Portrait der Künstlerin Hermoine Zittlau 


Hermoine Zittlau: Comeback durch Krise



Hermoine Zittlau in der Oper der Tödlichen Doris „Autofahrt in Deutschland“, 1987 (Screenshot)

 

Manche Biographien sind trotz der allumspannenden Archivkraft des Internets nicht ohne weiteres präsent. Dazu gehört die von Hermoine Zittlau. Von der Berlinerin gibt es nicht einmal einen Wikipedia-Artikel. Nun wagt sie mit Mitte 60 ein kleines Comeback als Poetin und Opernsängerin.

Anlass genug für Philipp Meinert, ihr Leben bis hierhin endlich einmal zu dokumentieren.

Nein, so etwas hat sie sich nicht gefallen lassen. Als Regisseur Christoph Schlingensief Hermoine Zittlau einmal während eines seiner Stücke in der Garderobe vergessen und kurz vor Ende ruppig auf die Bühne zehren wollte, trat sie ihm beherzt vor das Schienbein. „Anstatt sich dafür zu entschuldigen, hat er mich einfach gepackt“, erinnert sie sich noch Jahrzehnte später entrüstest. Hermoine trat auf und Schlingensief humpelte für den Rest der Inszenierung.

Dabei ist Hermoine Zittlau im Gegensatz zu Schlingensief, der sich in der ihm zugeschriebenen Rolle des „Enfant Terrible des Theaters“ sichtlich wohl gefühlt hatte, keine schwierige Person. Im Gegenteil. Trotz und ihrer tiefen Stimme, ihrem strengen Blick und ihren oft herrischen Rollen ist die Künstlerin zurückhaltend und scheu. „Sag mal ganz offen!“, fragt sie bei unserem ersten Treffen in einem asiatischen Restaurant an einen Januarnachmittag 2022. „Findest du es doof, wenn ich mir nachher einen Wein bestelle?“ Die sich in diesem Satz spiegelnde Unsicherheit erklärt viel über sie.

Doch wer ist überhaupt Hermoine Zittlau?

Um das zu verstehen, muss man zurück in die muffigen Siebziger an den Berliner Stadtrand. 1971 zog die Familie der 1959 geborenen Hermoine vom zentralen Schöneberg nach Lichtenrade an den südlichen Stadtrand. Ihr Vater war Zimmermann, die Mutter Friseurin. Klassischer Mittelstand. Und obwohl Hermoine Zittlau fast ihr ganzes Leben dort bei Ihren Eltern lebte, war das Verhältnis zu ihnen nicht leicht. Es fing bei der Kleidung an. Hermoine trug früh viel schwarz: schwarzer Lippenstift, schwarzer Mini-Lederrock – insgesamt ein früher Goth. Damit fiel sie im bürgerlichen Umfeld negativ auf und stellte sich gegen die Konventionen und dem Modediktat: „Alle meinten, ich solle mich nett zurecht machen. Vielleicht krieg ich ja dann `nen Freund. Vielleicht will ich das ja gar nicht!“ Den patriarchalen Erwartungen ihrer Umwelt verweigerte sie sich lieber und ihre Mutter musste ertragen, dass sie im elterlichen Friseursalon gefragt wurde, ob die Tochter zum Kostümfest gegangen war.
Statt sich anzupassen, kultivierte Hermoine eine dunkle, morbide Seite. Mit 14 Jahren schrieb sie ihr erstes Gedicht: „Hymne auf den Tod.“ Es behandelte das Ableben von Doors-Frontmann Jim Morrisson und wurde ihr fälschlicherweise als Selbstmordabsicht gedeutet.

Es überrascht nicht, dass ein gerader Lebensweg bei Hermoine Zittlau scheitern sollte. Aus der Haushaltsschule flog sie raus, nachdem ihre Kochkünste mit der Note Fünf bewertet wurden. Und auch in der Schule eckte sie genau so an wie im Elternhaus, einfach nur, weil sie ungewöhnlich groß war: „Mit mir hatten sie immer ein Problem. Die wollten mich immer verändern und dachten, ich müsse dafür noch dankbar sein. War ik nich.“

Hermoine Zittlau 1978 vor einem Bild von Peter Schlangenbader (Foto: Archiv der Tödlichen Doris)

 

Endlich anders sein dürfen. Punk als Befreiung

Schließlich wurde sie Fußpflegerin. Und die Pediküre führte sie nach der dreimonatigen Ausbildung schnurstracks zum Punk. Denn ihre älteren Klientinnen lebten in der Nähe des Ku’damms, wo 1978 mit dem Punkhouse eine der allerersten und kurzlebigen Institutionen der neuen verrückten Subkultur aus Großbritannien eröffnete. „Bei mir ist das sofort angekommen“ erinnert sich Hermoine Zittlau. Endlich eine Szene, in der sie mal nicht die Seltsame war, in der sie sich nicht fragen lassen musste, ob sie etwa ein Kostüm trage.

Während Jon Savage in seinem Standardwerk „Englands Dreaming“ die ungewöhnliche Hitze des britischen Sommers 1976 als einen Faktor benennt, warum sich Punk bei den reservierten Briten auf der Insel verbreiten konnte, erklärt Hermoine Zittlau den misslungenen Sommer 1978 für seine Verbreitung in Deutschland verantwortlich: „Ohne diese kalten verregneten Sommer hätte es vielleicht Punk gar nicht gegeben. Denn zu Sonnenschein passt Reggae ja besser.“ Jedenfalls gab es auf dem Berliner Ku’damm zahlreiche kostenlose Punk-Konzerte und Hermoine entdeckte die junge Nina Hagen, die dem Publikum gerade den „Farbfilm“ verweigerte und ihre New Wave-Songs präsentierte. Ab da war Hermoine Zittlau mit Hundehalsband und schwarzem Lippenstift Stammgästin im Punkhouse. „Das war wie ein Befreiungsschlag. Nachdem ich überall rausgeflogen war, war Punk ´ne Offenbarung. Die sind ja auch überall rausgeflogen“ erklärt die ehemalige Haushaltsschülerin ihrem Erstkontakt mit Punk.

Wenn Hermoine gerade keine Füße zu pflegen hatte, war sie also in der gerade entstehenden Szene unterwegs. Punk war in Westberlin zunächst künstlerischer und experimenteller als der straighte Hausbesetzerpunk in Kreuzberg um Bands wie die Ätztussis oder Beton-Kombo, der etwas später aufkommen sollte. Hermoine bot diese neue Avantgarde in Schöneberg die Heimat, die sie immer gesucht hatte.

 

Fußpflegerin Hermoine Zittlau erschlägt Ogar Grafe mit einem großen Schlappen im „Sinnfilm“ (1980) (Foto: Ades Zabel)

 

„Ich muss töten!“

Wie es aber für die frühen Punks üblich war, konsumierte Hermoine Zittlau nicht nur, sondern entdeckte selbst die kreativen Selbstverwirklichungsmöglichkeiten der Szene. In den späten Siebzigern und den frühen Achtzigern blühte die Super 8-Szene in Westberlin. Die Technik aus den Sechzigern, die gerade in den bundesdeutschen Haushalten aus der Mode kam und zunehmend durch das neue heiße Medium Video ersetzt wurde, erlebte seinen Boom in der experimentellen Szene. Unzählige, tonlose oder nachvertonte Amateurfilme entstanden. Der bis heute bekannteste Vertreter der Szene ist Splatterkönig Jörg Buttgereit, doch noch früher dran war Ades Zabel, heute im queeren Berlin bekannt durch seine Dragfigur Edith Schröder. Zabel war Teil der Filmgruppe, die sich die Teufelsberger nannte, in welcher auch Hermoine Zittlau ihre ersten Gehversuche machte.
Wobei Hermoine Zittlau die Gruppe in der Diskothek Exzess zunächst skeptisch beäugt hatte. Neben den üblichen eher banalen Graffiti an den Clubwänden wie „Skins rule OK“ oder „Benni for President“ blieb ihr eins besonders in Erinnerung: „Hilda und Karin fahren U-Bahn. Hilda isst einen Apfel. Karin liest ein Buch.“ Das hätte sie sehr unheimlich gefunden und Unheimliches mag Hermoine Zittlau. Später fand die heraus, dass dieser sonderbare dadaistische Spruch aus der Feder der Teufelsberger stammte.

Adel Zabel erinnert sich auch Jahrzehnte später noch gut und detailreich an seinen ersten Kontakt zu Hermoine Zittlau im Exzess: „Sie trug ein ärmelloses, türkisfarbenes Minikleid mit Blumen, Netzstrümpfe, schwarze sehr hohe Lackpöms, ein Stachelnietenhalsband und eine große schwarze Hornbrille. Sie war groß, imposant, ja geradezu beängstigend. Wenn sie tanzte, nahm sie ihre Brillen ab, um wild Pogen zu können.“
Sowohl Hermoine als auch Ades erinnern sich, sie hätten sich jeweils zuerst angesprochen und ihren Mut zusammennehmen müssen. Aber als das Eis erst einmal gebrochen war, bekam Hermoine Zittlau gleich ihre erste Filmrolle angeboten. Sie, die Fußpflegerin, sollte in Zabels Debutwerk „Sinnfilm“ von 1980 eine Fußpflegerin spielen – wine Anfrage, die sie nur annehmen konnte. Mit den Worten „Ich muss töten!“ beförderte sie unter anderem den Schauspieler Ogar Grafe ins Jenseits. Das Mordinstrument war übrigens ein Werbeträger, den Zabel in einem Sanitätsfachgeschäft entdeckt hatte, „ein übergroßer Berkemann Holzklapperlatschen, natürlich aus Kunststoff.“ 
Es waren jedoch nicht alle so angetan von der mordenden Fußpflegerin: „Den Film habe ich mal bei einem Klassentreffen gezeigt. Wir mussten abbrechen, weil die Leute das Zimmer verlassen haben!“

Von der Teufelsberggruppe zur Tödlichen Doris

Der Kontakt zum Umfeld der avantgardistischen Postpunk-Gruppe Tödlichen Doris kam in einem Reisebus nach Helgoland zustande. Im Juli 1983 fährt eine bunte Truppe aus Genialen Dilletanten auf die Insel, um dort etwas andere Chaos-Tage zu veranstalten als die, die man in Hannover zelebriert. Nicht Dosenstechen, rumgröhlen und Scharmützel mit der Polizei waren angesagt, sondern das erste Open Air-Konzert der Westberliner Gruppe in der Besetzung Nikolaus Utermöhlen, Tabea Blumenschein, Elke Kruse und Wolfgang Müller. Auch in diese Szene der Unpassenden fügte sich Hermoine Zittlau wieder perfekt ein. Die mitreisenden Rentner*innen im Bus waren äußerst irritiert, erinnert sie sich fast vierzig Jahre später: „Die haben uns angeguckt wie Tiere im Zoo. Und eine fragte noch, ob das die Folklore der Insel sei.“

Hermoine Zittlau bei der Auflösung der Tödlichen Doris im Dezember 1987 (Foto: Peter Heim/Archiv der Tödlichen Doris)

Die Tödliche Doris begleitete Hermoine fast bis zum Ende ihres Bestehens. Am 4. Und 5. Dezember 1987 überzeugte sie einen Tag vor der offiziellen Auflösung der Gruppe mit einer traurigen Arie in der Tödliche Doris Oper „Autofahrt in Deutschland“ in München neben Tabea Blumenschein und Etsuko Okazaki. Das Medium Oper wurde von den Künstler*innen verwendet, weil man zum Schluss der Gruppe etwas konstruktives, klassisches, versöhnliches machen wollte, so Wolfgang Müller. „Zum Thema Oper fiel uns sofort unsere gemeinsame Freundin Hermoine ein. Sie hatte über die Jahre eine ganz eigene, spezielle Art des Operngesangs entwickelt. Zusammen mit Tabea und Etsuko würde sie perfekt harmonisieren. Hermoine könnte Doris am eindrucksvollsten im Genre Klassik und Oper verkörpern“, so Müller weiter.

Optisch erinnert Hermoine Zittlau dabei verblüffend an Beth Ditto von Gossip in den Nullerjahren, während ihre dunkle, melancholische Stimme an Deutschlands Prä-Dark Wave-Sängerin Alexandra denken lässt, die fälschlicherweise immer noch dem Schlager zugeschrieben wird; 2021 hat Hermoine die Oper mit Unterstützung von Wolfgang Müller in einem Tonstudio neu aufgenommen. Als Grund gibt er an, dass er Hermoines heutigen Gesang noch einmal austesten wollte. Müller ist mit dem Resultat zufrieden: „Es gefällt mir außerordentlich.“

Eigene Bandprojekte von Hermoine Zittlau waren nie langlebig. Die Gründung ihrer Punkband Exquisite Selbstvernichtung scheiterte an finanziellen Engpässen; für Proberaum und Equipment war schlichtweg kein Geld da. Merchandise gab es allerdings trotzdem, da Hermoine bereits ein T-Shirt designt hatte. „Die Buchstaben hatten Zähne und das T war ein Dolch. Und stilisierte Blutflecken drauf. Das war meine allererste Punkphase und so sollte die Gruppe auch heißen.“ Auch ihre nächste Band, die Höhner Shell Singers, sollte kein Langzeitprojekt werden, deutete aber bereits ein weiteres Talent von Hermoine Zittlau an: Ihre Fähigkeit, detaillierte Phantasiewelten aufzubauen. Denn die höhmunistische Folkloregruppe Höhner Shell Singers bestanden aus großköpfigen Wesen, aus welchen sie ihre Kinder gebaren und ein eigenes Reich namens Harmunistan kultivierten.

Hermoine wird Harmudistanerin

Die fiktive Welt Harmudistan enstand in den frühen Neunziger Jahren aus dem Stehgreif bei einem Partygespräch mit einer Bibliothekarin, die sich für ihr grünes Kleid mit der Symbolik äthiopischer Christen interessierte. „Da habe ich gesagt, es sei eine harmudistanische Tracht. Sie hat es ernst genommen und mich über das Land ausgefragt“, erklärt sie. Da es kurz nach dem Ende der Sowjetunion noch viele der kleinen Länder im ehemaligen Ostblock im Westen unbekannt waren, siedelte Hermoine Harmudistan kurzhand dort an. Es handele sich um ein sehr altmodisches Land ohne Flughafen, wusste sie zu berichten. Es gäbe aber eine Eisenbahn und Autos, allerdings nur Oldtimer. Die Hauptstadt hieße Tijonidote und liege Fluß Slarge. Darüber hinaus verfügt Harmudistan über eine interessante Fauna und ist unter anderem Heimat des Riesenroteichhorns, die genau so aussehen wie unsere heimischen Eichhörnchen, nur dass sie menschengroß seien. Ihre Gesprächspartnerin glaube ihr jedes Wort und hörte interessiert zu. Googlen konnte sie es ja noch nicht.

Ab da verbreitete Hermoine die Geschichte von Harmundistan immer öfter. Es wurde sogar ihr Herkunftsland und bekam mit Harmudistanisch seine eigene Sprache, in welcher Hermoine auch Gedichte vortrug. Dabei war sie so überzeugend, dass sie dafür gelobt wurde, wie gut sie denn auch Deutsch beherrsche.

 

Hermoine Zittlau bei einem Auftritt in Frankfurt am Main (Foto: Archiv der Tödlichen Doris)

Sie sei schon immer schon immer sehr phantasiebegabt gewesen, führt Hermoine aus. Ihre Oma hätte sie einerseits verwöhnt, ihr aber auch immer düstere Geschichten erzählt. Die eigene Sprache, in der sie auch singe, könne sie sich nicht erklären. „Ich weiß auch nicht, wo das herkommt.“ Sagt sie schulterzuckend. Das hält sie aber nicht davon ab sie bis heute lebendig zu halten. Erst im vergangenen Jahr erschien mit „Aasgefüge – zeitversehrt“ im Hybridenverlag ein kleiner Prosa-Band mit angehängtem Wörterbuch auf Harmudistanisch; dieser enthält unter anderem eine harmudistanische Übersetzung von Edgar Allen Poes „Der Rabe.“

Nachdem Hermoine Zittlau in den 1990er Jahren noch an der Seite von Mark Brandenburg und Gunter Trube die strenge Königin für den englischen Sender Channel 4 in „The Fall of a Queen or the Taste of the Fruit to Come“ gegeben hatte und einzelne Gesangsauftritte im Umfeld der Post-Tödlichen Doris an der Volksbühne beisteuerte, wurde es langsam immer ruhiger um sie, 2004 erschienen als letztes künstlerische Lebenszeichen für fast zwanzig Jahre einige Songs von ihr.

Hermoine Zittlau als Königin in The Fall of a Queen 1993 (Screenshot)

Die letzten Jahre waren nicht immer leicht für Hermoine Zittlau. Noch bis Anfang 60 wohnte sie bei ihrer (mittlerweile verstorbenen) Mutter in Berlin-Lichtenrade, zu der sie zeitlebens ein wechselhaftes Verhältnis hatte. Zum Zeitpunkt unseres Treffens wohnt sie gerade in einem sogenannten „Krisenhaus“, einem betreuten Wohnen für Menschen, deren psychische Gesundheit nicht die Beste ist. Dennoch ist die Bezeichnung „Krisenhaus“ irreführend, denn mit dem Einzug dort ist die Krise eigentlich schon fast überstanden. Hermoine Zittlau ist längst auf dem Weg der Besserung. Sie erzählt, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Selbsteinlieferung aufgrund einer schweren Depression nicht mehr sprechen konnte – und merkt nüchtern an, dass wir damals kein Interview hätten machen können.
Jetzt aber geht es wieder bergauf. Und so wundert sie sich bei unserem Treffen über einen jungen Mann, der neu im Krisenhaus ist und sich zunächst schockiert gibt: „Ich finde das Krisenhaus überhaupt nicht schockierend, ich finde es sehr angenehm. Ist doch toll, man kriegt das Frühstück hingestellt!“ 
Mittlerweile geht sie in die Gesangstherapie und kann sich dort ausleben. Inzwischen hat sie sogar Autogrammkarten, die in ihrer neuen Wohnstätte Absatz finden. Und eine der Sozialarbeiterin erkannte sie sogar und erinnerte sich an ihre Auftritte aus den Achtzigern.

Hermoine Zittlau 2021 in Berlin (Wolfgang Müller)

Ihre Kunst ist ihre Therapie, auch wenn es manchmal schwerfällt, etwa bei Plattenaufnahmen: „Ich habe mich wirklich gezwungen, in das Tonstudio zu gehen und diese Oper noch einmal einzusingen. Aber ich wollte unbedingt auch aus diesem Krankenhaus mal raus.“ Auch der Arzt bestärkte sie darin, wieder kreativ zu werden.

Plattenaufnahmen, Gedichtbände, sogar Autogrammkarten. Auch die Oper der Tödlichen Doris mit ihrem Auftritt wird bald im Berliner Hybriden-Verlag wiederveröffentlicht. Alles in allem ein kleines Comeback nach fast 20 Jahren. Möchte sie etwa ein Star werden, frage ich sie? „Ach weiß ich nicht, der Begriff ist ja auch so negativ belegt. Wenn mich das behindert, die Sachen zu machen, die ich machen will, lieber nicht.“

Vielleicht ist sie auch zu sperrig, wie sie selber erkennt. Sie entspricht nicht den Erwartungen, in eine künstlerische Schublade zu passen, wie sie selber weiß. Auch dies zieht sich durch ihre Biographie. Für die schrille Teufelsberg-Szene ist sie zu depressiv, für die Punkszene zu schick und elaboriert, für die kommerzielle Kunstszene zu unproduktiv. Lieber Kunst für sich und ein paar Freunde machen, und als Therapie, wenn nötig. Aber nicht als selbstmitleidige Herzschmerz-Künstlerin, die ihr Leid kapitalisiert, sondern immer auch mit einer gewissen Selbstironie. Passnederweise trägt sie uns frei zum Abschluss noch ein kleines Gedicht vor, welches sie auch gern mal mit einer Big Band einsingen würde, wie sie uns verrät:

„Eine kleine Depression“
„Haben wir am Nachmittage schon

und am Abend als Koral

Folgt der schöne Weltzerfall

Und die Spatzen sitzen trüb

Im Geäst, was noch verblieb

Wolken hängen tief und schwer

Mein Gewissen quält sich sehr

Mit Genuss und endlos lang

Oh, wie ist mir köstlich bang

Mein Geschmeide drückt mich auch

Glänzen heißt der schöne brauch

Stoffgewänder schleppen sich

Traurig um das meine ich

Füße sind mir tonnenblei

Meine Spur weht dumpf vorbei

Von der kleinen Depression

heb ich mir ein Stück für morgen schon

In der Speisekammer auf

So nimmt alles seinen Lauf

Eine kleine Depression 

Haben wir am Nachmittage schon

und am Abend als Koral

Folgt der schöne Weltzerfall“

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