Indie-Gesundheitsmagazin Praxis

“Ich wusste, dass mein Test positiv ausfallen wird” – Aydo Abay über Corona

12. Oktober 2020,

Man hat ja gewusst, dass der Herbst dieses Jahr heftig reinknallen würde, jetzt, wo die Infektionszahlen hoch und die Launen runtergehen, ist man dann aber doch irgendwie unangenehm überrascht. Angst vor Ansteckung, Sorge um die berufliche Existenz, der ganze Scheiß halt. Wie das nervt, also auch diese Ungewissheit. Warum daher nicht mal jemand fragen, der zumindest die Seuche schon hinter sich hat. Der Kölner Musiker Aydo Abay war früh dran Anfang des Jahres. “Na dann, Aydo… Corona, wie war’s?” VON LINUS VOLKMANN // FOTO CHRISTIAN FAUSTUS

Aydo, Anfang des Jahres wurde bei dir Corona diagnostiziert. Wie kam es dazu – und weißt du, wo du dich angesteckt hast?
AYDO ABAY Ich hab mich höchstwahrscheinlich auf einem Konzert in Köln angesteckt. Es gibt noch die Möglichkeit, dass ich mich am selben Abend bei einem Freund im Auto angesteckt haben könnte. Falls das Zweite zutreffen sollte, war mein Kumpel ein echter Superspreader.

Wie bist du darauf aufmerksam geworden? Man testet sich ja nicht einfach so.
Der vermeintliche Superspreader rief mich ein paar Tage später an und teilte mir mit, dass der Tourmanager der Band posititv getestet wurde. Ich hatte zwar nur leichte Grippe-Symptome, doch wir beschlossen, uns testen zu lassen. Mein Kumpel erhielt am nächsten Tag einen Anruf, dass er negativ sei. Ich erhielt zwei Tage später den Anruf, dass mein Test positiv ausgefallen war. Bei unserem vermeintlichen Superspreader wurden im Juni bei einem Test Antikörper gefunden. Deshalb könnte die Theorie von ihm als Mega-Ansteckungsherd durchaus stimmen.

Wie liefen Testerei und der Kontakt mit dem Krankenhaus? Hattest du den Eindruck, alles geht problem- oder doch eher kopflos?
Wir haben uns an der Uniklinik in Köln testen lassen. Ich hatte den Eindruck, dass Ende März keiner so genau wusste, was er da eigentlich macht. Natürlich haben die Mitarbeiter versucht die Situation elegant zu lösen, doch waren sie kaum in der Lage, Fragen zu beantworten. Ich muss aber auch sagen, dass alle sehr nett waren und versucht haben den Menschen ihre Angst zu nehmen.

Wie hat dich der Befund getroffen? Warst du locker oder in Todesangst?
Eigentlich wusste ich schon vor dem Anruf, dass mein Test positiv ausfallen wird. Ich fühlte mich schlapp und mein Geruchssinn war seit ein paar Tagen komplett weg. So richtige Angst hatte ich irgendwie nicht. Ich bekam während der Quarantäne täglich einen Anruf vom Gesundheitsamt, welcher mich zu beruhigen wusste. Ich bekam eine Notfallnummer und fühlte mich irgendwie sicher. Mein Fieber war mittlerweile auch weg und Husten hatte ich eh keinen. Die Freude über eine eventuelle Immunität überwog eigentlich die ganze Zeit.

Wie verlief die Krankheit? Wie lange, wie schwer?
Ich hatte einen milden Verlauf. Vier Tage nach vermeintlicher Ansteckung fingen die Kopfschmerzen an. Dann folgte das Fieber und am fünften Tag hab ich nichts mehr gerochen. Der Geruchssinn kam aber nach 4-5 Tagen wieder. Ich habe einen Fall im Bekanntenkreis, welcher sich auch an jenem Abend angesteckt hat, wo sich Geruchs- und Geschmackssinn immer noch nicht normalisiert haben. Das ist wirklich tragisch. Hatte ich wohl Glück.

Hast du Medikamente genommen/bekommen?
Außer Zusatzpräparaten (Vitamine, Zink, Magnesium) habe ich nichts zu mir genommen. Zu keiner Zeit. Nie.

Man hört viel von Spätfolgen, ist da was bei dir übrig geblieben, denkst du?
Ich bin recht kurzatmig. Kann aber auch am Rauchen liegen. Ich bin Ende April aber auch einen Halbmarathon gelaufen. Sprich: Es muss am Rauchen liegen. Ich sollte echt aufhören. Oder Alkoholraucher werden.

Fühlst du dich bzw bist du heute immun?
Eigentlich ja. Ich hab mich für eine Plasmaspende an der Uniklinik angemeldet. Leider habe ich keine Antikörper. Seitdem stehe ich unter Beobachtung. Sie gehen aber stark davon aus, dass ich mich nicht wieder anstecken werde. Weiß man aber nicht so genau. Mir wurde erzählt, dass es in Köln seit März nur einen Fall der Reinfektion gegeben hat. Und dieser war auch keine richtige Reinfektion. Es wurde exakt derselbe Virusstamm von der ersten Infektion nachgewiesen. Monate später. Sprich: Die Viren können auch noch nach Monaten im Körper inaktiv vorhanden sein. Das ist ungefährlich und man ist auch nicht mehr ansteckend. Trotzdem seltsam. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, wäre das ja eigentlich gut.

Wie erlebst du den Herbst 2020 hinsichtlich des Themas Corona gerade?
Ich mag den Herbst eigentlich sehr gerne. Dieser Herbst jetzt hat es natürlich in sich. Gerade passiert genau das, was im Mai prophezeit wurde. Nach den Freiheiten die der Sommer mit sich brachte, kommen jetzt die Maßnahmen, die unser aller Leben massiv einschränken werden, um die steigenden Infektionszahlen halbwegs niedrig zu halten. Durch die Verbote steigt die Aggression innerhalb der Gesellschaft, Ängste werden Wut und/oder Panik und insgesamt fühlt ich sich das Ganze nicht wirklich gut an. Ich hab noch ne Menge zu tun. In Kombination mit Spaziergängen und viel Musik sollte das machbar sein. Ich hatte auch vor Corona das Gefühl, dass wir alle mal kurz inne halten könnten. Ist ja dann doch einiges aus dem Ruder gelaufen. Ein paar Monate der Abstinenz und Selbstreflexion können nicht schaden. Ansonsten gibt ja auch noch diverse Insta-Stories.

Corona nimmt ja auch wirtschaftlichen Einfluss auf Künstler, wie ist es bei dir? Was machst du gerade, was ging dieses Jahr den Bach runter und bekamst du Unterstützung vom Land?
Uns wurde eine Tour im Mai und ein paar Festivals abgesagt. Nicht wirklich tragisch. Es gibt Bands/Künstler, die es härter getroffen hat.
Ich habe einiges an Unterstützung vom Staat bekommen. Es gab die Soforthilfe, die ich aber höchstwahrscheinlich zum großen Teil zurückzahlen muss und ein Musikerstipendium für ein Projekt meiner Wahl. Bisher kam ich irgendwie klar. Die GVL und auch die GEMA haben mich auch unterstützt.
Wir bewerben uns gerade mit einer neuen Band für die 52. Förderrunde der Initiative Musik. Wenn das klappt, können wir in aller Ruhe unsere Platten fertig machen. Es ist also nicht so, dass ich mich allein gelassen fühle. Und doch ist es eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Warten wir ab wie es um Frühjahr aussieht.
Aus kreativer Hinsicht war Corona allerdings ein großes Geschenk. Ich war noch nie so inspiriert wie dieser Tage. Ich habe seit März an vier Platten gleichzeitig gearbeitet. Ich denke, dass alle Ende des Jahres fertig sein sollten und alle werden gut. Natürlich.

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