Blick zurück nach vorn

Autorenhonorar und Kirmesgeld – Von Popkultur leben 2022

Galt es bei der letztjährigen Rückschau noch, über die zähen, an allem klebende Corona-Viren die Augen zu rollen, darf man nun getrost sagen: Es konnte dann doch schlimmer kommen. Krieg in Europa. Nicht nur die inividuelle Verzweiflung drängt zu neuen Höchstständen. Aber hilft ja nix. Ich habe meine bunte Popkultur-Ich-AG auch 2022 wieder in die Nischen und darüber hinaus getragen. Linus Volkmann verbrennt Goldbarren und ihr friert! Hier ein Einblick in die Untiefen meiner Journalismus-Manufaktur.

L-Mag: „Hart und zart – Ein Gespräch mit Finna“

„HipHop fand ich total ätzend – was einem dort für ein Frauenbild entgegenspringt! Ich hatte nicht mal Bock, auch nur einen Zeh in diesen Saftladen zu setzen.“ (Finna)

Den Auftrag für eine Titelstory im L-Mag bekommen? Ich würde lügen, wenn ich sage, ich hätte das nicht ziemlich gefeiert. Überhaupt, bei allen Existenzängsten und privaten Sorgen, die einen wie Schatten nie loslassen: Ich bin dem Zeitgeist echt dankbar dafür, dass sich die heteronormative Hegemonie auf dem Rückzug befindet und dass neben tradierten Geschlechterrollen, unter denen ich immer wieder gelitten habe, viel Neues, viel Selbstbestimmtes in der Auslage steht. Sowas wäre auf jeden Fall auch ein Thema, das man gut mit der Hamburger Rapperin Finna diskutieren könnte. Als Aktivistin ist sie eh unschlagbar, aber dieses Jahr erschien nun endlich ihr Debüt-Album. „Zartcore“, der Name ist Programm. Der Name ist Programm … was eine Null-Floskel. Wie soll ich mich mit so einem lecken Sprachschatz bloß weiter im Game halten? Na ja, aber ich hoffe, ihr wisst in dem Fall, was gemeint ist.

Finna jedenfalls bringt neben einer großen Stimme auch dermaßen viel Sensibilität in ihre Kunst mit ein, dass es manchmal richtig schmerzt. Für Netz und doppelten Boden ist sie definitiv nicht der Typ. But if you don’t cry, it isn’t love…

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zeit.de: „Blick zurück nach vorn – ‚2001‘ von Tokio Hotel“

„Doch so fluide die Reise losging, so versteinert wurde die Wahrnehmung der Band, als der Ruhm ihrer Kiddie-Jahre abschwoll. Tokio Hotel sehen sich bis heute geframed als die minderjährigen Paradiesvögel mit verhaltensauffälliger Frisur von Sänger Bill Kaulitz und werden selten ohne den Verweis auf das ewige Monolith-Stück ‚Monsun‘ kommuniziert.“

Ein Podcast, den ich dieses Jahr sehr genossen habe (und manchmal wegen seiner Schrillness allerdings abschalten musste), ist „Kaulitz Hills“. Dort tauschen sich die Tokio Hotel Twins Bill und Tom dermaßen entgrenzt aus, dass selbst ich als Fan von Oversharing schon mal dachte, das geht jetzt doch zu weit. Aber was rede ich: Da wird Oversharing ja eigentlich erst interessant. Für zeit-online über das neue Album „2001“ zu schreiben, das fiel mir dementsprechend leicht. Wenngleich ich mich im Text dann doch eher darauf konzentrierte herauszuarbeiten, wie die Band trotz eines Retro-Take wie dem Song „Durch den Monsun 2022“ der Nostalgiefalle zu entrinnen suchen. Mein Podcast-Wissen über die Arschhaare von Bill konnte ich leider nicht einbringen.

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Siegessäule: „Impulsfunke – Der Modern Pop von Lie Ning“

„Festlegen sollen sich andere, bei Lie Ning wird aufgefächert. Nicht nur deshalb erscheint sein geschmeidiger Pop als Möglichkeitsraum – ausgeleuchtet von warmem, indirektem Licht.“

Eine weitere Coverstory ereilte mich dieses Jahr bei der Berliner Siegessäule. Zur Verortung für die Nachwelt muss ich allerdings sagen, dass diese Aufwertung wohl nicht an der Qualität meines Textes gelegen haben dürfte, sondern weil sich Lie Ning einfach gut auf einem Magazintitel macht. Gefreut hat es mich natürlich trotzdem. Die Covergeschichte bei dem queeren Evergreen unter den Stadtmagazinen verfassen. Das sollen mir Journo-Big-Shots wie Diedrich Diederichsen, Stefan Aust oder Ronja von Rönne erstmal nachmachen.

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Weltkulturerbe Völklinger Hütte: „The World Of Music Video“

„Der Clip zu ‘Pussy Mask‘ unterscheidet sich von den früheren Aufregern der Kanadierin. Er besitzt nämlich neben der Stoßrichtung Body Politics noch einen gesellschaftlichen Impetus, fällt das Stück doch in die Corona-Pandemie.“

Um dieses Buch in meine Tentakel zu wuchten, bedurfte es gleich zwei kräftige Postboten. In diesem Kompendium geht es um das Musikvideo als postmoderne Kunstform im Wandel der Zeit. Die Ausstellung „Weltkulturerbe Völklinger Hütte“ stellte dafür 400 Seiten Text auf. Als Autor*innen fungieren vermutlich alle aktiven Popjournalist*innen, derer man habhaft werden konnte. Einer davon: Euer Erzähler hier. Ich steuerte diesem Elefantenprojekt zwei Essays bei – und zwar zu den Clips „Pussy Mask“ (Peaches) sowie „Paranoimia“ (The Art Of Noise feat. Max Headroom).

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Popkolumne auf musikexpress.de: „Fällt aus statt Sold Out“

„Viele Acts werden von den Umständen dieser Tage richtig fertig gemacht. Die meisten schweigen aus Scham und weil öffentliche Absagen mangels Vorverkauf ja auch nicht gut fürs eigene Image sind. Das Publikum sollte allerdings trotzdem dringend von dieser Situation wissen.“

Dieser Job hier dürfte vermutlich den meisten ein Begriff sein, schließlich ist er eine zweiwöchentliche Reihe, was heißt, dass ich von der Kolumne auf musikexpress.de allein dieses Jahr wieder 26 Episoden verfasst habe. Puh! Aber seit ich mich davon verabschiedet habe, die Aufreger der jeweiligen Woche zu paraphrasieren, macht es mir noch mehr Spaß, mich in dieses Projekt reinzuhängen. Ich habe mir dabei einen Zugang zum WordPress der Musikexpress-Seite erbeten, so kann ich die Texte direkt ins System schieben. Als Kontroll-Freak (lies: -Wrack) ist mir das sehr recht. Doch mein Zugang ist limitiert (vermutlich damit ich von daheim nicht musikexpress.de lösche, wenn die Dämonen kommen), so kann ich nicht die Klickzahlen einsehen. Welche Kolumne gut lief, welche bloß meine Mutter und Hater eingesehen haben? Ich weiß es nicht. Bei der Kolumne über desaströse Konzertjahr 2022 mit dem Titel „Fällt aus statt Sold Out“ bin ich mir dennoch recht sicher, dass das den Jahres-Peak dieser Nummer darstellt. Der Text brachte mich unter anderem zu WDR Aktuell und als Speaker zur misslichen Pop-Lage auf diverse Panels.

Hier geht’s zur Kolumne
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Warum dieses apokalyptische Maskenfoto mit Habeck noch dabei von der ME-Bildredaktion ausgewählt wurde, das entzieht sich allerdings meinem ästhetischen Verständnis.

Musikexpress: „Blind Date mit Ricarda Lang“

„Die Vorstellung der Querdenker, frei von gesellschaftlichen Verhältnissen und Solidarität leben zu können, hat mit tatsächlicher Freiheit nichts zu tun.“ (Ricarda Lang)

Als selbstständige beziehungsweise freidrehende Ein-Mann-Armee ist es natürlich ganz komfortabel, wenn man dennoch wiederkehrende Jobs macht. Stichwort Planbarkeit. Auch dieses Jahr habe ich von extern die Print-Redaktion des Musikexpress unterstützt. Das ist natürlich auch darüber hinaus eine ziemlich reizvolle Sache. Hier kann ich gute Autor*innen mit Schreibaufträgen versehen und schauen, dass möglichst viele interessante Acts ins Heft gelangen. Am besten aber: Ich kann mich selbst als Verfasser bei vielversprechenden Artikeln besetzen. Das geht sonst nur beim kaput-magazin, allerdings werde ich dort natürlich nicht bezahlt. Auf diesem Wege jedenfalls kam ich u.a. zu einem Interview mit Ricarda Lang, der Bundesvorsitzenden der Grünen. Wir sprachen über die Musik des Jahres 2022. Sie brachte Ahnung und Witz mit, dieses Interview hat sich gelohnt.
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Musikexpress revisited: Noch so einiges mehr

Aber bei meiner Tätigkeit für die Institution im Print-Bereich steht noch einiges mehr auf dem Tacho diesen Jahres. Zum Beispiel Blind Date mit Jens, ein Text über deutschsprachige Songs in ausländischen Charts, die Begegnung mit Liser und Taby Pilgrim, ein Special zum ESC und und und oder oder oder …
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Initiative Musik: Kati von Schwerin u.v.a.

„Die Wahlberlinerin Kati von Schwerin mit Sauerlandhintergrund macht bildende Kunst, ist eine höchst unterhaltsame Podcasterin, schreibt für das Satire-Magazin Titanic – vor allem aber ist sie Musikerin.“

Dieses Jahr habe ich zudem mein Debüt als Gastjuror bei der Initiative Musik gegeben. Mit smarten Leuten über Musik diskutieren, sich über Bands streiten. To be honest, damit bestreite ich große Teile meiner Frei- oder sogar Lebenszeit. Dass ich das nun auch für die Institution machen darf, die konkret Musiker*innen mit Geld bei der Verwirklichung ihrer Projekte unterstützen, stellt für mich ein Highlight diesen Jahres dar. Schatzmeister in Pop!

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Die Honigpumpe: “Subversion oder affirmatives Sauf-Dada? Das performative Element bei Dechkind und HGich.T”

“Man trifft auf die kulturelle Aneignung der „Art Brut“, denn beide Acts sind natürlich mitnichten nicht so einfältig, wie sie sich inszenieren. Um die Performanz seinem Publikum bestmöglich zu verabreichen, muss diese so unsichtbar wie möglich agieren. Denn im Pop- gelten andere Regeln als im Kunstbetrieb. Die Verbindung zu Tanztheater bei Deichkind ist für die Fanwirkung genauso kontraproduktiv wie das Entlarven HGich.Ts als Künstlerkollektiv.”

Ich habe für Julian Gerhards Powerblog “Die Honigpumpe” einen Blogbeitrag verfasst. Mit Julian hat mich dieses Jahr allerdings vor allem auch noch verbunden, dass er ein Hörspielskript von mir inszeniert, an dem ich sehr hänge. Unter anderem hat er dafür die Stimme von Erika Burstedt (alias Martina Eitner) gewonnen. Ich raste aus – nicht einfach dahingesagt. Aber das alles ist (hoffentlich) ein Fall für die Episode dieser Reihe im nächsten Jahr …

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Kaput-Magazin: „Gebt euch bloß nicht mit denen ab! Das Z-Wort bei TKKG“

TARZAN „Merkwürdig, der weiße Mercedes hält schon seit einer halben Stunde mit uns Schritt.“
GABY „Sind finstere Typen drinnen, sehen aus wie Z■■■■■■. Meinen die uns oder den Fluss?“
KARL „Wieso sollten die uns meinen? Wir haben doch mit Z■■■■■■ nichts am Hut.“ (Aus „TKKG – Der Schatz in der Drachenhöhle“)

Ewiges Lieblingsmedium aber natürlich: Das Kaput-Magazin. hier wird gestaltet, formuliert und rausgehauen, wie es mir passt. Der eigene Content ist hier frei wie Sperrmüll auf der Straße. Aber dadurch dass ohnehin fast alle Pop-Medien ins Netz geflossen sind, haben Thomas Venker und ich mit dem Kaput-Mag einen ziemlichen Bedeutungszuwachs zu verzeichnen. Wenn ein Artikel geteilt wird, weil er gut ist, macht es für die Leser*innen kaum einen Unterschied mehr, ob der Absender jetzt ein etabliertes Verlagshaus oder ein aufgeschäumter Zwei-Mann-Blog ist. Mein wichtigster Beitrag bei kaput 2022 ist auf jeden Fall „Gebt euch bloß nicht mit denen ab – Das Z-Wort bei TKKG“. Text sowie das Interview mit einem jungen Aktivisten für Sintizze & Romnja aus Berlin begleiten dabei eine Folge von „Ausnahme der Rose – Der Podcast über Hörspiele“. Okay, das klingt verworren. Aber eigentlich ist alles ganz einfach. Ich schwöre. Der Artikel beschwor dabei einen Shitstorm unter einer gewissen Klientel von Hörspiel-Fans herauf. Das war zwar unangenehm, aber ehrlich gesagt habe ich es mit diesem Podcast beziehungsweise Artikel auch darauf angelegt. Wenn die Diskriminierungs-Apologeten nicht aufjaulen, hat man was falsch gemacht.

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Der Kaput-Cast: Sven Väth und mehr

„Ich bin bei Corona als einer ersten Deutschen dabei gewesen! Kurz vor dem ersten Lockdown saß ich in einem Flieger aus Spanien, alle haben gehustet, da hatte ich schon ein ungutes Gefühl…“ (Sven Väth)

2022, das Jahr, in dem ich erstmals Geld für einen Podcast bekam. Der eben schon erwähnte Thomas Venker hat eine Kollaboration mit dem HAU – Hebbel am Ufer aufgestellt. Für diese Berliner Instanz verstopften auch wir die globale Podcast-Halde mit etlichen Interviews. Ich traf zum Beispiel – mein erstes Face to face Gespräch nach Corona – Sven Väth in Person. Gude Laune, Alder! Und Kuss auf den Hut für alle, die diese Reihe an Kaput-Casts verfolgt haben.

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