Danielle de Picciotto & Friends in Conversation

Rebecca Spilker“In meinem Kopf rappelt ständig etwas herum. Gedanken, Bilder, Ideen. Total anstrengend!“

Rebecca Spilker (Foto Brigitta Jahn)

Rebecca Spliker ist einer der coolsten Frauen, die ich kenne. Als wir uns bei einer Veranstaltung vor beinah zwei Dekaden kennenlernten, funkte es sofort so sehr, dass wir uns seitdem in einem andauernden, ununterbrochenen Austausch befinden. Alles, was sie sagt und schreibt, spricht mir aus der Seele und so etwas gibt es heutzutage wirklich selten. Es ist unglaublich befreiend, eine Frau zu erleben, die sich nicht nach den fürchterlichen Anstandsregeln hält, die seit Jahrhunderten dem weiblichen Geschlecht weltweit aufgezwungen werden. Die laut über schamvolles Zurückschrecken, unterwürfigem Ja sagen und diplomatischem „Männer-Anhimmeln“ lacht. Die nicht ein ewiges Girlie bleiben möchte, richtige Frauen in unserer Gesellschaft vermisst und es mit jedem, aber auch wirklich Jeden, aufnimmt, der ihrer Meinung nach Quatsch redet. Dabei ist sie weder besonders lautstark, unfreundlich, oder ich-bezogen, im Gegenteil, sie kann extrem gut zuhören und artikuliert sich stets gewählt und höflich. Aber auf den Punkt und schonungslos.

Ich habe schon immer eine Schwäche für blitzgescheite Frauen gehabt. Es macht unglaublichen Spaß ihrer Auswahl an Worte und Sprache zu verfolgen, wie sie mit Sätzen jongliert, ob im persönlichen Gespräch oder in der Öffentlichkeit. Sprache so zu beherrschen, dass jedes Wort sitzt, Witz mit Ernst verbunden wird und der Gedankenfluß niemals vorhersehbar ist, wirkt wie ein Rausch und wenn es von einer Frau kommt, bin ich auf ewig Fan.

Auch, die Tatsache, dass sie seit Dekaden in Hamburg lebt und ich in Berlin, ist eine weitere Freude, denn die Unterschiede dieser zwei Städte und dessen Einwohner habe ich immer sehr gemocht. Hamburgerinnen merkt man an, dass sie am Wasser wohnen, sie kommen mir immer frischer und wacher vor als Berlinerinnen. Irgendwie auch gesünder und flapsiger als die verruchten, verschlafenen und exzentrischen Hauptstädterinnen. Wobei natürlich all die interessanten Frauen beider Städte sehr individuell sind!

Es verbindet mich mit Rebecca außerdem eine weitere Begebenheit, die uns auf eine besondere Art zusammenschmiedet, und zwar sind wir beide mit sehr bekannten, sehr charismatischen Musikern verheiratet. Was das bedeutet, können eigentlich nur Frauen verstehen, die eine ähnlichen Situation erlebt haben. Ich kenne davon einige und auch darin sticht Rebecca in ihrer klaren Herangehensweise hervor. Es ist ein Thema, über das wir beide Enzyklopädien schreiben könnten, da es hier aber eigentlich um etwas anderes geht, beschreibe ich es nur kurz: die Tatsache, dass die Ehefrau solcher Männern zu 98% von der männlichen Welt als Anhängsel und von der Weiblichen Welt als ärgerliches Hindernis behandelt werden, hört sich eventual zunächst wie übliche Diskriminierung und Stutenbissigkeit an. Wie weit diese Diskriminierung bei Groupies, Fans und im Musikgeschäft gehen kann, lernte ich sehr schnell vor 24 Jahren kennen und mit dessen Härte kämpfe ich bis heute. Rebecca ist dagegen bodenständiger und weniger aus der Ruhe zu bringen. Ihr Hanseatischer Pragmatismus und himmlisch ironischer Humor, der bei diesem Thema wie Medizin wirkt, haben mir oft, mehr als alles andere, geholfen. Da sie keine Musikerin ist, konnte sie sich eventuell mehr abgrenzen als ich, wobei Diskriminierung meistens grenzüberschreitend agiert.

Um so mehr freut es mich nun, dass nach Ihrer langjährigen journalistischen Tätigkeit, sie nun endlich ihr erstes Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel „Mega!“ und erscheint im Ventil Verlag. Ich freue mich sehr drauf und nutze die Gelegenheit auch aus, indem ich ihr hier mal alle Fragen stelle, über die wir noch nicht oder nur peripher bisher gequatscht haben. Ich denke mal, Ihre Antworten werden nicht nur mich begeistern.

Danielle de Picciotto: Herzlichen Glückwunsch zu deinem Buch Rebecca. Ich verfolge deine Artikel in den unterschiedlichen Magazinen, auf Facebook und deinen Podcast und liebe deinen Stil.  Wie hast du die Texte für „Mega!“ ausgesucht ?

Rebecca Spilker: Naja, erstmal habe ich den ganzen Haufen an Texten, den ich so über die Jahre aufgeschüttet habe, von außen angeguckt und mich gewundert. Es war doch ganz schön viel und offensichtlich thematisch, ich will es vorsichtig ausdrücken, vielfältig. Die Hälfte habe ich entweder gleich weggeschmissen oder ohnehin doof gefunden und was übrig blieb, wurde durchgelesen. Ein quälender Prozess. Man findet ab einem gewissen Zeitpunkt alles bekloppt und wenn man, wie ich, tendenziell am Impostor-Syndrom leidet, sowieso. Letztlich habe ich dann doch eine bunte Auswahl getroffen und alles zum Verlag geschickt. Wir haben uns entschieden, keine thematische Sortierung vorzunehmen, sondern im Grunde den ganzen Sack ausgekippt und alles locker verstreut in eine abwechslungsreiche Reihenfolge gebracht. Mal gucken, ob das so funktioniert, keine Ahnung. Es ist halt ein Abbild meines Schreibens, was ich logisch finde: Facebook Texte und Sachen für Zeitungen. Alles jeweils knallhart rausgehauen, hihi.

Worüber schreibst du am liebsten? Musik, Politik? oder einfach Themen die dich zum Nachdenken bringen?

Ich bin ja irgendwie eine eruptive Schreiberin. Aber eben auch eine Einsammlerin von politischen Themen, Gossip und natürlich auch Infos rund um Musiktrends. Ich mache ja viel auf Facebook (mal sehen, wie das da so weitergeht …) und da kann man sehr direkt, sehr schnell etwas raushauen und eben auch veröffentlichen. Wenn ich also morgens durch die Presse gehe oder mir im Leben da draußen etwas in die Quere kommt, das mich interessiert, verwurste ich das. Das ist meine liebste Art, zu schreiben. Ich habe da wirklich manchmal auch einen regelrechten Drang, etwas zu formulieren. Dafür lasse ich alles stehen und liegen. Deshalb ist das thematisch erstmal gar nicht so festgelegt. Es kann theoretisch alles sein, auch ein Malheur, das mir im Badezimmer passiert ist, eine Erinnerung, ein Fehlkauf oder so. Aber ich bin ein politischer Mensch. Ich habe Meinung. Und Liebe und Abscheu, wenn was toll oder doof läuft, meiner Ansicht nach. In meinem Kopf rappelt ständig etwas herum. Gedanken, Bilder, Ideen. Total anstrengend! Musikkritik ist ja ein Teil meines Broterwerbs, das mache ich gerne, es ist aber wirklich meistens ein Job, der erledigt werden muss und darum nicht nur Fun.
Oft schreibe ich auch über totale Nichtigkeiten, die ich dann sehr groß aufplustere. Das sind dann so Fingerübungen …

Ich bewundere deinen offenen und angstlosen Stil. Gerade heutzutage, wo jedes Wort zweimal umgedreht wird und Mann/Frau sehr schnell angegriffen oder ge-ghosted werden kann wegen einer falschen Formulierung, bist du eine der wenigen, die Angst los, sehr direkt, sehr hart, auch wutentbrannt, ihre Meinung kundtut.
Worum geht es Dir grundsätzlich beim Schreiben und gibt es irgendetwas, bei dem du statt ehrlich, diplomatisch sein würdest? Eventuell um andere zu schützen?

Also, ich mache mir sehr viele intensive Gedanken, bevor ich etwas Kontroverses oder Riskantes poste oder zum Beispiel  in Zeitungen veröffentliche. Ich weiß, dass das oft nicht so wirkt. Es ist bestimmt so, dass viele nicht so gut klarkommen, mit, sagen wir mal, meinem Ton oder so. Merkwürdigerweise habe ich aber noch nie so einen richtigen Shitstorm erlebt. Während Corona habe ich viel Energie in das Argumentieren FÜR Wissenschaft und Vernunft investiert (und nicht nur ich …). Da ging es dann schon mal um einzelne Personen, die Unsägliches, Menschenverachtendes von sich gaben und der Ton wurde recht rüde. Das fand ich an der Stelle aber sinnvoll, und die andere Seite war in ihrer Inkonsistenz oft übel drauf. Völlig irre. Das kam für mich sehr überraschend. Eine Frau, Corona- und Klimawandelleugnerin, die ich auch entfernt kannte, hat mir in einer privaten Message, verklausuliert, mit ihrem vermeintlichen Intimwissen über unser Liebesleben gedroht, das war aber das Krasseste bisher.

Grundsätzlich versuche ich, sowohl ehrlich als auch diplomatisch zu sein. Diplomatisch vielleicht nicht in dem geposteten Text direkt, aber in der Kommentardiskussion sehr gerne. Es sei denn, ich werde mit Bullshit beballert. Das passiert natürlich auch. Ich lasse mich allerdings auch gerne eines Besseren belehren, da Expertinnen schätze. Aber ich bin keine Type für sanftes Säuseln. In dieser Beziehung bediene ich sicher kein weibliches Stereotyp. Besonders Männer neigen dazu, das blöd zu finden und kommentieren gerne mal onkelig und belehrend. Das bounce ich dann aber mit zwei bis drei Sätzen weg. Oder ich blockiere, wenn’s nicht anders geht. Das passiert aber ganz selten.

Ja, es geht mir beim Schreiben schon darum, auf den Tisch zu hauen. Es soll einen Effekt haben, das muss ich zugeben. Aber die akute Wut lasse ich nicht raus. Bevor ich mich aus dem Fenster lehne und in die Tasten haue, recherchiere ich schon sehr genau. Das ist oft sehr zeitaufwendig. Das pointierte Formulieren übrigens auch. Das hüpft einen nicht einfach so an, sondern macht schon auch Arbeit. Wo ich wirklich diplomatisch sein möchte, oder mich gar nicht erst äußere, obwohl die Tinte im Füller kocht, ist der Bereich vermutete psychische Erkrankungen oder die Befürchtung, die angegriffene Person kann sich vielleicht gar nicht verbal wehren. Da bin ich vorsichtig. Ich arbeite auch viel mit Humor. Da verstehen manche gar nicht, was das soll, die sind dann eh raus. Der Rest amüsiert sich zusammen mit mir, glaube ich.

Wie stehst du zu Zynismus, Sarkasmus und Ironie? Viele woke Themen sind extrem humorlos geworden. Fehlt dir das oder denkst du, dass die Umwälzung von
Sprache, Begriffe, Rassismus und Diskriminierung so wichtig sind, dass man zunächst auf Witze verzichten kann? Oder sind sie erst recht wichtig?

Tja, wie gesagt, Humor ….er sollte möglichst nicht allzu zynisch oder sarkastisch daherkommen. Aber manchmal trifft man dann doch den Ton nicht so genau oder man ist so hassig drauf bei bestimmten Themen, dass man schon aggressiv angreift. Also ich zumindest. Wenn es, du sprachst es in deiner Frage ja an, um Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Rechtsextremismus etc. geht, kenne ich, räusper, kein Pardon. Denn dieses Pardon haben gerade auch Frauen oder Minderheiten in der Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg als Handbremse in Körper und Geist hineininstalliert bekommen. Das verhindert Klarheit, Lautstärke und Kraft im Meinungszirkus. Und das hat auch in der Vergangenheit oft das rigorose Eintreten für die eigenen Rechte massiv verhindert. Humor ist sowohl Waffe als auch Transportmittel für Thesen und Themen, wenn es darum geht, sich Gehör zu verschaffen, finde ich. Darauf können wir nicht verzichten. Richtig eingesetzt kann er in der größten Hölle Entlastung schaffen. Das hat großen Wert.

Was sind deine Gedanken zu der Verdrehung von Fakten, durch Trump, dem Internet, AI und dem Rechtsruck ? Wie gehst du damit um? Was kann man dagegen machen?
Wie sich wehren ?

Ich drehe manchmal fast durch bei dem Gedanken daran, was gerade so passiert. Zurzeit stehe ich, wie wir alle, oft fassungslos vor einem Haufen Irrsinn, von dem ich NIEMALS gedacht hätte, dass er sich so krass in Gesellschaften und Errungenschaften hineinfressen könnte. Trump ist ja nur der Beweis dafür, dass ALLES möglich ist, mittlerweile. Dass gerade rechte Parteien so fit sind in der Netzkommunikation, nervt total.

Faktenverdrehung hat ja meistens etwas mit Machterhalt oder Machtstreben zu tun. Also auch in erster Linie mit Männern. Es gibt Gründe dafür, Dinge zu verdrehen, zu verschwurbeln oder für die eigene politische Agenda zu benutzen. Ich fand, dass gerade während der Pandemie und den Diskussionen über Maßnahmen, vieles überdeutlich zu Tage trat, weil sie total gut funktioniert hat als Mittel dafür, Menschen bei ihren Ängsten zu packen und via Quatscherzählungen zu sich rüberzuziehen. Wenn erstmal Angst im Spiel ist, kommt man mit Argumenten kaum weiter. Ich bin aber auch keine Freundin von Leuten, die sich nicht weiter mit den neuen Technologien und ihren Möglichkeiten beschäftigen und am liebsten zurück zu Selbstversorgung und Petroleumlampe wollen, weil: Internet und seine Folgen= böse und bäh! KI und aktuelle Information Kanäle sind nun mal da. Das alles geht nicht mehr weg. Ich finde es wichtig, die Dinge, die damit zusammenhängen zu verstehen und sich zu beteiligen. Man darf sie nicht der dunklen Seite überlassen, auch, wenn Zuckerberg und Co. nun alles laufen- und von der Leine lassen. Nicht jeder hat die Zeit und die Kraft, sich gegen Desinformation zu stemmen, aber diejenigen, die das können, dürfen nicht nachlassen. Superanstrengend. Unser Sohn ist jetzt bald mit seinem Informatikstudium durch und er sagt, das, was noch auf uns zukommt, ist gar nicht mehr zu vermitteln, da zu revolutionär und allumfassend.

Wir haben oft über Diskriminierung gesprochen. Denkst du es tut sich etwas auf diesem Gebiet oder bleibt alles beim Alten?
Wie ist das Verhältnis von Frauen untereinander momentan? Beschützen sie sich mehr?

Es kommt immer auf die jeweilige Blase an. Ich sehe bei meiner Tochter und ihren Freundinnen momentan eine wahnsinnige Solidarität. Fast habe ich das Gefühl, die Partner:innen an ihrer Seite, spielen gar nicht mehr die größte Rolle, sondern der Zusammenhalt im Freund:innenkreis. Nun bewegt sie sich allerdings eher so in Kunsthochschulkreisen, wo Diskurs hochgehalten wird, aber ich sehe einen deutlichen Unterschied zu unseren frühen Jahren. Es ist weniger konkurrenzgesteuert. Die sind viel unterstützender und erheben und empowern sich gegenseitig. Der männliche Blick spielt keine große Rolle mehr. Da ist viel Unabhängigkeit.

Für unsere Generation spielen die Wechseljahre ja eine große Rolle. Ich kann für mich sagen: Postmenopause! Mir ist mittlerweile scheißegal, was andere von mir denken, besonders Männer. Das hilft uns auch untereinander, weil die Konkurrenz um die beste Beziehung irgendwie weg ist. Und es ist leicht wegzustecken, wenn einen irgend so ein übriggebliebener Entscheiderboss runterputzt oder aussortiert. Weil man ihn eher lächerlich findet und das auch zeigen kann. Ich konnte das früher viel schlechter. Aber gut, das sind jetzt spezielle Situationen und Zusammenhänge. Vermutlich werden immer noch Babysteps gegangen. Es ist noch ein langer Weg, bis wir Frauen wirklich gleichgestellt sind. Privat und beruflich. Das ist zum Kotzen, aber der Weg muss gegangen werden. Ach, ich glaube schon, dass es heutzutage mehr Frauensolidarität gibt. Aber die alten Rollenbilder sind trotzdem in unser aller DNA verbaut. Es ist alles sehr mühsam die rauszubasteln. Ich finde übrigens, dass das Internet und Podcasts und so, viel dazu beitragen, die Bewegung in Gang zu halten. Die fantastischen Denkerinnen und Autorinnen unserer Tage werden immer sichtbarer.

ch lebe in Berlin seit 1987, du in Hamburg seit deiner Geburt. Was ist für dich die maßgeblichste Veränderung der kulturellen Szene in HH? Berlin durchlebt gerade eine Schockstarre wegen den Kürzungen durch den CDU Senat. Ich denke, dass es für alle nun noch schwieriger werden wird mit Musik oder Kunst zu überleben. Man merkt dies an vielen kleinen Details: die Menschen können sich nur noch auf das nötigste konzentrieren, denn für mehr reicht das Geld nicht. Sowohl die Kunstschaffenden wie auch die Käufer, das Publikum. Die daraus resultierende immer kommerzieller werdende Hauptstadt hat mit der kreativen Mauerstadt leider nur noch sehr wenige zu tun. Verspielte, alberne, verrückte Mode, Musik oder Kunst sieht man auf den Straßen gar nicht mehr. Was kann die Kreativszene in beiden Städten machen um auch ohne Förderung frei und verspielt zu bleiben?

Ich finde, das ist ein wahnsinnig komplexes Thema. Es stimmt, in Hamburg wurde in den letzten Jahren relativ viel Wert auf Kulturförderung gelegt (was auch am Kultursenator lag). Meine Theorie ist aber, dass Hamburg auch stark wirtschaftlich von einem kulturellen Angebot in touristischer Hinsicht profitiert. Der Hafen verliert ja immer mehr an Wichtigkeit. Das wurde halt erkannt. Naja, und wir haben hier schon auch viele Musicals und so… Da kommen dann viele Touristen her, bevor sie ihre fucking AIDA besteigen und die Hoffnung ist, dass sie vielleicht auch noch in einen Club gehen, um sich eine kleinere Band anzugucken. Oder in eine Ausstellung. Keine Ahnung, ob das funktioniert. Aber auch Hamburger Künstler:innen sind ja auf bundesweite Förderung angewiesen. Und auf vielfältige Angebote und Möglichkeiten. Es ist superwichtig, zu erkennen, dass man Künstler:innen auch Freiräume geben muss, und finanzielle Unterstützung, damit was Spannendes rauskommt. Es wäre toll, wenn Orte erhalten blieben und allgemein großzügiger vergütet werden könnte. An den Entscheiderpostitionen sitzen halt oft Betonköpfe. Und wenn die AfD bald stärker in den relevanten Ausschüssen vertreten ist, will ich mir gar nicht ausmalen, was überhaupt noch gefördert wird. Unser Kram bestimmt nicht. Die Städte werden ja auch so verdichtet, dass keiner mehr Brachen für wenig Geld übernehmen kann, wo was entstehen kann. Wo man günstig wohnen und in Ruhe arbeiten kann.

Ich finde übrigens auch, dass in Deutschland immer erstmal auf Künstler:innen herabgesehen wird, weil das „nix Ordentliches ist“. Erst, wenn etwas Erfolg hat, zählt es. Wie sich der Weg zum Erfolg gestaltete und was das überhaupt jeweils ist, „Erfolg“- wird gerne mal übergangen. Es zählen Money und Fame. Die Nische wird dann eben nicht unterstützt. Ich nehme das so wahr und finde das nicht nur schlimm, sondern auch gefährlich

Welche Schriftsteller:innen sind deine Favoriten und warum?

Ha, ich bin eine große Thomas Mann Anhängerin. „Buddenbrooks“ halte ich für den irrsten, witzigsten, soapoperahaftesten Roman überhaupt. Wie da alles den Bach runtergeht- ein großer Spaß! Ich liebe auch Zadie Smith. Oder Nora Ephron. Knausgaard lese ich auch gern. Weil ich auch immer auf der Suche nach Figuren in der Literatur bin, die etwas mit mir selbst zu tun haben.
Karl Kraus, Tucholsky, Jane Austen, Ingeborg Bachmann liebe ich auch. Wegen ihrer eigenständigen Sprache und klaren Sicht auf die Dinge des Lebens.
Ich habe ja auch viele schreibende Freund:innen, aber ich habe Angst, die aufzuzählen, nachher vergesse ich noch jemanden …

Du hast einen wunderbaren Podcast: „Rebecca räumt auf“. Wie bist du darauf gekommen und was möchtest du aufräumen?

Ich bin da gar nicht selbst darauf gekommen. Ein Freund von mir, der Autor und Musiker Michael Girke, wurde von seiner Plattenfirma gebeten, für sie einen Podcast oder erstmal einen Talk aufzunehmen, der ihn wohl so ein bisschen vorstellen sollte. Er hatte mich dann gefragt, ob ich das Gespräch führen würde. Das habe ich gemacht und es kam ganz gut an. Ich wurde dann von so einer Profi-Podcast-Firma gefragt, ob ich für sie arbeiten würde, aber da hätte ich mir die Gesprächspartner:innen nicht aussuchen können und vermutlich wäre da auch Werbung geschaltet worden. Geld hätte es auch erstmal kaum bis gar nicht gegeben. Da habe ich mir gedacht, dass ich das auch selbst machen kann. Wir haben einen großen Freundeskreis, der aus interessanten Menschen besteht. Die müssen jetzt alle hintereinander ran! Da wir uns jeweils meist schon lange gut kennen, ist es einfach, auch mal persönliche Themen anzugehen und dabei wird schon auch mit Gerüchten oder Fehlinformationen über die Gesprächspartner:innen aufgeräumt. Das ist mir schon wichtig. Dafür möchte ich Raum schaffen. Die Gäst:innen schätzen das total. Und Spaß macht es mir auch. Ich bin schon `ne echte Plaudertasche …

Welche Textzeile aus einem Lied ist deine Lieblingszeile?

Ha! Zurzeit mal wieder: „I choose me, I’m sorry“ ( 6 Mal hintereinander!) – aus Kendrick Lamar, „Mirrors“. Aber das ändert sich dauernd …

Wie stehst du zur Poesie? Zum Spokenword? Ist dies die modernste Art mit Sprache umzugehen?

Ich finde ja, ein guter Songtext ist immer auch Poesie. Spokenword taucht ja auch meistens im Zusammenhang mit Musik auf, weshalb ich beides zusammendenken würde.
Hiphop. Da geht es ums Reimen. Das sind Gedichte. Rhythmisches Schreiben. Fantastisch!
Ich lese aber auch viel klassische Lyrik. Gerne mal so im Vorbeigehen am Bücherregal. Da ziehe ich mir dann was raus, wenn ich gerade nicht weiter weiß. Rilke. Brecht. Heine. Benn. Kaleko. Wenn’s mir schlecht geht auch gerne die Gedichte von Robert Gernhardt.
Als Jugendliche las ich gerne Balladen und lernte sie auch emsig auswendig. Einige kann ich immer noch …

Was wünscht du dir und was planst du als nächstes?

Rebecca: Ach, ich versuche mich seit längerer Zeit an einem Roman. Mal sehen, ob ich den in diesem Jahr wenigstens zur Agentur-Reife bringe. Jetzt kommt ja erstmal im März dieses Buch von mir raus, das alles möglichen Texte der letzten Jahre enthält. Ich würde damit gerne auf eine kleine Lesereise gehen. Mit dir will ich ein Hörspiel machen, mein Schatz! Und reisen will ich und alle sollen gesund bleiben und Frieden will ich haben. Überall!

 

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