Flotus Movements – Kurt Wagner & Gregor Schwellenbach, Philipp Janzen, Marvin Horch, Colorist, Twit One, Retrogott, Söhnlein Brilliant

Lambchop – A Band Under The Influence

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Das Kölner Week-End-Festival ist bekannt für seine Ambition, ganz besondere Konzertmomente zu kuratieren. In diesem Jahr konnte man Gregor Schwellenbach, Philipp Janzen, Marvin Horch, Colorist, Twit One, Retrogott und Söhnlein Brilliant für eine Bearbeitung des aktuellen Lambchop Album “Flotus” gewinnen, das sie unter dem Imprint “Flotus Movements” am kommenden Samstag in Köln gemeinsam mit Kurt Wagner aufführen werden. Kaput befragte Gregor Schwellenbach und Philipp Janzen dazu.

Gregor, Philipp, was ist eure Beziehung zur Musik von Lambchop? Verfolgt ihr das Schaffen von Kurt Wagner schon länger?
Gregor Schwellenbach: Mein iTunes verrät mir, dass ich Lambchop seit zwölf Jahren aktiv höre. Damals hab sie mal in Berlin live gesehen, und das war ein prägendes Konzert für mich: Die Band war wahnsinnig groß, zehn Musiker oder so, aber jeder machte den Eindruck als spiele sie oder er nur ein bis zwei kaum hörbare Töne pro Song. In der Summe entstand ein unglaublich warmer, intimer Sound. Die Kunst als Musiker sein Ego so zurück zu nehmen und wirklich nur zu spielen was nötig ist, habe ich selten davor oder danach in diesem Ausmaß erlebt.
Philipp Janzen: Nein, überhaupt nicht. Durch mein Interesse an den unterschiedlichsten Spielwiesen kontemporärer Popmusik, habe ich nur begrenzte Kapazitäten für einzelne Genres. Meine Schublade “Americana“ war bis dato mit anderen Bands und Künstlern ausgefüllt. Ich freue mich sehr, dass ich in dem Zusammenhang der Kollaboration eine tolle Band besser kennenlernen konnte.

Was reizte euch konkret an der Einladung von Week-End-Mitorganisator Jan Lankisch, Wagners neues Album „Flotus“ zu dekonstruieren?
Gregor Schwellenbach: Für mich ist Musik Kommunikation, und eine Begegnung mit einem anderen Musiker halte ich für eine besonders reine Form des Musikmachens: Du zeigst mir wer Du bist, ich zeig Dir wer ich bin. Wenn dann der Partner so ein hohes Niveau mitbringt, fordert mich das heraus mein bestes zu geben, das heißt mein ehrlichstes und persönlichstes. Ich verspreche mir davon, daran zu wachsen und wenn es klappt einen magischen Augenblick der offenen Dialogs zu erleben, der sich dann auch auf das Publikum übertragen kann.
Philipp Janzen: Ich kann da nur für mich sprechen, Marvin Horsch sieht das vielleicht anders. Dekonstruktion interessiert mich in diesem Zusammenhang nicht. Mir geht es vielmehr darum, mit meinen Möglichkeiten den Vibe der Platte so gut wie möglich live darzustellen. Ich hatte beim hören von Flotus nie den Eindruck, dass ich etwas verbessern könnte, beziehungsweise etwas ändern wollte. Mein Wunsch ist es, dem Original so nah wie möglich zu kommen. Kritisches Hinterfragen, um dem Album näher zu kommen, ist nicht notwendig.

Nun lebte die Musik von Lambchop schon immer von der einnehmenden, monumentalen Stimme von Wagner. Kein Objekt, an das man als Künstler leicht von Außen Hand anlegen kann. Nun zeugt aber der Umgang mit der Stimme auf „Flotus“ von einer neuen Phase in Wagners Schaffen, das gesamte Album ist geprägt von einer Hinwendung zu einer Arbeitsweise, die man eher mit elektronischen Musikern verbindet. In wie weit hat Wagners eigene Offenheit im Umgang mit seinen Songs euch das Arbeiten damit erleichtert?
Gregor Schwellenbach: Diese elektronische Assoziation entsteht durch die elektronische Modulation der Stimme, die Chops, die Vocoder, die Effekte und durch den behutsamen Einsatz von Drum Sequenzern und elektronischen Beats. Das macht den Aufbau etwas modularer. Es geht nicht wie bei einem traditionellen Singer-Songwriter-Konzept darum, der Stimme das ideale Bett zu bieten – dann wären wir Gastmusiker so etwas wie eine Sparmaßnahme, ein Ersatz für die eingespielte Band. Ein durchlaufendes elektronisches Timing hat die Eigenschaft, dass sich einzelne Spuren ausschalten und ersetzten lassen, es gibt keine Heiligkeit der Hauptstimme, sondern Spaß an den verschiedenen möglichen Kombinationen. So kann jeder von uns ein eigene Arrangements beisteuern, auf die Wagners Stimme immer mehr oder weniger passt. Seine elektronischen Stimmbearbeitungen macht er übrigens nach wie vor selbst, ich lege also nicht “von Außen Hand an die Stimme”, sondern trete mit ihr in einen Dialog.
Philipp Janzen: Dieser neue klangliche Kosmos kommt ja meiner eigenen Arbeitsweise mit Von Spar, Column oder Cologne Tape sehr viel näher, als es die älteren Platten von Lambchop getan haben. Ich fühle mich sehr wohl im Umgang mit diesen tollen organischen, oft Synthesizer orientierten Instrumental-Linien, gepaart mit Wagners eindrücklicher Stimme.

Vielleicht könnt ihr zunächst ein paar Worte zu euren MitbearbeiterInnen verlieren und danach eure Vorgehensweise transparent machen.
Gregor Schwellenbach: Mein Verhältnis zu HipHop ist wie das zu der Frau aus der Parallelklasse, in die ich schon immer verliebt bin, die ich aber noch nie angesprochen hab. Insofern kenne ich auch Twit One und Retrogott nur aus der Ferne und aus dem Internet, aber ich steh drauf. Marvin Horch hat doch mal ein Album als dropbox-downloadlink veröffentlicht. Das fand ich ziemlich lässig und contemporary. Philipp Janzen kenne ich erst so richtig persönlich seit wir zusammen in dem Pop-Masterprogramm von Hans Nieswandt in Bochum unterrichten. Ich freu mich immer ihn zu treffen, mag sein hartes Urteil, seine Streitfähigkeit über Musik und anderes, seine Unabhängigkeit und dass er jeden kennt, den es gibt. Colorist kenn ich ganz gut, hab sie auch mal geremixt und für ein Performanceprojekt gebucht, für das ich die Musik kuratiert hab. Ich schätze ihr Stilbewusstsein, ihre künstlerische Konsequenz, die dazu führt, dass jedes ihrer Projekte anders und einzigartig klingt und ausserdem ihr visuelles Auftreten. Von ihren Labelkollegen Söhnlein Brilliant kenn ich nur ein kurzes Video, das find ich ganz gut. Waren die nicht früher bei Hall+Rauch, oder zumindest einer von denen? Sympathisch. Ich freu mich drauf die kennenzulernen und live zu sehen, u.a. weil ich zugeben muss dass ich auf den Namen gar nicht klar komme und mich dringend davon ablenken möchte.
Philipp Janzen: Der Mitarbeiter ist in meinem Fall Marvin Horsch, den ich glücklicherweise dieses Jahr durch verschiedene Kollaborationen besser kennenlernen konnte. Wie wir jetzt en Detail mit dem Material Lamchops umgehen werden, um unser oben formuliertes Ziel zu erreichen, zeigt sich erst in dieser Woche. Wir sind vielbeschäftigte Menschen, die sich gekonnt ihre Zeit einteilen. Monatelange Vorbereitungen haben wir nicht nötig.
Die kommende Woche wird dann aber voll und ganz im Zeichen Lambchops stehen. Das Resultat wird auf dem Festival zu hören und  sehen sein, beziehungsweise transparent gemacht. Nicht vorher.
Gregor Schwellenbach: Zur Vorgehensweise: Ich bin immer erst mal ein ordentlicher Junge und lerne die Originalsongs so gut es geht kennen, schreibe sie auf, analysiere, lerne auswendig und spiele sie nach. Wenn ich eine Meinung habe was an dem Song des Wesentliche ist, überlege ich mir meine eigene Art diese “Geschichte zu erzählen”. Dazu sitze ich im Studio und jamme mit mir selbst an verschiedenen Instrumenten zu Ableton Playbacks. Ich dachte zuerst drüber nach, mit Streichtrio, Kinderchor oder einem historischen Harmonium aufzutauchen, aber ich glaube damit würde ich mich in den Vordergrund drängen und gleichzeitig hinter Effekten verstecken. Kurt Wagner ist so ziemlich der unprätenziöseste Musiker den es gibt, also komme ich jetzt mit einem Fender Rhodes, einem Casiokeyboard und einem einfachen Halbplayback.

Gab es denn in diesem Prozess bereits (und wenn ja wie) eine Involvierung Wagners selbst?
Gregor Schwellenbach: Wir schreiben uns, haben alle Demos unserer Versionen aufgenommen und Kurt geschickt, der sie kommentiert hat. Er freut sich auf möglichst diverse und individuelle Versionen seiner Stücke, deshalb lässt er uns inhaltlich maximale Freiheit und sieht nur zu, dass es technisch möglich sein wird zusammen zu spielen. Das macht die Zusammenarbeit ziemlich entspannt.

Denkt man bei der konkreten Arbeit mit den Songs denn auch ab und an über Aspekt des kulturellen Transfers nach, immerhin wird hier Musik, die in Tennessee entstanden ist, plötzlich in Köln neu gedacht. Ich musste, als ich erstmalig von dem Projekt gehört habe, sofort an FSK und ihre Idee von Arbeiten in den USA denken.
Gregor Schwellenbach: Wenn man mit Amerikanern zusammenspielt wird einem noch mal bewusster als ohnehin, wie wenig man versuchen sollte andere Kulturen wie Country, Blues oder HipHop zu imitieren, ohne dass man deren tatsächlichen Einfluss zu unterdrücken braucht. Ich glaube Kurt wird am meisten damit anfangen können, wenn ich nicht versuche eine gute Kopie seiner alten Studiohasen aus Nashville zu sein, sondern wenn ich ihm als der der ich bin gegenübertrete. Das wäre dann ein 1A kultureller Austausch, von dem beide Seiten etwas mitnehmen. Und es befreit auch von dem Druck “gut” im Sinne von “virtuos” zu sein.
Philipp Janzen: Wie bereits oben erwähnt: Es handelt sich ja in dem Fall von “Flotts” um eine eher ungewöhnliche Platte Lambchops. Neben dem Spirit Tennessees, höre ich hier auch den Verve der Synthesizer orientierten Musiken der 70er Jahre. Hieran kann man als Wahl-Rheinländer natürlich easy andocken.

Inwieweit steht die größte Herausforderung denn noch bevor, da ihr ja das Studiomaterial nun auf die Bühne bringen müsst?
Gregor Schwellenbach: Klar, der eigentlich interessante Moment kommt noch, wenn ich versuche alle Vorbereitung zu vergessen und mich mit Kurt Wagner auf die Bühne stelle. Darum produziere ich auch nur das nötigste vor. Wenn ich mit perfekten Playbackspuren anreisen würde, gäbe es nicht viel zu erleben.

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