisch in eine andere Richtung zu gehen?

MG: Ich glaube, wir mögen es ganz einfach, mit verschiedenen Leuten zu arbeiten. Die bringen immer etwas Neues mit ein, das einem ganz neue Richtungen eröffnet. Die letzten beiden Alben mochte ich sehr, „Ultra“ und „Exciter“ sind wirklich ziemlich gute Alben und gehören ganz bestimmt zu unseren besten. Aber sie waren beide sehr nüchtern. Diesmal wollten wir ganz einfach etwas mehr Energie entfachen. Und etwas mehr Druck in die Songs bringen.

Das bedeutet, wenn ihr die Arbeiten an einem Album beginnt, dann gibt es bereits eine Art Masterplan?

MG: Nein, nein, das entwickelt sich. Nachdem man an den ersten fünf oder sechs Songs gearbeitet hat, erkennt man ein Muster oder eine Formel, wohin das Album geht.

Wenn Ben Hillier die Rolle des Unparteiischen innehatte – kam es im Studio zu Situationen, in denen er mehr auf der Seite von einem von euch dreien war und dann wieder auf der anderen? Oder anders gesagt: Hattest du immer das Gefühl, dass deine Ideen bei ihm in guten Händen sind?

MG: Also, so war es nun wirklich nicht. Es war vielmehr eine perfekte Zusammenarbeit. Und es waren auch nicht nur wir drei und Ben, der Produzent. Er kam mit zwei Programmierern, und so waren es oft drei verschiedene Arbeitseinheiten, und jeder konnte sich frei bewegen und an verschiedenen Sachen arbeiten. Wir kamen dann ab und zu im Hauptraum zusammen und hörten uns die Ideen der einzelnen Personen an, um zu testen, wie sie im Gesamt-Mix klingen.

Könnt ihr euch vorstellen, wieder mit Ben Hillier zu arbeiten, wenn die gemeinsame Atmosphäre so gut war?

AF: Es ist wohl eher die Frage, ob er wieder mit uns arbeiten würde. [lacht] Aber im Ernst: Wir denken jetzt an die bevorstehende Tour, nicht an das nächste Album. Wenn du mich allerdings jetzt fragst, antworte ich: Ja, ich würde sehr gerne wieder mit Ben arbeiten.

Bei den letzten Alben habt ihr jedes Mal den Produzenten gewechselt.

AF: Stimmt. Und Ben wäre der Erste, mit dem wir uns eine langfristige Zusammenarbeit vorstellen können – seit Flood, würde ich sagen. Ben ist eine Art Protegé von Flood. Er kommt aus dem gleichen Lager und bringt eine ähnliche Mentalität mit. Ben könnte mit einer Rockband oder einer Elektronik-Band arbeiten, genauso, wie Flood dazu in der Lage war. Er hat keinen eigenen Sound. Aber er besitzt die Fähigkeit zu erfassen, worum es bei einer Band geht. Und in welche Richtung es gehen soll.

Was bedeutet „Floods Protegé“? Ist er eher sein Kumpel oder sein Schüler?

AF: Ein Kumpel – er hat das gleiche Management. Er wird als der „kommende Flood“ gesehen.

Durch welche von Bens Arbeiten seid ihr auf ihn aufmerksam geworden?

MG: Komischerweise waren es keine von Bens früheren Arbeiten, die uns auf ihn aufmerksam gemacht haben. Er wurde uns von Daniel Miller von Mute vorgeschlagen, zusammen mit ein paar anderen Produzenten. Wir haben uns mit allen getroffen.
AF: Wir waren nicht wirklich große Fans von den Sachen, die er vorher gemacht hat. Aber als wir ihn trafen, war es ganz einfach seine Einstellung, seine Arbeitsweise, die wir mochten.

Das scheint ja dann auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Laut offizieller Bandinfo war Ben ja auch kein großer Anhänger eurer Musik. Könnt ihr irgendwelche anderen Produzenten-Kandidaten nennen?

MG: Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre. Wir mochten ganz einfach Bens generelle Ideen und seine grundsätzliche Herangehensweise. Und er schien ein sehr umgänglicher Mensch zu sein. Und wir hatten den Eindruck, dass wir mit ihm sehr gut klarkommen würden. Und die Leute, die er mitbrachte, waren auch sehr, sehr nette Menschen, und das erzeugte eine ziemlich gute Stimmung im Studio, und deshalb war dies auch die bisher einfachste Produktion.

Waren denn unter den Programmieren wenigstens Depeche-Mode-Fans?

MG: Es war ja nicht so, dass Ben uns hasste. Ich glaube aber, er hatte unsere Musik bislang nicht wirklich wahrgenommen. Er hatte vielleicht die Singles im Radio gehört, aber ich bin mir nicht sicher, ob er sich jemals ein Album von uns gekauft hat. Über Dave McCracken und Rick Morris, die beiden Programmierer, weiß ich nichts. Keine Ahnung, ob die große Fans von uns waren oder nicht. Gesagt haben sie es jedenfalls nicht.

Die ganze Band war also während der Produktion im Studio?

MG: Die Band war die ganze Zeit anwesend.

Das ist ein Unterschied zu früher, oder? Da habt ihr eher schichtweise gearbeitet, so wie man das von vielen Elektronik-Bands kennt, wo nicht immer alle gleichzeitig anwesend sind.

MG: Als Alan Wilder in der Band war, war es oft so, dass wir die Songs fertig hatten, alle grundlegenden Dinge in die Wege geleitet hatten, und dann folgte ziemlich viel von dem, was wir „Screwdriver Work“ nannten. Das ist zwar ganz schön langweilig, aber es macht einen ziemlich großen Unterschied im Endergebnis aus. Andy und ich warteten also draußen und spielten Videospiele oder so, und drinnen waren Flood und Alan, die alles zurechtschraubten. Und später, als Dave eine wirklich schlechte Phase durchmachte, war er ein paar Tage nicht im Studio anwesend. Aber diesmal waren immer alle da.

Thema Sicherheit: Die Vorab-Exemplare eures neuen Albums wurden unter falschem Namen versandt und waren auf vielen CD-Playern nicht abspielbar. Zuvor kam noch die News, dass das Video zur Single „Precious“ schon im Netz sei. Macht dieser ganze Sicherheitsaufwand eigentlich Sinn, wenn man weiß, dass man derart treue Fans hat, die sich die CDs sowieso kaufen?

MG: Die Single und das Video sind ins Netz gelangt, weil sich jemand in die Site des Video-Regisseurs gehackt hatte – wie auch immer das vor sich ging –, und der Clip, der im Netz war, war nicht das fertige Video, sondern lediglich wir vor einem Bluescreen. Alle versuchen, die Internet-Piraterie zu stoppen, deshalb sind diese Sicherheitsvorkehrungen ganz einfach unvermeidlich. Es ist eigentlich ein Wunder, dass unser Album noch nicht im Netz verfügbar ist, denn es wird ja schon seit einigen Wochen an Journalisten verschickt. Und es ging ja vor noch viel längerer Zeit an die verschiedenen Plattenfirmen.

Das sind ja dann sehr schnell ziemlich viele Exemplare, die da unterwegs sind.

MG: Und um das Ding ins Netz zu stellen bedarf es ja nur einer einzigen Person. Unser letztes Album kam Wochen vor der Veröffentlichung ins Netz.

Und trotzdem haben es dann noch ca. zwei Millionen Menschen gekauft.

MG: Diesbezüglich scheint uns das Sicherheitsleck keinen ernsthaften Schaden zugefügt zu haben.

Sprichst du mit deinen Kindern, insbesondere deiner 14-jährigen Tochter Viva, über das Thema illegale Downloads?

MG: Ich habe das Glück, sehr brave Kinder zu haben. Meine Tochter kauft ihre ganze Musik immer legal bei iTunes. Ich glaube, sie hat nie über so etwas wie illegale Downloads nachgedacht.

Gibst du deinen Kindern auch Musik, die dir gefällt? Bist du in dieser Hinsicht der Traum-Vater, der alle Arten von Musik mit seinen Kindern teilt?

MG: Ich habe zwei Töchter, eine ist vierzehn, eine zehn, und einen Sohn, der ist drei – er ist also ganz offensichtlich zu jung, um Musik auf diese Weise zu verstehen. Aber der 14-Jährigen gebe ich oft CDs zum Anhören, zuletzt habe ich ihr Sachen wie Iggy Pop und die White Stripes vorgespielt, das ist besser als zuvor – da hat sie Britney Spears gehört.

Deine krassen Outfits wurden in den Achtzigern und Neunzigern von vielen Teenagern kopiert. Wie findest du es heute, wenn sich deine Tochter Outfit-mäßig von HipHop-Stars oder Britney Spears beeinflussen lässt?

MG: Das lässt sich wohl nicht vermeiden.

Aber durch deinen Beruf weißt du ja, wie geplant so etwas z. T. initiiert wird. Verspürst du nicht den Drang, da irgendwie einzuschreiten?

MG: Kinder müssen ihren eigenen Stil entwickeln, da sollte ich mich nicht einmischen. Aber es gibt einige Situationen, wo ich mich wirklich wie ein klassischer Vater anhöre … Bei einigen Kleidungsstücken, da weiß ich wirklich nicht … Da gibt es Jeans, die sind so dermaßen knapp geschnitten … Wenn Kids zu meiner Zeit so rumgelaufen wären, dann hätte man sie sofort von der Schule heimgeschickt. Heutzutage wird das einfach akzeptiert.

Hast du manchmal ein Problem mit deiner Rolle als Vater – wo du auf der einen Seite konservative Ansichten durchsetzen musst, obwohl du von deinem Naturell her lieber viel lockerer wärst?

MG: Wie gesagt, Kinder müssen ihren eigenen Stil entwickeln. Und ich habe wie gesagt das Glück, sehr brave Kinder zu haben, die mir so gut wie keinen Ärger machen. Bisher jedenfalls. Aber wer weiß, was in zwei, drei Jahren ist …

Thema „25 Jahre Depeche Mode“: Habt ihr jemals erwartet, diese Marke zu erreichen?

MG: Ich denke nicht, dass irgendjemand auf der Welt erwarten kann, so lange eine Rolle im Musikbusiness zu spielen, wenn man eine Band gründet. Unser erstes Ziel war es z. B., live aufzutreten, einen Gig klarzumachen. Und dann wollten wir eine Single veröffentlichen. Und danach ein Album. Und seitdem lief es bei uns Album für Album.

Und wie oft habt ihr in dieser Zeit gedacht: Das war’s. Ich habe genug?

MG: Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals jemand von uns gesagt hat: „Das war’s. Das ist das Ende der Band.“ Natürlich gab es einige schlimme Situationen, wo es danach aussah, als müsste sich die Band auflösen. Einer dieser einschneidenden Momente war, als Alan 1995 die Band verließ. Ich kann mich erinnern, dass ich auf dem Rückweg von diesem Meeting dachte: „Okay. Das ist wohl das Ende von Depeche Mode.“ Und dann zu der Zeit, als Dave sehr krank war in New York. Er konnte einfach nicht mehr singen. Ich kann mich an ein Krisen-Meeting mit Tim Simenon, dem Produzenten, erinnern, als wir der Meinung waren, dass es keine Möglichkeit gäbe, das Album fertig zu stellen – als Band.
AF: Ich hatte nur eine wirklich schlimme Phase bei Depeche Mode. Ich habe aber nie mit dem Gedanken gespielt, die Band zu verlassen. Nach „Songs Of Faith And Devotion“ war ich sechs Monate im Krankenhaus, ich litt unter Depressionen, Angstzuständen, aber ich habe nie daran gedacht, nicht mehr in der Band zu sein. Mir ging es ganz einfach nicht gut.

Was war der absolute Highlight-Moment in der Depeche-Mode-Karriere?

AF: Zwischen „Violator“ und „Songs Of Faith And Devotion“ war die Band wirklich auf dem absoluten Höhepunkt. Besonders mit „Violator“ haben wir so ziemlich alles richtig gemacht. Sogar mit der Veröffentlichung von „Personal Jesus“, das wir damals für eine sehr gewagte Single hielten. Und dann hatten wir noch „Enjoy The Silence“. Es war einfach unglaublich, wir haben dann tatsächlich den amerikanischen Markt geknackt. Das war ein fantastisches Gefühl. Danach kam für uns eine Phase absoluten Exzesses. Das war dann der absolute Tiefpunkt in meinem Leben, als ich dachte, dass ich da nie wieder rauskomme. Ich begab mich wegen der Depressionen in Therapie. Aber auf der anderen Seite hat das für einen persönlich auch seine guten Seiten, wenn man das mitmacht. Ich habe in dieser Zeit auch sehr viel gelernt.
MG: Ich kann das nicht wirklich sagen. Es waren immerhin 25 Jahre. Es gab so viele Highlights. Ich könnte da jetzt kein einzelnes nennen. Die Leute erwarten immer, dass wir Sachen sagen wie „der Auftritt im Rose Bowl war der Höhepunkt in unserer Karriere“, aber das war für mich auf keinen Fall das Highlight unserer gesamten Karriere. Wenn man als Band anfängt, sind manche Dinge viel aufregender, weil alles neu ist. Wenn man zum ersten Mal die eigene Single im Radio hört, das ist ein wirklicher Höhepunkt.
AF: Oh ja. Als unsere erste Single „Dreaming Of Me“ zum ersten Mal gespielt wurde!

Erinnert ihr euch noch an den Tag?

AF: Ja. Es war Peter Power auf Radio One. Als uns jemand erzählte, dass er es spielen würde, sind wir alle in das kleine Büro gekommen, das Mute damals hatte, und wir saßen da zusammen um das Radio herum. Das war natürlich auch ein ganz unglaublicher Moment.

Ist „Älterwerden“ ein Thema bei Depeche Mode? Zurzeit schreiben ja alle mal wieder über die Stones und deren Rolle als die alten Männer des Rock’n’Roll. Wenn man Texte über Depeche Mode liest, scheint das auch nach 25 Jahren kein Thema zu sein, was möglicherweise daran liegt, dass ihr eine elektronische Band seid. Denkt ihr manchmal daran, wie lange man das alles noch machen kann, als Popstar auf einer Bühne zu stehen?

MG: Das ist schon etwas, über das man nachdenken muss. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich immer noch große Freude, Musik zu machen. Und wir alle haben das Gefühl, dass wir gute Musik machen. Und wenn du das auch weiterhin machst, stellt sich die Frage überhaupt nicht. Einer der wichtigen Faktoren, warum wir überhaupt 25 Jahre durchgehalten haben, ist, dass wir das Glück hatten, nie mit einem Misserfolg fertig werden zu müssen. Viele Bands, die zur gleichen Zeit wie wir angefangen haben, mussten mit einem kontinuierlichen Abstieg klarkommen und mit ansehen, wie Konzerte nur noch halbvoll sind. Das kann bestimmt ziemlich entmutigend sein. Und wir hatten eben das Glück, dass wir uns mit so einer Situation nie auseinander setzen mussten.

Und im Gegensatz zu den Stones verkauft ihr ja auch noch jede Menge Platten – nicht nur Konzerttickets.

MG: Das wäre natürlich auch sehr deprimierend, wenn wir auf eine ausverkaufte Tournee gehen, und alle kämen nur, um fünf oder zehn Songs aus den Achtzigern oder Neunzigern zu hören. Ich glaube, wenn das der Fall wäre, würden wir nicht weitermachen.

Habt ihr noch Kontakt zu Menschen euren Alters aus eurer Heimatstadt Basildon?

MG: Ja. Es gibt eine ganze Reihe alter Schulfreunde – die meisten von ihnen wohnen heute in London. Wenn wir in London sind, treffen wir uns oft mit ihnen.
AF: Ich habe da großes Glück. Die meisten von Martins und meinen Freunden sind aus Basildon.

Gibt es etwas, das ihr an der Normalität ihres Lebens beneidet?

MG: Ich habe schon oft gesagt, dass es einem nicht besonders gut bekommt, in einer Band zu sein. Normalität ist nicht das Schlechteste, was einem passieren kann. Aber ich würde nicht tauschen wollen. Es ist eine großartige Chance, es ist die beste Möglichkeit, weltweit zu kommunizieren. Es ist ganz einfach ein aufregender Lifestyle. Im gleichen Maße, wie ihr Leben sehr viel stabiler und ausgeglichener ist, gibt es Dinge an der Normalität, die ich wirklich nicht mag.
AF: Ich führe ein Leben wie jeder andere in meinem Alter. Sie haben alle Kinder, sie haben ihre Karriere und mindestens so viel Stress wie ich. Ich sehe keinen Unterschied zu dem, was andere Leute machen.

Das bedeutet, ihr sitzt zusammen im Pub und unterhaltet euch nur über Alltägliches, wie z. B., dass dein Computer kaputtgegangen ist etc.?

AF: Natürlich wollen sie von mir wissen, was bei Depeche Mode so passiert. Viele checken gerade, welches der Konzerte sie sich auf der kommenden Tour anschauen wollen. Die kommen natürlich gerne zu Shows nach Düsseldorf oder was weiß ich wohin. Da kommen sie mal rum in der Welt.

Sie verfolgen eure Karriere und was ihr musikalisch so macht?

AF: Einige tun das, andere nicht. Einige mögen unsere Musik, andere überhaupt nicht.

Gab es in der Depeche-Mode-Geschichte jemals eine Person, die um ein Haar Bandmitglied geworden wäre? Eine Art Pete Best?
MG: Lustigerweise gab es tatsächlich so jemanden. Einer unserer Schulfreunde, der unsere Drum-Maschine bediente.

Was macht der heutzutage?

MG: Hm, wie heißt das doch gleich? Er schreibt Online-Reviews oder so ähnlich. Zu seinem Pech entdeckte er die Liebe und beschloss, die Band zu verlassen.

Andrew, du hast vor ein paar Jahren dein eigenes Label gegründet. Das war vergleichsweise spät, wenn man bedenkt, dass du schon 25 Jahre im Musikbusiness bist. Wie kam das?

AF: Man kann in jedem Alter ein Label gründen. Man kann mit 55 ein Label gründen, es ist aber viel schwieriger, mit 55 eine Band zu gründen. Ich sehe den Zusammenhang zwischen Alter und einer Labelgründung nicht. Ich hatte 25 Jahre lang Depeche Mode. Wir haben nicht viele Side-Projects gemacht, Martin hat „Counterfeit I“ und „Counterfeit II“ gemacht, Dave hat ein Soloalbum veröffentlicht, und ich habe mit meinem Label angefangen. Der Grund dafür ist, dass die meiste Zeit Depeche Mode ein Vollzeit-Job war.

Und du hast angefangen, als DJ aufzulegen. Viele Leute finden das cool, dass man dich in dieser Rolle erleben kann. Wann hat das angefangen?

AF: Es fing damit an, als Client, die Band auf meinem Label, aufgelegt haben. Und sie haben irgendwann gefragt: „Warum probierst du das nicht auch mal?“ Und dann legte ich auf, wenn Client auftraten, einfach nur, um ihnen zu helfen.

Hat es dir Spaß gemacht?

AF: Oh Gott! Ich weiß nicht … Es ist ein komisches Leben als DJ, das ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn man in einer Band ist, hat man seine ganzen Kumpels um sich herum, man ist Teil einer Gang. Wenn man als DJ unterwegs ist, ist man auf sich alleine gestellt. Und man tritt zu sehr unchristlichen Tages- oder Nachtzeiten auf, speziell in Spanien und Italien, wo man morgens um vier auftritt. Mir hat’s Spaß gemacht, und ich werde es bestimmt wieder tun, aber ich bevorzuge es, in einer Band zu sein.

Wie haben die Leute reagiert? Schließlich hast du ja z. T. in kleinen Clubs aufgelegt.

AF: Man muss sich daran erinnern, dass wir mit Depeche Mode am Anfang auch in kleinen Clubs gespielt haben. Das ist nicht ungewöhnlich für uns. Ich habe in sehr vielen verschiedenen Locations aufgelegt. Manchmal waren da jede Menge Depeche-Mode-Fans, und manchmal überhaupt keine.

Ihr lebt auf der ganzen Welt verteilt. Ist das eher ein Vorteil, weil ihr dann verschiedene Einflüsse in die Musik einbringt, oder ist es eher ein Problem?

AF: Es ist kein Problem. Aber dadurch, dass wir an diesen Orten leben, bringen wir keine „kulturellen Einflüsse“ in die Musik ein. Es wäre früher in unserer Karriere natürlich ein Problem gewesen. Aber heute macht das keinen Unterschied.

Keine kulturellen Einflüsse – bedeutet das, dass du heutzutage nicht mehr so viel unterwegs bist in London?

AF: Ich denke nicht, dass diese Frage auf mich zutrifft. Dave und Martin haben den größten Teil ihres Lebens in London zugebracht. Wir sind im Prinzip immer noch eine englische Band. Wenn Martin dir erzählt, wie sein Leben in Santa Barbara so aussieht, dann berichtet er, dass er abends in einen englischen Pub geht und Fußball spielt. Und außerdem: Santa Barbara hat keine Kultur. Okay, Dave lebt in New York, und New York hat natürlich Kultur. Aber ich denke, im Herzen sind wir noch immer drei britische Kids, die in verschiedenen Teilen der Welt leben. Aber das verursacht keine Probleme. Und man darf nicht vergessen: In den kommenden zwei Jahren werden wir uns jeden Tag sehen. Da hat man nichts dagegen, wenn man sonst ein bisschen Entfernung zwischen sich hat.

Macht diese Aussicht auf eine solche Tour dir manchmal auch Angst?

AF: Das macht mir nichts aus. Es ist schließlich das, was ich seit 25 Jahren mache. Seit ich 17 war. Für mich ist das ganz einfach normal.

Apropos Geld. Man hat von dir das Bild des Business-Man, der den Überblick über das Geschäftliche bei Depeche Mode hat. Das kostet bestimmt eine Menge Energie. Macht dir das Spaß?

AF: Ich denke, es war nicht nur auf dem geschäftlichen Level interessant. Es war auch durch die Zusammenarbeit mit Daniel Miller interessant, durch den wir sehr viele verschiedene Aspekte der Musikindustrie kennen gelernt haben, von denen wir nie etwas mitbekommen hätten, wenn wir auf einem Majorlabel gewesen wären. Das war natürlich ein Vorteil für uns, und die Gründe, warum wir immer noch existieren, sind: 1. Wir haben gute Songs geschrieben. 2. Wir haben sehr hart gearbeitet. Und natürlich wegen Daniel Miller und Mute Records. Unsere Karriere hat sich langfristig entwickelt, und das ist etwas, das Mute sehr gut macht.

Hatte die Entscheidung, einen Manager zu nehmen, mit der Gründung deines Labels zu tun?

AF: Nein, nein. Als Dave an seinem Tiefpunkt angekommen war, nach „Ultra“, da dachten wir, wir brauchen einfach jemanden, der sich um Dave kümmert, damals. Also wurde Jonathan – er ist Amerikaner und seit vielen Jahren unser Tour Accountant – zu dieser Zeit unser Manager. Er ist in erster Linie ein Geschäftsmann. Wir überwachen aber noch sehr viele Dinge – verglichen mit anderen Bands.

Das neue Album erinnert an „Violator“ und „Black Celebration“, das sagt auch Dave. Würdest du diese Aussage unterschreiben?

AF: Ich will auf gar keinen Fall, dass es als ein Retro-Album angesehen wird. Obwohl es natürlich Retro-Elemente auf dem Album gibt. Wir haben eine ganze Menge analoge Synthesizer verwendet, ARPs und Moogs, die wir seit Jahren nicht mehr verwendet haben. Deshalb erinnern die Sounds manchmal an Alben wie „Black Celebration“, weil wir damals die gleichen Synthesizer benutzt haben. Aber es ist ein neuer Sound – er ist viel wärmer, viel organischer und erdiger als „Exciter“. Ich denke, das Album wird unseren Fans sehr gut gefallen.

Bei der ersten Listening-Session fiel auf, dass das Album sofort funktioniert: Zwei, drei solide Singles, viele Leute sangen beim zweiten Refrain schon mit. „Exciter“ war da ganz anders – eher crispy.

AF: Es war eher ein Klangbild, das perfekt strukturiert war.

Und es kam zum perfekten Zeitpunkt. Hörst du dir eigentlich ganze Depeche-Mode-Alben zu Hause an?

AF: Na klar.

Welche z. B.?

AF: Alle. Aber natürlich nicht die ganze Zeit, nur wenn ich mal wieder in einer nostalgischen Stimmung bin. Wenn ich in meinem Arbeitszimmer vor mich hin arbeite, dann lege ich schon mal gerne „Speak & Spell“ auf. Ich höre mir alles immer wieder an – das bringt viele Erinnerungen zurück.

Hast du ein Lieblingslied?

AF: Da gibt es eine ganze Menge. Aber ich würde sagen „World In My Eyes“ von „Violator“ – nicht, weil es der beste Song der Welt wäre, aber es war ganz einfach die Situation damals. Wir hatten überall auf der Welt unzählige Fans, und „World In My Eyes“ bringt für mich ganz einfach die Stimmung von damals auf den Punkt. Musikalisch die elektronischen Riffs. Es sagt alles, über unseren Erfolg und worum es eigentlich bei Depeche Mode geht.

Wisst ihr noch, wie viele Leute bei eurem ersten Konzert waren?

AF: Bei unserem ersten Konzert waren ungefähr fünf Leute. Und ca. hundert Kuscheltiere von Martins Schwester.

Habt ihr euch ein Konzert von Daves Solo-Tour angeschaut?

MG: Ja. Ich war bei einem Auftritt in Los Angeles.
AF: Ich war beim Konzert in London.

Hat es euch gefallen?

AF: Das ist schwer zu sagen. Ich habe nur seinen Hinterkopf gesehen. Wie sonst auch.

Wie habt ihr euch dabei gefühlt? Er auf der Bühne und ihr nicht?

MG: Ich dachte, dass ich es sehr, sehr seltsam finden würde. Aber letzten Endes war es nicht so seltsam, wie ich gemutmaßt hatte. Es war für mich einfach eine ganz andere Sache. Auch wenn er einige unserer Songs gespielt hat.
AF: Für mich war es schon irgendwie seltsam.

Hast du dir auch Martins Solo-Shows angeschaut, Andrew?

AF: Ja. Sogar zwei. Eine in London und eine in Mailand. Ich finde, Dave hat das ganz gut gemacht, sein „Paper Monsters“ war ein gutes Debütalbum. Bei Martins Sachen gefällt mir „Counterfeit I“ besser als „Counterfeit II“. Ich finde das Zweite etwas nachlässig. Das habe ich ihm auch gesagt. Ich finde, er hat sich da nicht genug getraut, das Album zeigt nicht sein enormes Talent.

 

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