Danielle De Picciotto & friends in conversation: Katja Ruge

Katja Ruge: “Ich suche nichts, ich mache”

Katja Ruge


Katja Ruge ist seit Anfang der 1990er Jahre in der Elektronik Szene eine bekannte Figur. Für mich ist sie die deutsche Annie Leibovitz. Ihre Fotografien sind wie feine Hammerschläge, immer auf dem Punkt, klar, leuchtend, unvergesslich; meine erste Foto Session mit ihr war so präzise und doch entspannt, dass ich überrascht war ,wie schnell die Zeit verflog.

Es gibt kaum eine:n Musiker:in, Sänger:in oder Band der letzten dreißig Jahre, die nicht von Katja abgebildet worden ist, viele Ihrer Aufnahmen sind inzwischen legendär. Ihr eigener Rockstar-Status kommt vielleicht daher, dass sie außerdem Musik macht und Veranstalterin ist, aber ich denke es liegt vor allem an Ihrem Charakter. Bevor ich sie kennenlernte, war sie mir schon von mehreren sehr unterschiedlichen Künstler:innen als besondere Persönlichkeit empfohlen worden. Ihr Talent, Instinkt, Gradlinigkeit und Energie wurden hochgelobt, aber auch Ihre Loyalität und Herzenswärme. Diese Eigenschaften sind spürbar während Ihrer Fotosessions und ein ungewöhnliches Gefühl der Geborgenheit und Vertrauen kommen auf. Ich zumindest fühle mich meist unwohl beim abgelichtet werden, hatte aber großen Spaß mit Ihr.

Heutzutage sprechen viele Künstler besorgt über KI, fürchten, dass sie von Maschinen ersetzt werden. Katja ist ein lebendiger Beweis dafür, dass der Charakter eines Menschen auch in seinen Arbeiten zu sehen ist und das Resultat dadurch beeinflusst wird. Dieses Leuchten kann nicht ersetzt werden.

Ich freue mich sehr hier heute mit Katja ein paar Themen ansprechen zu können.

Danielle De Picciotto: Katja, was suchst du in der Fotografie? Was möchtest du ausdrücken?

Katja Ruge: Ich suche nichts, ich mache. Wenn ich portraitiere, suche ich immer die Verbindung, das Verbünden. Es geht darum, gemeinsam Spaß zu haben, sich austauschen, ich möchte es den Menschen leicht machen, fotografiert zu werden.
Alfred Eisenstaedt sagt es so schön: “It is more important to click with people than to click the shutter.”
Über das „Ausdrücken“ denke ich nicht nach, es passiert durch das oben beschriebene.

Wie hast du angefangen zu Fotografieren?

Ganz genau kann ich es leider nicht sagen, aber mein Papa hat mich damals bei einem Freund im Fotolabor in Hamburg untergebracht, weil ich ein bisschen verloren war und nicht so richtig wusste, was ich machen wollte. Die Grafikschule, die ich damals vorher besucht hatte, war es nicht so wirklich, aber die Arbeit im Labor habe ich geliebt, weil es mir ein tieferes Verständnis für Fotografie nah brachte, noch bevor ich richtig angefangen habe zu fotografieren. Fotografieren war Teil der Schule, die zur Ausbildung gehörte und damit ging es los. Meine ersten Bilder habe ich direkt vor der Haustür gemacht, es waren Betonteile für die Kanalisation die aufeinandergestapelt waren.
Seit ich 17 war ging ich viel in Hamburg aus und dadurch habe ich meine ersten Kontakte gemacht, die später für mich sehr wegweisend waren. Durch eine Freundin im Nachtleben fing ich an regelmäßig für ein Magazin zu arbeiten; mein damaliger Chef in einer Fotoagentur hatte meine Liebe zur Musik erkannt und mich mit Kamera zu Konzerten geschickt. Von da an habe ich ohne Ende Konzerte fotografiert. Dieses in die Bewegung und Musik eintauchen war der ultimative Thrill für mich. Und natürlich fand ich es auch total cool vorne zu stehen und direkt dabei zu sein. Für mich ist das bis heute immer noch ultimativ, nur dann erlebe ich Konzerte, wenn ich auf die Hände schauen kann. Dieser ganze Zirkus der großen Konzerte hat auch was, aber da findet irgendwie gerade etwas statt, was ich nicht mag, es wirkt oft entmenschlicht. Björk kann so etwas, ein paar andere auch, aber oft ist es wie in der Autoindustrie, wer ist schneller, lauter, bunter, größer. Ich mag` in der Musik die leisen Töne. Oder die Stille vor der Explosion.

Miss Kittin (Photo: Katja Ruge)

Du hast lange für die Groove gearbeitet.
Was hat dich an der Groove interessiert?

Ich liebe es Menschen zu treffen, die Musik machen oder auflegen, ich fühle meist sofort eine direkte Verbindung. Musik ist magisch und Bilder damit zu verbinden ist meine Sucht. Das fing an für das Goth Magazin Zillo, dann folgten Frontpage, Flyer und dann eigentlich auch die Groove fast zeitgleich mit der Intro und noch einmal später Missy Magazin. Und das sind jetzt nur die Musik Magazine. Magazinkultur ist ja inzwischen fast ausgestorben, wenn ich am Flughafen stehe und mir Magazine angucke, ist mir fast immer ein bisschen wehmütig zumute, weil es so schön ist die eigenen Bilder gedruckt zu sehen und viele Magazine ja gar keine Aufträge mehr vergeben, sondern Stock Material nutzen. Die Hefte sind dünn und voller Werbung und es fühlt sich nicht mehr so wertig an. Ich hatte das fast jede Woche irgendwo ein Bild veröffentlicht über all die Jahre und es macht einfach glücklich. Die Magazine haben meine fotografische Handschrift mitgeprägt. Die meist schnelle kurzen Termine irgendwo in Hotels, Konzert Orte sind für mich der ultimatische Rausch. Auch heute noch. Ich liebe kurz und knackig.

Was waren deine spannendsten Projekte?

Jedes Projekt, das ich mache, ist für mich spannend, sonst würde ich es nicht tun.
Aber sie haben Ihre Zeit, dann ist es abgeschlossen und weiter geht es.

Das Projek,t was mich am meisten berührt hat, war bis dato ist meine „Ladyflash“ Ausstellung in 16/17 in Hamburg.:100 Musikerinnen Portraits in einem Raum auszustellen, die ich fotografiert habe, war überwältigend. Mit jeder Musikerin entsteht eine Geschichte während des Fotografierens und diese alle wieder hervor zu holen war intensiv. Zudem war die Ausstellung meiner Ma gewidmet, die zu der Zeit schon schwer an Alzheimer erkrankt war und ich bin immer noch so froh, dass ich ihr diese Ausstellung zeigen konnte und sie begriffen, hat als ich Ihr sagte, ohne Dich hätte ich das alles nicht gemacht. Das war ganz wichtig für mich. Zudem hat diese Ausstellung mir gezeigt, wie wichtig es ist Frauen andere Frauen zu zeigen, die etwas bewegen und selbst als Künstlerin ansprechbar zu sein für jüngere Generationen.

Gerade jetzt stelle ich mit Sheila Rock, Janette Beckman, Ilse Ruppert und Roberta Bayley in Hamburg aus, was für mich fast unglaublich erscheint da die vier in der Musikfotografie echt Heroines für mich sind. Andere Zeit, alles 70s/80s, aber ich knüpfe mit meinen Arbeiten aus den 90s/2000s an. DJ Koze, Helena Hauff, Phono aus Hamburg knüpfen wunderbar an die Beastie Boys, Marc Almond oder Peaches an.

Curses (Photo: Katja Ruge)

Was denkst du über KI? Werden Fotograf:innen dadurch ersetzt werden?

Kann ich noch gar nicht viel zu sagen, weil ich mich damit noch nicht ehrlich und intensiv beschäftigt habe. Noch keine Zeit gehabt, da im echten Leben so viel passiert. Da mich eher Menschen in Ihrem Ausdruck interessieren kann es gut sein, dass ich damit gar nichts anfangen kann im Gegensatz zum Beispielzu meiner großartigen Kollegin Sevda Albers, Modefotografin, die gerade komplett eigene Mode Kollektionen entwickelt und Bilderwelten erzeugt, was genial ist. Aber sie kennzeichnet es konkret und erläutert sehr genau, was sie dort macht. Dann ist es wieder echt und das gefällt mir. Und es macht mich neugierig.
Die Fotografie ist immer im Wandel durch die voranschreitende Technik, durch das was in der Welt passiert und Menschen, die all das Filtern und wieder zu Bildern machen. Für einige Sparten in der Fotografie kann ich mir das gut vorstellen, in meiner Arbeit weniger. Aber vielleicht werde ich nächste Woche auch eines Besseren belehrt und denke um.

Bearbeitest du deine Fotografien, beispielsweise mit Photoshop ?
Oder bist du der Meinung ein Foto sollte durch die reine Fotokunst entstehen?

Bilder, die ich gemacht habe, inspirieren mich auch weiter am Rechner. Dort entsteht dann durch ein Crop oder die Intensivierung von Farbe, eines Musters und natürlich in meiner Arbeit besonders das Portrait das Bild wie Ihr es dann später seht.
Wenn man digital fotografiert, hat man genauso erst einmal ein Negativ (Raw) und damit muss etwas passieren. Jeder Fotograf:in, die digital fotografiert manipuliert ihr Bild. Aber hier gibt es große Unterschiede, insbesondere bei den Themen, die Du fotografierst.

In der Architektur möchte ich vielleicht gerade Linien, bin aber beim Fotografieren aufgrund der Umstände vor Ort nicht so herangekommen, wie ich es mir gewünscht habe, dann wird begradigt. Ich zum Beispiel habe oft störende kleine Dinge, die nicht in den Bildaufbau passen oder im Bild einfach nichts erzählen. So etwas wird weg retuschiert.

Zudem mache ich Gesichtsretusche. Wenn ich ein Portrait mache und die Person sagt zu mir, puh, ich sehe heute echt abgerockt aus, oder ich fühle mich mit den tiefen Falten dort nicht wohl, dann werden sie abgemildert. Es geht mir immer um das Wohlbefinden meiner portraitierten Menschen. Die Bilder werden an Booker:innen usw. verschickt und da möchte keiner mit tiefen Augenringen, Hautunreinheiten und ähnliches zu sehen sein. Warum auch. Um authentisch auszusehen? In dem Moment, wo man fotografiert wird, ist man ja schon gefiltert durch mich als Fotografin. Wenn man Reportagen fotografiert oder Portraits, wo genau solche Features die Geschichte erzählen, dann ist das etwas anderes. In meiner Arbeit gilt aber immer das es ganz genau abgesprochen wird mit der Person vor der Kamera. Oder dem Management.

Lena Willikens (Foto: Katja Ruge)

Welche Fotograf:innen findest Du heute am interessantesten?

Ich bin Fangirl von Elizaveta Porodina (das liegt aber auch ein bisschen daran, dass ich einmal die süßeste Nachricht von ihr bekommen habe, weil sie mal auf einer Party von mir versackt ist; und seitdem verfolge ich Ihre Kunst); Alexandra Polina aus Hamburg sowie im Perspektive Photographers Kollektiv (wo ich Mitglied bin) sind auch ganz viele Lieblingsfotograf:innen.

Woran arbeitest du momentan?

„Electric Lights-Women in Electronic Music“ nimmt gerade viel Zeit ein.
Das Schönste ist, das das Projekt nun live geht, es wird am 11. Oktober 2023 im Planetarium in Hamburg die erste Electric Lights DJ Sets Nacht geben. Dort lade ich nun in Folge einige der fotografierten Musiker:innen ein.
In der ersten Runde natürlich mit Helena Hauff! Darauf freue ich mich schon sehr. Es sind über zehn Jahre vergangen, seitdem wir uns kennen, gelernt haben im Golden Pudel Club und das wir das nun zusammen machen, freut mich total.

Sonst stehen noch weitere Projekte an, eines davon passiert noch dieses Jahr, darüber kann ich aber noch nicht sprechen!
Musikalisch stehen zwei Releases diesen Herbst an, ein Remix für Cada Un, eine Post Punk Band aus Kiel und ein eigener Track auf einer Kompilation!

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Jeden Moment, in dem ich lebe und fotografiere zu genießen, das Gleiche gilt für alle anderen Dinge, die ich im Leben tue. Zeit mit Familie zu verbringen, weiterhin Musik machen als „Can Love Be Synth“ mit Frank Husemann im Synthesizer Studio Hamburg und aufzulegen.

Ich hatte während Corona eine Herz Ablation, man hatte einen Herzfehler bei mir entdeckt. Von dem Schock erhole ich mich tatsächlich immer noch, es war ein sehr einschneidender Moment in meinem Leben. Reset. Ich mache viele Dinge immer noch nicht so, wie ich es gerne möchte, aber achte mehr auf mich und bin dadurch nun viel näher an mir dran, was sich auch in meiner Arbeit viel besser anfühlt.

Sofia Kourtesis (Photo: Katja Ruge) 

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