“Wer mag es nicht, wenn sehr viele Mädchen schreien?”
Manchmal, ja manchmal will das mit der Chemie zwischen Interviewten und Interviewer so gar nicht funktionieren. Dieses Kaput Interview von Thomas Venker aus der Schublade „historische Artefakte“ ist ein Paradebeispiel eines solchen an Zähheit nicht zu übertreffenden Falls. Stattgefunden hat es im Vorfeld der geplanten Veröffentlichung von Pharrell Williams ersten Soloalbums „In My Mind“ im Herbst 2005. Das Album erschien letztlich nie in der an diesem Tag gehörten Version und läutete aufgrund des (für Pharrel Williams) nur mäßigen Erfolges eine Phase der Popstarabsenz von ihm ein. Das kann man sich heute freilich kaum mehr vorstellen angesichts seiner Nummer-1-Triologie „Happy“, „Get Lucky“ und „Blurred Lines“.
Pharrell Williams, unser Gespräch sollte ja zunächst in einer fahrenden Limousine stattfinden. Diese Idee wurde aber kurzfristig verworfen. Musstest du an deinen Präsident denken, der die Bürger Amerikas zum Benzinsparen aufgerufen hat?
Ist es das, was er gesagt hat? Wir sollen Benzin sparen? Nein, ich bin etwas erkältet, da passt es so besser.
Hört man sich durch deinen Katalog, so fällt deine große stilistische Vielfalt auf. Bist du jemand, der es nicht mag, wenn die Dinge zu bequem werden.
Ja, man kann doch so viel mit seinem Leben anfangen. Du musst nicht immer wieder das gleiche machen. Man möchte nie irgendwo eingeschlossen werden.
Über Musikjournalisten sagt man ja gerne, dass sie alle verkappte Buchautoren seien. Das gleiche Vorurteil gibt es über Musikproduzenten. Wolltest du schon immer ein Popstar werden?
Nein, nein, ich denke nicht, dass man das so sagen kann. Ich bin einfach eines Morgens aufgewacht und habe bemerkt, dass ich zwischen den Sessions mit anderen Leuten vier Songs aufgenommen hatte. Da wurde mir klar, dass ich an einem eigenen Album sitze.
Und wie haben die Stars darauf reagiert, als du dich nicht mehr mit der klassischen Rolle des Produzenten zufrieden gegeben hast und plötzlich in den Songs und Videoclips Gastauftritte wolltest?
Das hat sich einfach ganz natürlich aus dem Produktionsfluss heraus ergeben.
Wie sieht das eigentlich dein The Neptunes- und N.E.R.D.-Partner Chad Hugo, der ja diesen Drang nach vorne nicht im gleichen Ausmaß zu teilen scheint?
Nein, er hat diesen Drang wirklich nicht. Weißt du, er ist verheiratet und will einfach nur ein cooles, gemütliches Leben führen.
So ein Bild hast du also von verheirateten Männern?
Seine Frau gefiel der Gedanke nicht, dass er da draußen als der wilde Kerl rumhüpft. Aber das war auch nicht schlimm für ihn, da er es eh nicht wollte. Er will einfach nur ein guter Ehemann und Vater sein. Ich kann das gut verstehen.
Du warst lange dafür bekannt, dir bei Auftritten das T-Shirt auszuziehen – was in der Regel mit einem hohen Kreischfaktor verbunden war.
Das ist vorbei. Das machen heutzutage einfach zu viele Künstler. Du brauchst nur den Fernseher anzumachen und siehst so was. Ich will kein Teil davon sein.
Aber du mochtest das Gefühl?
Wer mag es nicht, wenn sehr viele Mädchen schreien.?
Im Gegensatz zu Künstlern wie deinem Freund Snoop Doggy Dog, der sich für seine Sexismen oft zu Recht Kritik anhören muss, wird bei dir das stete Spiel mit den Klischees eher als Lausbubennummer gelesen. Wie erklärst du dir das?
Ich glaube nicht, dass ich das Spiel übertreibe. Ich bin nicht Teufel genug, um stigmatisiert zu werden.
Du giltst als Workaholic – und die unendliche Anzahl an Produktionen, Remixen und eigenen Tracks lässt kein anderes Urteil zu, zumal du ja auch mit A Bathing Ape eine Mode- und Schuhlinie betreibst. Warum diese extrem hohe Taktzahl? Ist das wie bei jedem Selbstständigen die Angst vorm Morgen ohne Nachfrage?
Ich denke nicht in solchen Kategorien. Ich denke nur daran, wie ich gute Musik machen kann.
Siehst du dich generell als emotionalen Typ, der Entscheidungen gefühlsmäßig fällt und nicht rational abwägend agiert?
Oh, shit (er stellt fest, dass ihm irgendeine Creme in der Hose aufgegangen ist und das Handy ziemlich gut eincremt hat). Manchmal kalkuliere ich die Dinge auch, aber meistens nicht.
Wie sieht es eigentlich mit der eigenen Zufriedenheit mit dem Backkatalog aus? Magst du alles – oder fallen dann doch einige Stücke durch, weil es damals zu viel zu tun gab?
Chad und ich haben auf jeden Fall diesen retrospektiven Blick auf unsere Arbeit und führe den Diskurs darüber, was gut gemacht wurde, was wir besser anders hätten machen sollen oder was auch gar nicht. Ich bereue nichts. Ich hatte immer viel Spaß und wir haben mit sehr unterschiedlichen Songs immer sehr viele Leute berührt.
Und dass ihr mal was so richtig verbockt habt, siehst du das? Du brauchst keine konkreten Songs zu nennen.
Es gibt schon Titel, die ich besser nicht gemacht hätte.
Nimmst du eigentliche alle Künstler ernst, für die du gearbeitet hast?
Ich betrachte mein Leben nicht so. Und auch nicht meine Arbeit. Ich versuche nur eine gute Zeit zu haben und eine normale Person zu bleiben.
Von den DFA-Produzenten ist überliefert, wie sie mit Britney Spears im Studio waren und recht schnell feststellen mussten, dass das nicht zusammenging.
Du musst machen, was du machen musst. Im Namen der Kunst. Es geht darum, good shit zu produzieren.
Aber nicht alles ist Kunst. Bei manchen Platten weißt auch du, dass ihre Halbwertszeit gering ist. Sind manche einfach nur Geldjobs?
Nein. Ich will nur gute Musik machen.
War das immer so?
Nein. Am Anfang natürlich nicht.
Hast du eigentlich noch Kontakt zu deinen Jugendfreunden?
Ja, ich schau ab und an bei ihnen vorbei.
Und könnt ihr mit dem Leben des jeweilig anderen etwas anfangen?
Wohl nicht. Dazu ist bei mir einfach zuviel los. Sie sehen nur den Glamour und nicht die harte Arbeit dahinter.
Magst du es eigentlich, über deine Musik zu sprechen.
Ich überlasse das Analysieren lieber den Zuhörern.
Was hat es mit deinem Stück „Young Girl / I Really Like You“ auf sich, das du gemeinsam mit Jay-Z aufgenommen hast? Du bittest darin ja deine Mama um Verständnis, das klingt nach einem sehr persönlichen Hintergrund.
Die meisten Typen daten jüngere Mädchen. Aber sie sprechen nie über die Nuancen der Beziehungen.
Und wie sind diese?
Letztlich genau so wie in jeder anderen Beziehung auch. Es ist nur so, dass durch den Altersunterschied Probleme aufkommen können, denen man sich stellen muss.
Basiert das auf eigenen Erfahrungen.
Ja, aber meine Freundinnen waren maximal nur sieben, acht Jahre jünger als ich.
Gibt es viel Kritik für den Song?
Ich weiß nicht. Ich beachte ehrlich gesagt die Presse nicht wirklich, ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren.
Wenn du dir einen Interviewpartner aussuchen könntest, auf wen würde deine Wahl fallen?
Tim Burton oder Steven Spielberg. Ich mag ihre Arbeit.
Beides Leute, die ihre eigene Vision, so unterschiedlich sie ist, konsequent verfolgt haben – und es damit ganz nach oben geschafft haben. Wie sieht es eigentlich bei dir aus, ist es dir wichtig es nach ganz oben zu schaffen?
Ich wusste natürlich nicht, wo ich enden würde, aber ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich einen kick daraus ziehen würde, für eine kleine Szene zu produzieren. Ich will möglichst viele Leute erreichen.