Liebert-Kuration (I)

How to talk to men

Kick Off! Dies ist der erste von drei Artikeln, die im Oktober veröffentlicht und von Juliane Liebert kuratiert werden. Den Auftakt bildet ein Essay des irischen Autors Conor Creighton. Er handelt davon, ein Mann zu sein – und wie man mit diesem Schicksal umgeht. Illustration von: Làszlò Antal

Den meisten Männern passiert etwas Komisches, wenn sie älter werden. Wir werden isoliert und einsam, und dann beginnt unsere Biologie, die sich bewusst ist, dass wir als Organismus wirklich nicht viel ausrichten können, wenn wir es nicht mit anderen Organismen tun, abzuschalten. Männer sterben im Durchschnitt sieben Jahre früher als Frauen. Als ich aufwuchs, behaupteten wir stolz, dass wir früher gestorben sind, weil wir in Kriegen gekämpft, in Minen gearbeitet, harte körperliche Arbeit wie Bootsbau und Steinbrechen geleistet haben. Aber meine Jugend fand in den 90er Jahren statt. Ich habe keinen einzigen Schulfreund, der in den Krieg gezogen ist. Und nach der Schule, als wir anfingen zu arbeiten, kamen wir der körperlichen Belastung der Arbeit in den Minen am nächsten, wenn wir am Wochenende mit einem Kater IKEA-Möbel zusammenbauten.

Der Grund, warum Männer früher sterben als Frauen, ist der, dass wir einsam sind. Der Grund dafür, dass Tiere in Zoos früher sterben als Tiere in der freien Natur, ist der, dass auch sie einsam sind. Der Grund, warum wir einsam sind, ist der, dass wir ab einem bestimmten Alter keine neuen Freunde mehr finden, und wir hören auf, Freundschaften zu schließen, weil wir nicht mehr wissen, wie wir miteinander reden sollen.  Das Problem wird noch dadurch verschärft, dass die Menschen, ähnlich wie der Frosch in dem sich langsam erhitzenden Wasser, erst dann merken, dass etwas mit uns nicht stimmt, wenn mit uns etwas ganz und gar nicht stimmt.

Es ist lustig, aber ich habe letztens erst gelernt, dass das gar nicht wahr ist. Frösche sind eine der klügsten schwanzlosen Amphibienarten überhaupt, vielleicht sogar schlauer als wir Männer und sie springen ganz sicher aus Wasser raus, wenn es heiß wird. Frösche haben kein Problem damit, zuzugeben, dass sie Schmerzen haben.
Wir Männer können das nicht immer sagen.
Hier ist ein Beispiel: Ich bin mal zwei Wochen lang auf einem sehr schmerzhaften, gebrochenen Fuß rugehumpelt, weil ich, wie ich dachte, nicht für eine einfache Verstauchung in ein Krankenhaus gehen wollte, und ich niemanden damit belästigen wollte. Ähnlich, habe ich den größten Teil meines Lebens damit verbracht Traurigkeit runter zu schlucken, anstatt zuzulassen, dass sie an den Punkt von Tränen kommt. Weinen ist nicht wie Fahrrad fahren. Wenn du vergessen hast, wie man es macht, hast du keine Ahnung wie du es jemals wieder tun wirst.
Männer haben nicht denselben Grad an Einsicht in ihr Gefühlsleben wie Frauen, weil unsere Kultur aggressiv darauf hin arbeitet, uns von dieser Einsicht abzubringen. Von frühster Kindheit an wird uns beigebracht, dass es unmännlich ist, emotionale oder schmerzhafte Themen auszusprechen, während für Frauen so selbstverständlich ist, über Kummer zu reden oder auch nur versuchen darüber zu reden, wie es ist Wasser zu trinken wenn man Durst hat.

Mein Gott, die haben uns ganz schön verarscht. Ich glaube nicht, dass es zu vereinfacht ist zu sagen, dass wir, wenn wir als Spezies auf diesem Planeten überleben wollen, Männer dazu bringen müssen miteinander zu reden. Die Dominator-Kultur, die die Männlichkeit in den letzten paar tausend Jahren geprägt hat, ist eine Kultur in der Macht eine Stärke ist und Gefühle eine Schwäche – und aus diesem Grund, Brüder und Schwestern, rast die Menschheit einem wässrigen, feurigen Tod entgegen

Im Moment, werden die wichtigsten Entscheidungen, die die Zukunft unserer Spezies betreffen, von Männern getroffen, die ganz offensichtlich unter versteckten Depressionen und emotionaler Lähmung leiden. Wenn du schonmal Liebe gespürt hast, warum musst du dann so viel Macht spüren wollen? Ich mag Buckminster Fuller. Er hat über die Zukunft geschrieben. Er hatte dies zu sagen:

“Wir sind mit einer Technologie gesegnet, die für unsere Vorväter unbeschreiblich wäre. Wir haben das nötige Kleingeld und das Wissen, um alle zu ernähren, alle zu kleiden und um jedem Menschen auf der Erde eine Chance zu geben. Wir wissen nun, was wir nie zuvor hätten wissen können, dass wir jetzt die Möglichkeit haben für die gesamte Menschheit, es auf diesem Planeten zu schaffen. Ob sich daraus nun eine Utopie oder das große Vergessen entwickelt… das wird ein Kopf-an-Kopf Rennen bis zum letzten Augenblick werden.
 
Letzte Woche habe ich ein Blick auf die Utopie werfen können. Die Utopie war im Treptower Park, auf einem kleinen Flecken Gras, genau hinter dem Schussbereich der Frisbees. Das war eine Männer-Gesprächsrunde. Wir waren zu acht, ein paar DJs, ein paar Musiker, ein paar mit normalen Jobs und ein paar Hippies in Thai-Hosen, von denen ich mich fachmännisch sozial distanziert habe.

Ich scherze. Aber nur ein bisschen. Wir haben uns für zwei Stunden zusammengefunden, um etwas zu üben, von dem die meisten Männer nicht wissen, wie es geht und das die meisten Frauen mit Leichtigkeit tun: unsere Gefühle mit Fremden teilen. Wir sprachen über unsere Liebesleben, unsere fehlenden Liebesleben. Wir sprachen über unsere Jobs und unsere fehlenden Jobs. Wir sprachen über unsere Eltern, sogar über unsere Väter – ein unantastbares Thema für jeden Mann. Und wir sprachen über Sex, nicht in einer quantitativen, prahlerischen Art, sondern in einer anerkennenden, emotional intelligenten Art, d.h. wir sprachen über Sex, als ob eine Frau tatsächlich auch daran beteiligt wäre.

Ok, ich gebe es zu, es wurde ein bisschen Palo Santo verbrannt und “das Universum” wurde vielleicht ein paar mal erwähnt, aber abgesehen von diesen beiden esoterischen Gastauftritten, war dies eine Möglichkeit um geradeheraus, ohne Kompromisse zu rede. Wenn du dies liest und denkst ‘was solls?’, dann bist du wahrscheinlich schwul oder eine Frau. Die Wahrheit ist, die meisten Männer reden niemals auf diese Weise. Wir beschäftigen uns nicht mit Verletzlichkeit, weil uns von klein auf beigebracht wurde, dass Verletzlichkeit uns nur Ärger bringen wird.

Frederick Douglass, der afro-amerikanische Aktivist und Bürgerrechtler, sagte “Es ist einfacher, starke Kinder zu bilden, als gebrochene Männer zu reparieren.” Er hatte natürlich recht. Es ist einfacher, aber es ist nicht unmöglich. Dazu muss Mann nur Männern beibringen, wie man mit Männern redet.
Ich weiß nicht, ob ein paar sensible Männer, die im Park im Kreis sitzen, genug sind um den Lauf der maskulinen Geschichte zu ändern. Bei den ersten Anzeichen von Regen wären wir wahrscheinlich alle aufgesprungen, um Schutz zu suchen. Aber auf diesem Planeten wird sich nichts ändern, und mit ändern meine ich eigentlich, besser werden, bis wir Männern beibringen können, wie man mit Männern redet.

Text: Conor Creighton

Conor Creighton ist ein irischer Autor. Er lehrt außerdem Meditation. Seit ungefähr fünf Jahren, leitet und besucht er weltweit Männergruppen. Die Gruppen sind offen für homosexuelle Männer, transsexuelle Männer und jeden der sich als männlich identifiziert, obwohl diese Gruppen zum Großteil eher klassische Verkörperungen von Männern anziehen. Diese sind oft die Männer, die am wenigsten darüber nachgedacht haben, was es bedeutet einer zu sein.

Deutsche Übersetzung: Denise Oemcke. 

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