Record of the Week

Konrad Sprenger „Set“ (Black Truffle)

Konrad Sprenger
„Set“
(Black Truffle)

„Set“ beginnt mit einem Paradoxon. Der Titel, eine einzige Silbe mit unendlich vielen Bedeutungen, deutet auf Struktur und Spontaneität zugleich hin. Das von dem Berliner Grafiker Till Sperrle gestaltete Cover – ein knallroter Konrad-Sprenger-Schriftzug auf weißem Grund – suggeriert eine gewisse Strenge. Und die beiden Kompositionen des Albums, schlicht „I“ und „II“ betitelt, verstärken diesen Eindruck des Minimalismus. Aber wenn man genau hinhört, löst sich die oberflächlich suggerierte Einfachheit in ein unruhiges, polyrhythmisches Flirren auf.

Konrad Sprenger beschreibt die Entstehung des Albums als ebenso mühelos wie fordernd: Die Ideen entstanden schnell, entwickelten sich aber in zwei Jahren akribischer Verfeinerung. Der Musik merkt man diesen Spagat der (Gefühls)Zustände an – Künstler und Sound balancieren zwischen Instinkt und Kalkül, Groove und Abstraktion. Sprenger ist das Gleichgewicht zwischen wissenschaftlicher Strenge und visueller Unmittelbarkeit nicht fremd; wie Oren Ambarchi in den Bandcamp-Liner-Notes des Albums anmerkt, verbinden seine Kompositionen eine „hohe Popsensibilität“ mit einem zutiefst analytischen Ansatz. Dieses Paradoxon ist die Kernspannung von „Set“ und sein Reiz.

Aufgebaut auf schimmernden Gitarrenharmonien, eng gewundenen Perkussionsinstrumenten und synthetischen Akzenten, wirkt „Set“ weitläufig und doch eng gewunden. Sein rhythmisches Fundament bewegt sich mit der Präzision des zeitgenössischen Techno und trägt gleichzeitig das hyper-detaillierte Filigran der post-seriellen Komposition in sch. Unter den flackernden Texturen tauchen getragene Akkorde auf, die an das sehnsüchtige Treiben von Arthur Russell erinnern, beispielsweise auf „Tower of Meaning“.

Die Gesamtwirkung ist quecksilbrig: als ob die Musik sich ständig in Echtzeit neu formt, ein Klanggitter, das sich nie ganz verfestigt.

Für „II“ kollaborierte Sprenger mit Oren Ambarchi. Die Synergie der beiden ist tief verwurzelt, sie haben in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Konstellationen zusammengearbeitet, darunter ein Trio mit Phillip Sollmann und ein Quartett mit Arnold Dreyblatt. Bei „II“ ist ihr Zusammenspiel instinktiv und entfaltet sich auf eine Weise, die sowohl spontan als auch ausgearbeitet wirkt. Ambarchi, den man zumeist in improvisatorischen Set-Ups antrifft, bringt eine organische Fluidität ein, die im Kontrast zu Sprengers akribischer Konstruktion steht.

„Set“ ist messerscharf und doch schwerelos. Die Musik atmet eine paradoxe Leichtigkeit, als würde man Tänzer:innen zuschauen, deren Bewegungen ungezwungen erscheinen und doch das Ergebnis endloser Proben sind. Die vielleicht unerwartetste Resonanz von „Set“ liegt in der filmischen Sensibilität, die vielschichtigen Texturen und ungelösten Spannungen erinnern an die Atmosphäre eines Suspense-Thrillers. Man könnte es sich leicht als Klangkulisse für eine Neuverfilmung von „Herz der Finsternis“ (Jospeh Conrad) vorstellen, bei der das rhythmische Zusammenspiel, dem wir uns auf „Set“ fasziniert hingeben dürfen, zum Puls einer unsichtbaren Erzählung wird.

Und das Schönste. „Set“ lädt zu endlosen (Re)Interpretationen ein, die Sounds sie erweitern, brechen und konfigurieren sich bei jeder Begegnung neu.

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