Foool / Vincenz Golly

tiefe Rastlosigkeit & blinde Unbeschwertheit


“Foool is a producer from Berlin”- hinter dieser spärlichen Beschreibung verbirgt sich das Projekt des Kreuzberger Musikers Vincenz Golly, der mit seiner ‘Teufelsberg EP’ gerade eine extrem hörenswerte Platte vorgelegt hat.

Es scheint eine geheimnisvolle Magie vom Teufelsberg auszugehen, dieser Anhöhe im Westen Berlins, auf der eine alte Abhörstation wahlweise als Graffiti Hall of Fame oder als Hintergrund für Touristenselfies herhalten muss. Bereits vor einigen Jahren drehten Foool (damals noch in Formation einer dreiköpfigen Band) ein Musikvideo in den Wäldern rund um den Teufelsberg.

Seit dieser Zeit hat sich einiges verändert. Musikalisch ist Vincenz Golly inzwischen solo unterwegs und hat das Gesangsmikrofon beiseite gelegt um Patz zu schaffen für seine Drum Maschines und Synthesizer. So hört man den fünf instrumentalen Stücken der “Teufelsberg EP” an, dass sie das Produkt einer langen und gelungene Suche nach einem eigenen Sound sind: Trockene Kicks und Claps fliegen durch den Raum, bilden bestechende Groovemuster, über die sich synkopierte Synthchords und kratzige Gitarrenriffs legen, während hier und da gepitchte Vocalchops als Klangfetzen auftauchen. Durch die Kombination von Rhythmik und Sound entziehen sich die Beats geschickt den üblichen Genrezuschreibungen, wobei sich die durchaus poppigen Melodien Gollys beharrlich ins Gedächtnis pflanzen. Zu dieser Mischung gesellen sich leicht jazzige Vibes, wenn etwa in “Unterdrücke niemanden”, ein Drumbreak Platz schafft für das Saxophon von Natalia Bustamente. Durch diese besondere Mischung lässt Golly seine Musik die schwere Winterluft Kreuzbergs atmen und verleiht ihr gleichzeitig den süßlich-melancholische Duft einer durchgemachten Berliner Sommernacht. Ohne Worte aber in klarer Sprache erzählen die Tracks vom Scheitern und vom Aufstehen, vom Finden und Verlieren wertvoller Dinge und von der langen Suche einer oftmals ziellosen Generation. Dabei wirken die Stücke keinesfalls schwermütig oder hoffnungslos, sondern verstrahlen durchweg eine positive Lebenseinstellung.

Parallel zur EP produzierte Golly in Eigenregie drei Videoclips, von denen besonders das Video zu “Akzeptiere dich selbst” hervorsticht. Zu Beginn des Clips wühlt sich die Kamera durch Touristenmassen hindurch zu einer Aussichtsplattform einer zunächst unbekannten Attraktion. Was folgt, ist ein Bild welches mittlerweile überall zu unserem Alltag geworden ist: Menschen fotografieren sich selbst vor der Sehenswürdigkeit, wobei es den Anschein macht, als schenke kaum jemand seine Aufmerksamkeit der eigentlichen Attraktion. Auch die Kamera tut dies in diesem Fall nicht und so erfährt der Zuschauer erst nach und nach, wo sich diese teils bizarren Szenen abspielen. Was leicht zu einer plumpe Anklage gegen unsere Selfie-Wahn hätte werden können, ist durch Gollys Blick zu einem vielschichtigen Statement gelungen, welches Fragen zum Selfiekult, Narzissmus und Medienkonsum unserer heutigen Zeit aufwirft, ohne dabei jedoch auf die Menschen herab zu schauen oder den altbekannten analogen Zeigefinger zu erheben.

Ganz wie einst die Abhörstation des Teufelsberg, scheint Foool mit feinen Sensoren die Botschaften, den Vibe und das Lebensgefühl seiner Heimatstadt erfasst und in Wellenformen festgehalten zu haben. So resoniert auf der “Teufelsberg EP” die tiefe Rastlosigkeit Berlins mit der blinden Unbeschwertheit einer verlängerten Jugend und dem ewig schlagenden Pendel zwischen “Euphorie und Ernüchterung” und es gelingt ihm der Kunstgriff einer instrumental-nachdenklich-tanzbaren Platte.


Der Auto und der Künstler sind befreundet, was aber kein Problem darstellt, da der Autor die Platte nun mal einfach wirklich richtig gut findet. 

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