“Ich weiß, dass sieben Jahre eine lange Zeit im Popgeschäft ist, aber die musste ich mir einfach nehmen.”
Man ist versucht, Robert Forsters sechstes Soloalbum “Songs to Play” ein “Alterswerk” zu nennen – angesichts der abgehangenen Atmosphäre der Platte ein teilweise zutreffendes, aber auch vorschnelles Urteil. Im Gespräch zeigt der Mitbegründer der legendären Go-Betweens allerdings keinerlei Anzeichen eines nahenden Ruhestands, ganz im Gegenteil.
Das Album hat ein sehr schönes Cover
Robert Forster: Oh, danke! Ich wollte dieses Mal etwas anderes machen, nicht schon wieder ein Bild von mir auf dem Cover… Wissen Sie, was die Vorlage für dieses Foto ist? Gerhard Richters Gemälde „Betty“. Die Kunstpostkarte hängt über meinem Schreibtisch, ich schaue gerade darauf! Das Motiv hat mir schon immer gefallen: Richters Tochter, die vom Betrachter – und vom Maler – wegblickt, sehr stark. Im vergangenen Jahr während des Week-End Festivals in Köln hatte der Veranstalter Jan Lankisch (Forster ist völlig begeistert von Jan Lankisch: „This man should be mayor of Cologne!“ ruft er ins Telefon, Anm. der Verf.) die Idee, dass wir dieses Motiv für das Cover von „Songs to Play“ adaptieren. Jan hatte die Idee für das Foto – und das Mädchen ist übrigens meine Tochter!
„The Evangelist“ ist vor sieben Jahren erschienen und stand ganz im Zeichen der Trauerbewältigung um Ihren 2006 verstorbenen Freund und Bandkollegen Grant McLennan…
Ich wollte definitiv eine gewisse Zeit vergehen lassen, bis ich ein neues Album veröffentliche. Eigentlich hatte ich mir fünf Jahre vorgenommen, aber dann sind es eben sieben geworden – ich weiß, dass das eine lange Zeit im Popgeschäft ist, aber die musste ich mir einfach nehmen. „Songs To Play“ sollte eine Zäsur nach Grants Tod bezeichnen, einen anderen Sound haben – ohne dass Grants Fehlen jemals wirklich „verarbeitet“ werden kann. Aber auf „The Evangelist“ beispielsweise sind ja einige Songs, die wir noch gemeinsam geschrieben haben.
„Songs To Play“ besteht aus zehn Songs, wie auch „The Evangelist“ oder ein anderes Ihrer früheren Soloalben, „Warm Nights“. Was bedeutet Ihnen Struktur?
Irgendwann hatte ich eine schöne Sammlung von zwölf Songs fertig. Als ich dann zwei Stücke „aussortiert“ hatte, wusste ich, dass jetzt die Platte fertig ist. Ich will keinen überflüssigen Moment auf einem Album haben – und das CD- oder MP3-Format verleitet zum Ausufern. Das Vinyl-Album dagegen mit seinen vordergründigen Einschränkungen – begrenzte Spielzeit, A- und B-Seite – bringt dich dazu, dich zu fokussieren. Man kann in zwanzig Minuten eine Menge machen! Und um das zehn-Songs-Muster herum eine schöne Story bauen.
Sind Sie ein musikalischer Konservativer?
Oh nein! Rock ist konservativ! Wissen Sie, ich experimentiere sehr gerne – ich würde auch mal einen HipHop-Track machen, wenn ich die richtige Person dafür treffe. Ich arbeite sehr gern mit jüngeren Leuten zusammen, weil ich hoffe, von ihnen lernen zu können! Auf „Songs to Play“ sind zum Beispiel Scott Bromley und Luke McDonald von The John Steel Singers und der Schlagzeuger Matt Piele mit dabei. Und Sie werden feststellen, dass das Album musikalisch sehr abwechslungsreich geworden ist, es gibt sogar Mariachi-Bläser!
2009 erschien Ihr Buch „The Ten Rules of Rock’n’Roll“ mit Plattenbesprechungen und Essays, die in der Zeitschrift The Monthly erscheinen., Eine Ihrer Regeln besagt, dass der zweitletzte Song eines Albums der Schwächste ist. Gilt das auch für Ihre neue Platte? Das wäre dann „I Love Myself (And I Always Have)“…
Ha! Ha! Ha! Die Regel trifft auf diesen Song natürlich nicht zu. „I Love Myself“ ist sogar ein ganz herausragender, starker Song! Ich wollte ein überraschendes Lied ans Ende des Albums packen, etwas unerwartet Poppiges, Leichtes.
Um mich auf das Gespräch mit Ihnen vorzubereiten, habe ich mir nochmal das Go-Betweens-Songbook angeschaut, in dem der Journalist Klaus Walter einen langen Essay über die Band geschrieben hat…
Do you know Klaus? Bitte grüßen Sie ihn von mir! Unbedingt!
Klar, mache ich! Klaus Walter hebt jedenfalls stark darauf ab, dass die Go-Betweens immer eine Band aus Männern und Frauen waren…
Grant und ich wollten nie in einer reinen Männerband spielen. Als wir die Go-Betweens gründeten, war klar, dass Frauen in der Band sein mussten – wie im richtigen Leben auch. Die übliche Vier-Männer-Rockformation interessiert mich überhaupt nicht, davon fühle ich mich regelrecht abgestoßen. Zwischen Männern und Frauen entsteht eine ganz andere Dynamik und Chemie, eine besondere Form des Austauschs, die sich dann auch in der Musik widerspiegelt. Mir liegt daran, verschiedene Sichtweisen auszudrücken. Alle große Kunst hat weibliche und männliche Elemente.
Ihre Ehefrau spielt Violine auf „Songs To Play“, bei youtube findet man Videos von Ihnen beiden, wie Sie gemeinsam in einer Regensburger Buchhandlung auftreten – wird Ihnen diese private und künstlerische Symbiose nicht manchmal zu eng?
RF: Oh nein, überhaupt nicht! Karin (Bäumler) und ich sind inzwischen 25 Jahre verheiratet, wir haben zwei Kinder und führen eine harmonische und künstlerisch inspirierende Beziehung. Wir wissen genau, was der jeweils andere gerade denkt und fühlt, auch wenn wir zusammen Musik machen – was wir zuhause oft tun – das ist ein organischer Prozess. An „Songs to Play“ haben wir gemeinsam zuhause gearbeitet, ganz ohne Stress. Karin hatte glücklicherweise gerade genug Zeit, um an dem Album mitzuwirken.
Apropos Regensburg: Sie haben lange dort gelebt. Verfolgen Sie auch von Brisbane aus, was in Deutschland so los ist?
Ja, das tue ich natürlich – ich habe auch viele Freunde aus Deutschland, mit denen ich regelmäßig telefoniere. Deutschland ist nach Australien sozusagen mein „second country“. Die Buchhandlung in Regensburg, die Sie erwähnen, gehört einem guten Freund von mir. Ich besuche ihn immer, wenn ich in Deutschland bin.
Nachrichten aus Deutschland interessieren mich sehr, ich verfolge die deutsche Politik – und ich finde unbedingt, dass Kanzlerin Merkel Griechenland Absolution erteilen sollte!
Vor ein paar Jahren erschien die DVD/CD „That Striped Sunlight Sound“ – ein wunderbarer Titel, wie ich finde. Auf ihrem neuen Album hat vor allem „Let Me Imagine You“ diesen besonderen, sonnengestreiften Klang.
Lustig, dass Sie das sagen: Der Song lief letztens bei einem australischen Radiosender, und sofort bekam ich eine E-Mail von einem Freund, der mir genau das schrieb. Dieser Sound, den Sie meinen, ist ein Teil von mir – vor allem dann, wenn ich in Brisbane bin. „Songs To Play“ würde sehr wahrscheinlich anders klingen, wenn es noch in Regensburg entstanden wäre. Klima und Umgebung haben einen großen Einfluss auf mich, mindestens so sehr wie mit unterschiedlichen MusikerInnen zu spielen. Jeder Ort ruft andere Klangfarben (er sagt subcolours, Anm. CM) hervor… ich träume zum Beispiel von einem Barcelona-Album. Und von einem Oslo-Album. Oder von einem Album, das in Los Angeles entsteht, oder in Rom! Und von einem Wasser-Album!
Einschub: An dieser Stelle sprechen wir noch darüber, wie Robert Forsters Haus aussieht und was er sieht, wenn er aus dem Wohnzimmerfenster guckt. Er verspricht, dass sein Sohn ein Foto vom Haus macht und uns schickt – darauf warten wir allerdings noch…
Sie haben unlängst das BoxSet „G Stands for Go-Betweens Volume 1“ zusammengestellt, drei weitere Teile sollen folgen. Was ging Ihnen beim Sichten des Go-Betweens-Nachlasses durch den Kopf?
Ich weiß, worauf Sie hinauswollen: Ja, ich bin wirklich stolz auf das, was wir mit den Go-Betweens geschaffen haben. Und ich bin sehr glücklich darüber, meinen Teil dazu beigetragen zu haben, eine Reihe guter Songs geschrieben zu haben. In diesem Bewusstsein könnte ich mich jetzt zur Ruhe setzen – aber das werde ich noch lange nicht tun.
„Songs to Play“ ist ein so schlichter wie programmatischer Albumtitel: Diese Lieder wollen auf die Bühne – im Dezember ist Robert Forster auch hierzulande unterwegs.
10.12.15 Köln, Gebäude 9
11.12.15 Berlin, Monarch
12.12.15 Hamburg, Knust
14.12.15 Frankfurt, Zoom
15.12.15 Erlangen, E-Werk
17.12.15 Schorndorf, Manufaktur
19.12.15 Regensburg, Deggingerhaus