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Danielle de Picciotto & Friends

Bernadette La Hengst „Ich muss mich ausdrücken, um nicht einzugehen, um nicht verrückt oder depressiv zu werden“

Bernadette La Hengst (Photo: Christiane-Stephan klein

Bernadette La Hengst macht seit den 90er Jahren Musik. Ähnlich wie Gudrun Gut in Berlin , wartete Bernadette in Hamburg nicht darauf als Künstlerin entdeckt oder unterstützt zu werden, sondern machte sich sofort daran ihr eigenes Universum zu manifestieren. Diese Art der aktiven Verwirklichung ihrer Träume haben viele der heute noch tätigen Musikerinnen aus den 80ern und 90ern als gemeinsame Charaktereigenschaft. Was gut ist, denn geht es in der Musik nicht genau darum neue Welten zu erschließen?

Ich denke in den 90er Jahren hatten Frauen im Vergleich zu heute, tatsächlich mehr Freiheit, ohne wirtschaftlichen Druck, Ideale zu verwirklichen und sich diese Herangehensweise als grundsätzliches Muster anzueignen. Bei jungen Musikerinnen heute fällt mir dagegen auf, dass sie öfters versuchen etwas schon vorhandenes, Erfolgreiches zu erweitern mit der Hoffnung, dass der Erfolg auch auf Ihr Werk überspringt. Bei den heutigen Wohnungs- und Studiopreisen ist es nicht verwunderlich, wenn man es eher auf Nummer Sicher versuchen möchte. Sicherheit in der Kunst ist aber per se ein Widerspruch. Angst essen Seelen auf und ängstliche Musik ist langweilig.
Musikerinnen wie Bernadette Hengst sind aber nicht nur wegen Ihrer Musik, sondern genau wegen diesem eigenständigen, aktiven Denken und Handeln extrem wichtig . Diese Art sich selbstverständlich, nach eigenem Maßstab, immer wieder zu verwirklichen und weiterzuentwickeln, ist gerade heute eine bedrohte Lebensart.

In einer Zeit in der hart errungene Frauenrechte wieder verschwinden, Diskriminierung und Rassismus sich vermehren, Profit und Macht statt Menschenwürde oder Demokratie bewundert werden, ist autonomes Denken einer der wenigen Möglichkeiten neue Wege aus unserem Sozialen Desaster zu finden. Bernadette La Hengst könnte uns dabei helfen.

Bernadette La Hengst (Photo: Christiane Stephan)

 

Danielle de Picciotto: 1990 wurde Die Braut haut ins Auge gegründet. Es war die einzige reine Frauen Band der Hamburger Schule und wurde 1994 von BMG/Ariola unter Vertrag genommen. Nach vielen wilden Jahren habt ihr euch dann 1999 aufgelöst. Dieses Jahr gibst du mit Peta Devlin und zwei Gastmusikerinnen wieder Die Braut haut ins Auge Konzerte, nachdem 2024 das Label Trikont all eure Alben digital und „Die Braut haut ins Auge Hits 1990-2000“ auf Vinyl veröffentlicht hat. Würdest du sagen es ist eine Art Reunion? Habt ihr vor mehr zusammen zu machen? Neue Stücke zu schreiben?

Bernadette La Hengst: Nein, es ist nicht wirklich eine Reunion. Es ist eher eine Art Rückschau, Aufarbeitung dieser sehr bewegenden Zeit, die uns alle von Die Braut haut ins Auge ziemlich geprägt hat. Wenn ich alte Videos von uns anschaue und die TV Auftritte, Interviews, etc. im Proberaum, aber auch auf großen und kleinen Bühnen, dann kann ich mir und uns beim „Werden“ zuschauen. Das ist manchmal schmerzhaft, oft lustig, teilweise etwas peinlich, aber immer wieder war ich auch überrascht, wie gut wir dann doch auf den Punkt gekommen sind, sowohl musikalisch als auch in der Selbstdarstellung. Und das war nicht so einfach in den 90ern, als es in den USA die Riot Grrrl Bewegung gab, die wir zwar gut fanden, aber mit der wir musikalisch weniger zu tun hatten. Wir waren zwar auch wütend und feministisch, aber wir waren gleichzeitig auch leichtfüßig, verspielt und poppig, wir hatten all das schon selbstironisch in unserem Bandnamen vereint.

Peta und ich sind die einzigen von der Braut, die immer noch Musik machen und auch nach dem Ende der Braut 2000 davon leben konnten. Das war schon kurz nach der Auflösung relativ klar, dass die anderen zurück in ihre Jobs gehen würden. Leider konnten wir sie nicht überzeugen, bei diesen (wir nennen es Die Braut revisited) Konzerten mitzuspielen, denn sie sind alle in ganz anderen Lebenssituationen und haben keine Zeit, sich damit so intensiv zu beschäftigen wie Peta und ich. Das fand ich zunächst etwas traurig, aber als Karen Dennig, die ehemalige Keyboarderin uns dann ihre unglaublich gut klingende Korg Orgel zur Verfügung stellte, damit wir den typischen Braut-Sound zaubern konnten, war es dann ok. Wir wurden im letzten Dezember gefragt, auf dem Lieblingsplatte Festival im Zakk in Düsseldorf zu spielen, und dafür haben wir zwei fantastische junge Gastmusikerinnen ins Boot geholt. Das war auch inhaltlich eine gute Entscheidung, denn so hat uns die nächste Generation feministischer Popmusikerinnen entdeckt. Die Keyboarderin Sophie Seemann ist erst 26, spielt unglaublich gut, sie schreibt auch eigene Songs und singt, sie war eine von Peta`s Studentinnen an der BIMM University in Hamburg, an der Peta mehrere Jahre Dozentin war. Katharina Lattke hat Jazz Schlagzeug studiert, kommt aus Dresden und wohnt jetzt in Hamburg, auch sie ist erst 36 Jahre. Ich muss sagen, ich bin wirklich begeistert, wie schnell und wie professionell die beiden unsere Palette an vielfältigen Songs gelernt haben. So viele gute Musikerinnen gab es Anfang der 90er nicht. Wir waren eher im Punk sozialisiert, learning by doing, do it yourself, und wir haben uns erst langsam miteinander zu guten Musikerinnen entwickelt.

Chor der Statistik, 2025 (Photo: Stella Flatten)

1990 war es schwierig für Frauen Bands ein Label zu finden. Gudrun Gut in Berlin hatte dieselben Schwierigkeiten und gründete deswegen ihr eigenes Label. Wie ist deiner Meinung nach die Situation heute? Ist es heute einfacher für Musikerinnen? Gibt es größeren Zusammenhalt, Unterstützung? Gibt es Altersdiskriminierung im Musikbusiness?

Ja, es war für uns schwierig, ein Label zu finden. Ich kann immer noch nicht wirklich sagen, ob es daran gelegen hat, dass wir eine Frauenband waren oder ob es daran lag, dass wir nicht dem Bild der diskursiven eher intellektuellen Männerbands der sogenannten Hamburger Schule entsprachen.
Die Messlatte der Jungsbands war sehr hoch, sie versuchten in den Szenekneipen zu bestimmen, wie man zu klingen hatte, und wovon die Texte handeln sollten. Die meist männlichen Journalisten wollten ein Teil dieser Szene sein und haben sie dann in die relevanten Musikmagazine reingeschrieben. Allerdings gab es auch weibliche Journalistinnen wie die Grether Schwestern, die für die Spex schrieben, auch sie haben den „genialen“ Jungsbands den Vorzug gegeben, und haben uns eher ignoriert. Das hat sich später dann sehr geändert, wir sind seit vielen Jahren befreundet und gut vernetzt.

Wir haben bei allen Indielabels angefragt, aber keiner wollte uns haben. Auch die Macher der Indielabels waren Anfang der 90er männlich, und es gab wenig weibliche Solidarität in der Szene. Genau wie die Lassie Singers in Berlin sind wir dann eher durch Zufall bei einem Majorlabel gelandet. Dadurch waren wir fast noch mehr außen vor, denn alle Bands der Hamburger Schule wollten auf Indielabels veröffentlichen, bei einer Major Firma zu sein bedeutete kommerziellen Ausverkauf. Auch das hat sich später geändert, als zum Beispiel Polydor mit L’Age D’or fusionierte.

Wir fühlten uns bei BMG immer eher unwohl, denn sie hatten keine Ahnung, wie sie uns vermarkten sollten, ein paar Jahre, nachdem wir unser erstes Album dort veröffentlichten, nahmen sie Tic Tac Toe unter Vertrag, das war vielleicht die einzige annähernd ähnliche Band wie wir. Und daran kann man schon sehen, wie weit die Welten auseinander lagen, denn Tic Tac Toe waren ja eine gecastete Girl-Rap-Band. Wir waren immer die „Schwierigen“, denn wir sagten bei den meisten Marketing Vorschlägen „Nein“. Trotzdem hatten wir auch Glück, bei einer Major Firma zu sein, denn so viel Budget für eine Album Produktion hatte ich danach nie wieder. Und ich zehre immer noch von der Bekanntheit der Braut in den 90ern. Später, Ende der 90er gab es dann mehr Musikerinnen, und es begann eine Art glamouröser Pop-Feminismus, in dem es cool war, sich zu vernetzen und sich als Feministin zu bezeichnen. Neue Freundschaften entstanden, die ehemalige Spex Journalistin Sandra Grether gründete zum Beispiel mit Almut Klotz von den Lassie Singers die Band Parole Trixi, ein Versuch, Riot Grrl in Deutschland zu etablieren. Peta und ich haben ihr Album produziert (Almut stieg davor aus). Ich hatte eine Booking Agentur für Musikerinnen und weibliche DJs und organisierte 2003 mit 100 anderen Frauen das erste feministische Ladyfest in Hamburg. Viele Freundschaften sind bis heute geblieben. Auch in der neuen Generation junger Musikerinnen kann ich mehr Solidarität untereinander erkennen, ich denke schon, dass sich etwas geändert hat in den letzten 35 Jahren.

Altersdiskriminierung gibt es auf jeden Fall. Aber wie auch schon vor 35 Jahren kann ich wieder nicht genau definieren: Liegt es immer noch daran, dass ich eine Frau bin, daran, dass ich 57 Jahre alt bin und mich weigere, still zu sein, mich „altersgermäß“ (was ist das?) zu kleiden, oder daran, dass meine Songs vielleicht doch zu politisch sind, zu viel wollen, zu eckig und kantig, nicht radiotauglich genug klingen? Keine Ahnung. Und es ist auch etwas langweilig, darüber nachzudenken.
Eine Frau, die mich im Radio gehört hat bei der Sendung von Bettina Rust, schrieb mir eine E-Mail und wollte mir ihre Dienste als Managerin und Karriereberaterin anbieten. Da wurde ich schon misstrauisch. War ich doch immer gegen diese „Karriere-Fuzzis“ resistent geblieben. Als ich dankend ablehnte, wurde sie richtig fies und schrieb, ich sei weder altersgemäß noch zeitgemäß (als ob ich das jemals sein wollte, haha), und mit meinen silbernen „Fick-Kleidchen“ sei ich eine schlechte Version der superpeinlichen Dolly Parton. Peta schrieb mir dazu, das sei ja wohl eine doppelte Beleidigung, einmal gegen mich als ihre beste Freundin, und dann noch gegen die von ihr sehr verehrte Dolly Parton.
Das war Altersdiskriminierung in Höchstform. Gut, dass ich drüber lachen konnte.
Aber es wäre schon schön, wenn ich ab und zu mal auf einem Festival eingeladen würde, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Vor ein paar Jahren habe ich den inspiration award der Organisation Keychange (für mehr Geschlechtergerechtigkeit auf Festivals) bekommen. Bei der Preisverleihung auf dem Reeperbahn Festival kamen nur meine besten Freundinnen, außerdem wurde ich auch danach zu keinem größeren Festival gebucht.

Die Braut haut ins Auge, 1993 (Photo: Thomas Mueller)

Seit der Auflösung von Die Braut haut ins Auge hast du sieben Soloalben veröffentlicht. Was sind für dich die Vorteile Solo zu arbeiten? Was sind die Vorteile in einer Band zu sein?

Ich fing an, Anfang der Nuller Jahre Solo zu spielen, weil ich von der Musik leben wollte, und man mit meinem Bekanntheitsgrad keine Band bezahlen kann. Das waren also sehr praktische Gründe. Musikalisch habe ich mich dann von einem Bandsound zu elektronischer Musik gewandelt, denn mit einem Sampler beziehungsweise Laptop kann man gut die Energie einer ganzen Band erzeugen. Ich tourte viele Jahre lang allein, ab und zu hatte ich Gastmusiker*innen dabei, und das geht so bis heute.
Ich habe mich daran gewöhnt, alles allein zu entscheiden, zu schreiben, zu produzieren, aber ich freue mich auch, wenn Musiker*innen dabei sind, die Freude an meiner Musik haben und ihre Talente mit einbringen, wie zum Beispiel Claudia Wiedemer, die eigentlich Schauspielerin ist, aber auch eine fantastische Sängerin und Cellospielerin. Außerdem singt seit vielen Jahren mein Freund und Lebenspartner Nick Nuttall bei einigen Konzerten mit mir. Er ist eigentlich Kommunikations-Stratege für Klimakampagnen, aber auch ein sehr mit mir harmonierender Sänger. Ab und zu habe ich richtig großartige Jazzmusikerinnen dabei, Samantha Wright am Saxofon und Klarinette und Sonja Beeh an der Posaune. Ich wünschte, ich hätte ein großes Budget/Förderung für mein nächstes Album und die kommende Tour, dann würde ich liebend gerne mit einer großen Band spielen.

Was bedeutet für dich Musik? Betrachtest du es als Entertainment , Ausdruck deiner Gedanken, Gefühle oder politisches Handeln?

Für mich geht das alles zusammen, Ich muss mich ausdrücken, um nicht einzugehen, um nicht verrückt oder depressiv zu werden. So war es schon immer. Ich habe glücklicherweise früh gelernt, mich auszudrücken, und habe gemerkt, dass ich so Resonanz in der Welt erzeugen kann. Ich glaube, dass alles, was wir tun, politisch ist, auch das „Nicht-Handeln“. Ich glaube, es ist ganz wichtig, sich politisch zu positionieren als Künstler*in, und das funktioniert auf so viele verschiedene Arten. Meine Freunde von der Banda Comunale aus Dresden, die seit über 20 Jahren mit ihrer internationalen euphorisch-energievollen Brassband auf den Straßen von Sachsen gegen Nazis demonstrieren, wollen natürlich auch nicht nur als politische Band wahrgenommen werden, sondern auch entertainen, sie wollen, dass die Leute zur Revolution tanzen. Auf manchen Demos gegen Rechts dachte ich schon, vielleicht ist das einfach das Beste, was wir tun können: Mehr Spaß haben als die Nazis auf der anderen Seite und damit ein Zeichen setzen.

Du leitest einen Chor. Könntest du erzählen, wie es dazu kam und was gesungen wird?

Bernadette: Ich gründe seit vielen Jahren dauernd Chöre in ländlichen Gebieten oder in Städten und schreibe mit den Chormitgliedern zusammen Songtexte über ihre Hoffnungen, Ängste, Beschwerden oder Zukunftsvisionen. Den Chor der Statistik habe ich zusammen mit raumlaborberlin 2019 im Haus der Statistik gegründet, um diesem besonderen Haus am Allesandersplatz eine chorische Stimme zu geben. Wir singen zum großen Teil meine Songs, aber auch Coverversionen anderer Bands über die Zukunft der Stadt, die Verdrängung aus den Innenstädten, Songs über die Klimakrise und Biodiversität, feministische Hymnen oder Songs über ein Europa der offenen Grenzen. Wir schreiben auch ab und zu zusammen Songtexte, indem ich dem Chor Fragen zu einem bestimmten Thema stelle und die Antworten dann zu einem kollektiven Text verdichte. Wir singen übrigens Ende August beim diesjährigen Popkultur Festival in Berlin ein ganz spezielles Konzert mit politischen Songs.

Deine Energie scheint nie nachzulassen. Abgesehen von deinen vielen Konzerten, machst du eine Radio Sendung auf Radio 1, veröffentlichst am 11.4 dein Buch “ Warum ich so laut singen kann “ im Ventil Verlag, leitest den Chor und machst Lesereisen. Wie schaffst du es alles unter einen Hut zu bekommen? Woher schöpfst du deine Energie?

„Warum ich so laut singen kann“ (Cover-Abbildung, Copyright: Ventil Verlag / Bernadette La Hengst)

Ich weiß es auch manchmal nicht, woher die Energie kommt. Ich kann einfach nicht anders. Mir geht es nicht so gut in Phasen, in denen ich nicht so viel zu tun habe und dann auch kein Geld reinkommt. Es geht manchmal ganz schnell, von einem Monat zum nächsten ist das Konto leer, und ich habe das Gefühl, es geht bergab, und niemand interessiert sich mehr für meine Musik. Aber dann kämpfe ich mich immer wieder heraus und starte neue Projekte, schmiede neue Pläne. Am schlimmsten war für mich die Pandemie, in der ich wirklich Angst hatte, dass Musik und Kunst nicht systemrelevant sind, und mein Leben zu Ende geht. Aber anscheinend schaffe ich es immer wieder, mich da raus zu kämpfen.

Meine Radiosendung hält mich musikalisch lebendig, ich habe nie so viel Musik gehört und auch junge unbekannte Musikerinnen gefördert, wie in den letzten vier Jahren, seitdem ich diese Sendung mache. Es ist echt viel Arbeit und jeden Monat stöhne ich: Oh Gott, ist schon wieder ein Monat rum? Und dann macht es mir doch so viel Spaß, und es bereichert mich sehr.

Mein Buch „Warum ich so laut singen kann“ kommt im April raus, und ich bin sehr glücklich darüber. Ich hatte schon zweimal angefangen, ein Buch zu schreiben, so halb autobiografisch, und jetzt sind es halt Songtexte mit Geschichten, und das ganze geht leichtfüßig und unterhaltsam durch mein ganzes Leben und Oevre. Ich freu mich auch sehr auf dieses neue Format der „Musikalischen Lesetour“. Songtexte lesen wie Gedichte, dann Geschichten erzählen und Songs singen.

Die Zeiten sind nicht einfach. Es gibt viele Kriege, den Klimawandel und einen großen Rechtsruck. Ist es deiner Meinung nach wichtig als Künstlerin innerhalb der Kunst Stellung dazu zu nehmen oder sollte die Kunst unabhängig davon existieren?

Unbedingt Stellung beziehen. Allerdings ist es mit manchen Themen auch gerade nicht einfach, eine Position zu finden, bei der man nicht angefeindet und verurteilt wird. Ich kann zum Israel Palästina Konflikt keine eindeutige Position einnehmen, das empfinde ich als falsch, denn ich kann keiner Seite wirklich gerecht werden. Aber sobald ich das ausdrücke, habe ich schon Angst, dafür verurteilt zu werden. Das fühlt sich nicht gut an.
Bei den meisten anderen Konflikten scheint es mir klarer zu sein.
Ich habe die Linke unterstützt mit meinem Chor kurz vor den Wahlen, weil ich ihre Politik zum größten Teil richtig finde, und jetzt gibt es diese Diskussion über das Sondervermögen und die Aufrüstung. Das ist auch extrem schwierig, aber ich bin immer noch sehr froh, dass die Linke im Bundestag vertreten ist, um ihre Positionen stark zu machen.
Allerdings braucht es auch die Freiheit der Kunst, sich von politischen Forderungen nicht vereinnahmen zu lassen, sondern eher auf die Suche zu gehen nach künstlerischen Utopien, die mehr in eine Zukunft schauen als nur das Dilemma der Gegenwart zu beschreiben.

Peta und Bernadette, Die Braut haut ins Auge, 1993 (Photo: Stefan Malzkorn)

Welche Alben haben dich in der letzten Zeit begeistert oder inspiriert?

Derya Yıldırım & Grup Şimşek, „Yarin Yoksa“
Masha Qrella „Songbook“
alles von Mina Richman

Gibt es einen Traum, den du dir gerne in der Zukunft erfüllen würdest?

Ich möchte gerne ein Buch schreiben, eine autofiktionale Biografie oder wie man das nennt. Aber alle Förderungen werden weniger, ich weiß nicht, woher ich die Zeit und das Geld nehmen soll. Außerdem möchte ich gerne wieder mehr künstlerisch reisen, ein Stipendium ins ferne Ausland, ein anderer Kontinent, das wäre schön. Ein politisches Musical inszenieren mit meinem Chor der Statistik.

 

Die Braut hat ins Auge spielen am 5.4. im BiNuu/Berlin und am 6.4. im Knust/Hamburg. 

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