Kaput(e) Charts 2025

2025 war (mal wieder) ein wildes Jahr. Es wird immer schwieriger, dass einen die ökologischen, ökonomischen und kulturellen seismischen Wellen nicht weg spülen. Dagegen hilft letztlich nur Optimismus, Aktivität und vor allem Zusammenhalt. Und natürlich Musik.
In diesem Sinne, 1000 Dank an Euch, die Kaput-Leser:innen für den Support. Und an all die Musiker:innen, Labels, Veranstalter:innen, die kontinuierlich und entgegen aller Widerstände der Welt Musik in unsere Leben bringen.
Das sind (einige) er 2025 Highlights der Kaput Redaktion.
Rebecca Spilker
Sonja Eismann – „Candy Girls – Sexismus in der Musikindustrie“ (Nautilus Flugschrift)
Eismann schaut in diesem Buch mit kühlem, analytischem Blick auf toxische Strukturen im Musikbusiness. Körper, Alter, Groupies, Zuschreibungen, Abwertung – nacheinander verhandelt sie minutiös und akribisch, was so schiefläuft mit, ja, den Typen im Game. Weibliche Anteile an der ganzen Scheiße werden zwar auch verhandelt und analysiert, aber leider – Jungs, bleibt tapfer: Es ist weitestgehend an euch, das Ding zu drehen. Denn: Frauen kurbeln schon zu lange alleine an allem herum. Es reicht! Holt es euch!
Ikkimel
Sie hat mich 2025 abgeholt. Ihr Album „Fotze“ war so drüber, dass ich erst dachte: Mannomann, hoffentlich kriegt sie ihre Texte, Aussagen und ihr selbstermächtigt sexualisiertes Äußeres auch wieder zurückgedreht, wenn die Schockwellen über ihre Hater:innen hinweggeschwappt sind. Erst mal klotzen, um was in Gang zu setzen, und dann vielleicht doch eher wieder nur kleckern? Ein paar Interviews und Konzertausschnitte später dachte ich allerdings: Och, vielleicht ist das gar nicht nötig. Das mit dem Zurückdrehen und Kleckern meine ich.
Konstantin Wecker sagt seine geplante Tournee ab
Was ich dem sexistischen und misogynen Barden im Dezember in den Mund legte, nachdem eine frühere Affäre mit einer 15-Jährigen herauskam:
„Das muss man auch mal sehen, dass ich schließlich etwas zu geben habe. Diese jungen, zarten Wesen standen ja immer ganz unschuldig und naiv-romantisch im Leben herum. Jeder leichte Wind hätte sie umwehen, jedes zu harte Wort sie brechen können. Ich habe dann immer gesagt: Komm in meinen Zaubergarten. Ich zeige dir meine magische Welt, die so viel Reiches und Schönes für dich bereithält. Verschwende dich nicht an junge Burschen, die nur nehmen und dir nichts beibringen können. Reich mir deine zarte, weiche Hand und folge mir! Vertraue mir, du schöne, reine Fee!
Ich bin Künstler. Ich brauche das. Ich kann mich nicht mit Partnerinnen, die schon älter sind, auseinandersetzen. Die behindern mich. Die wollen auch oft nicht so wie ich, weil ich angeblich zu viel saufe. Ja, die sollten sich wirklich mal fragen, warum wohl? Diese dauernden Vorwürfe immer. Das ist purer Stress, und den kann ich in meiner Arbeit nicht gebrauchen.
Außerdem entspricht mir der welkende Körper nicht. Ich brauche etwas Frisches, um überhaupt funktionieren zu können. Ich habe ein kindliches Gemüt. Ich bin noch neugierig. Man kann sagen, dass ich die taufrische Knospe bevorzuge und nicht die bereits aufgegangene, erschlaffende Blüte.
Mein Zauberstab hat viele inspiriert und verwandelt. Ich habe mich auch oft selbst verzaubert, weshalb ich, zugegeben, nicht immer Herr meiner Sinne war und bin. Aber das hat auch was. Der Taumel eines Lebens für die Kunst. Wir Künstler sind Paradiesvögel, nicht für ein Dasein im Schatten gemacht. Wir sind anders. Wahnsinn, Liebe, Irrsinn, Leidenschaft. Und Klavierspielen und singen kann ich auch. Fragt mal meine Kinder. Die können das bestätigen.“
Yachtrock-Doku (WOW)
Beim Thema „Yacht Rock“ scheiden sich die Geister. Ich bin mit vollem Herzen pro, die meisten meiner engeren Freund:innen total contra.
Seidige Sounds, jammernde, vergeblich liebende Männer, offene Hemden und Bundfaltenhosen – ich bin dabei!
Bärte, zurechtgefönte Frisuren, Falsettstimmen – danke dafür!
Christopher Cross, Kenny Loggins, die Porcaro-Brüder – Leute, reißt euch zusammen: Genies!
Denjenigen, die tiefer in die warmen, sanften Gewässer dieses Genres eintauchen möchten, sei diese Dokumentation wärmstens empfohlen. Sie läuft derzeit bei WOW. Ein Streaming-Highlight 2025! Mit genauem, aber liebevollem Blick wird hier anhand vieler Beispiele aufgezeigt, dass es ungerechtfertigt ist, diese wonnewohlige Ära des Feelgood abzukanzeln. Viele der damaligen Erfolgsmusiker:innen kommen zu Wort und nehmen sich – im Gegensatz zu so manch anderem Großkünstler der Pop-Zunft – nicht allzu ernst. Man blickt humorvoll auf eigene Looks und Erfolgsphasen zurück, ohne Licht und Schatten zu verleugnen.
Die Macher:innen haben allerdings den Fehler gemacht, zunächst auch Steely Dan dieser Gruppe zuzuordnen. Donald Fagen wurde vom Regisseur angerufen (Teile dieses Gesprächs werden am Schluss eingespielt) und gefragt, ob man ihn für den Film interviewen dürfe. Seine Antwort: „Go, fuck yourself!“
Hahaha. So isser, der Donald.
Wie auch immer: große Empfehlung. Es herbstelt, kühle, im Freien genossene Biere weichen langsam schweren Rotweinen – und die kann man sehr gut vor der Glotze trinken. Schlüpft in pastellfarbene, weite Hemden, krempelt lässig die Ärmel hoch und gönnt euch!
- Akne Kid Joe
- Pogendroblem (Photos: Rebecca Spilker)
Pogendroblem / Akne Kid Joe
(Hamburg, Knust, 13.12.2025)
Zum Jahresabschluss begeisterte mich das Doppelkonzert dieser beiden Bands im Hamburger Knust. Ein Freund hatte noch einen GL-Platz übrig und schnackte mich mit. Ich hätte nicht gedacht, dass mich die Druckwelle des Punk noch einmal so spontan erwischen könnte – aber: So war es! Textlich auf den Punkt und auf der Humor- wie Politebene absolut souverän, konnten beide Gruppen überzeugen. Ich zischte Biere dazu. Mehrere!
Besonders begeisterten mich die Schlagzeugerin und Sängerin Benta (Pogendroblem) sowie die Gitarristin und Sängerin Sarah Lohr (Akne Kid Joe). Funken sprühten, Bühnenergie erfasste mich, ich klopfte wildfremden Menschen kumpelig auf die Schultern – und sie klopften zurück. Herrlich war’s!

Photo: Christina Mohr
Christina Mohr
Kaum hat es angefangen, ist es auch schon wieder (fast) vorbei – 2025, du wildes Ding!
Meine Top Five:
• Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum“ (Mannheim)
• Städtereisen: Paris, Marseille, Milano
• Konzert: Kim Deal in Berlin
• Interview mit Anja Huwe für kaput
• Konzert: Kendrick Lamar & SZA im Waldstadion Frankfurt

Photo: Felix Nisblé
Felix Nisblé
- Mark Pritchard & Thom Yorke – „Tall Tales“
- Zaho de Sagazan – „Symphonie des éclairs“ (I know, von 2023, aber who cares, wenn es der Soundtrack eines Sommers ist)
- Oneohtrix Point Never – „Tranquilizer“
- Tujiko Noriko & AOKI Takamasa – „28“ (Remaster 2025)
- Armand Hammer & The Alchemist – „Mercy“
Benedict Weskott
AnNa R.
Am 17. März stand für mich, viele meiner Freund:innen und auch für Tausende Fans in Deutschland die Welt still, denn auf Instagram stand: „AnNa R. ist tot.“ Nur 55 Jahre wurde sie alt, hatte gerade ihr neues Album „Mut zur Liebe“ fertiggestellt und eine große Tour im Vorverkauf.
AnNa R.s opereske Altstimme, ihr mondäner Pop mit Rosenstolz und der Chanson ihrer späteren Alben gelten vielen als kitschig – mich haben sie schon früh dort abgeholt, wo ich stand. „Willkommen“ und „Ich bin ich“ gaben mir das Gefühl, richtig zu sein; „Lachen“ und „Alles wird besser“ einen trotzigen Optimismus; „Schlampenfieber“ und „Königin“ den Soundtrack für exzessive Nächte.
Die Traurigkeit angesichts von AnNa R.s Tod ist mittlerweile einer tiefen Dankbarkeit gewichen. Ihre Musik und Präsenz haben so vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen, ihnen geholfen, sie getröstet und verbunden. Sie war ein durch und durch guter Mensch mit stabilem Kompass und unerschütterlichem Humanismus. Ein riesiger Verlust – aber ihre Stimme, ihr Stil, ihre Attitüde und Haltung werden bleiben.
Oklou – „Choke Enough“
„Isn’t it obvious? So obvious?“ Lange schon war Oklou ein Geheimtipp – oder vielleicht auch nicht mehr so ganz, schwer zu sagen. Zum ersten Mal sah ich sie vor acht Jahren beim by:Larm-Festival in Oslo und war sofort geflasht: Was für ein einmaliger Sound mit sphärischen Synths und einer noch sphärischeren Stimme. Und dann diese Bühnenpräsenz!
Und das Beste: Live war das Ganze genauso einnehmend wie auf SoundCloud, wie ich danach herausfand. Nachdem ihr Debüt „Galore“ 2020 bereits alles auf Durchbruch stellte, ließ sich Oklou noch einmal fünf Jahre Zeit für ein Meisterwerk. „Choke Enough“ läuft bei mir seit über einem Jahr – seit die ersten Singles erschienen – in Dauerschleife.
Jetzt taucht sie auf Line-ups von Coachella bis All Points East auf und verabschiedet sich wohl aus den kleinen, intimen Venues. Absolut verdient, und trotzdem hoffe ich, dass dadurch der Vibe nicht verloren geht. Du machst das schon, Avril. Danke für den Soundtrack dieses Jahres!
Lady Gaga – „The Mayhem Ball“
Ich sitze vor dem Bildschirm und bin fassungslos. Auf der Bühne von Coachella brennt Lady Gaga eine Show ab, die mein Verständnis von „Konzert“ für immer verändern wird – und das weiß ich in diesem Moment sofort.
Mit vollem Einsatz, Tänzer:innen und Choreografien zum Niederknien (und Gruseln, weil genau das gewollt ist) sowie einer Stimme, die tief aus dem Körper kommt, singt, tanzt und kämpft sich Lady Gaga durch knapp 20 Jahre Karriere mit großen Höhen und niederschmetternden Tiefen. Am Anfang steht sie in einem überdimensionierten Ballkleid, aus dem ihre Tänzer:innen schlüpfen. Es folgt ein fließender Übergang von „Abracadabra“ zu „Judas“, bei dem mir endgültig die Kinnlade herunterfällt – und das nicht zum letzten Mal in diesem frühen Stream mitteleuropäischer Zeit.
Während das Coachella-Publikum tatsächlich scheintot wirkt und sich aufs Filmen konzentriert, eskalieren die brasilianischen Little Monsters an der Copacabana wenige Wochen später komplett. So muss das aussehen!
Das Glück, diese Show in kleinerer Form live in Berlin gesehen zu haben, kann ich immer noch nicht fassen. „Mayhem“ und Gagas Rückkehr zu Grusel und Weirdness ziehen sich wie ein roter Faden durch dieses Jahr.
„Eure Lana Kaiser – Die Küblböck-Story“
Zuerst bin ich skeptisch. Daniel Küblböck – ein Name, den mein Gedächtnis lange nicht mehr aufgerufen hat. Doch dann kommt ein ganzer Schwall zurück: die erste DSDS-Staffel, der Zusammenbruch, als Gracia rausfliegt, kreischende Mädchen kurz vor der Ohnmacht, der legendäre Auftritt mit „Heartbeat“ im Fernsehgarten in Karohemd und Cargoshorts, der Gurkenlaster und natürlich das tragische, mysteriöse Verschwinden von einer Kreuzfahrt.
Ziemlich viel für einen Menschen, der mich eigentlich nicht kümmert. Oder doch? Ich schaue die dreiteilige Doku und werde schnell sehr emotional. Weil mir Lana Kaisers Bedeutung für mein kleines, queeres Ich klar wird. Weil das öffentlich-rechtliche Fernsehen ihr so feinfühlig, respektvoll und anerkennend ein Denkmal setzt. Weil Lana eine der wenigen – wenn nicht die einzige – queere Figur in den deutschen Medien der 2000er war, die sich so unverstellt zeigte und trotz allem Spott von vielen geliebt und gefeiert wurde (und DSDS hätte gewinnen müssen).
Ich bin komplett gebannt und hole mir direkt die Biografie „Ich lebe meine Töne“ aus der Bibliothek, aus der die Doku ausführlich zitiert. Ein erschütternder Bericht über eine gewaltvolle, vernachlässigte Kindheit und eine Jugendliche, die notgedrungen lernt, sich nur auf sich selbst zu verlassen – und ein Licht zu sein, für sich und andere.
In einem schönen Full-Circle-Moment performt Rapperin EJA am Wochenende, nachdem ich das Buch ausgelesen habe, beim Fuchsbau-Festival ihre eigene Hommage an Lana Kaiser. Dolls united!
Patrick Wolf – „Crying the Neck“
Zwischendurch machte ich mir immer wieder Sorgen um Patrick Wolf, weil er so lange komplett von der Bildfläche verschwunden war. Wie er selbst in „Reculver“ singt: „How many years can you disappear for before they call off the patrol?“ Nur über Patreon gab es gelegentlich kleine Updates und Lebenszeichen aus Kent.
Dann 2023 die „Night Safari“-EP. Und dann die Ankündigung: neues Album, Konzerte, Comeback! Mit meinen Patrick-Wolf-Ultras kaufe ich sofort Tickets, und der Abend wird genauso fesselnd und emotional, wie ich es erhofft hatte.
Nichts – aber auch gar nichts – an Fähigkeit hat Patrick Wolf eingebüßt, eher noch hinzugewonnen. Dreizehn Jahre nach „Lupercalia“ schließt er mit „Crying the Neck“ (wunderschönes Cover, unbedingt anschauen!) an den Sound des Meisterwerks „Wind in the Wires“ von 2005 an. Good things take time. Und manchmal kommen sie zurück, wenn man gar nicht mehr wusste, dass man sie gebraucht hat. Schön, dass du wieder da bist, Patrick.
Weitere Tops
• „The Outrun“ (Regie: Nora Fingscheidt)
• The Cadela Força Trilogy: Chapter II – The Brotherhood von Carolina Bianchi y Cara de Cavalo (HAU, Berlin)
• Hamburger Bahnhof, Herbst-Ausstellungen:
o Petrit Halilaj – An Opera Out of Time
o Delcy Morelos – Madre
o Toyin Ojih Odutola – U22 – Adijatustraße
o Klára Hosnedlová – Embrace
o Museum in Bewegung. Eine Sammlung für das 21. Jahrhundert
• Mine & Orchester (Konzert)
Christian Meyer-Pröpstl
Konzert: Neil Young im Sparkassenpark Mönchengladbach, 4.7.2025
Als wäre die Kombination Neil Young und Mönchengladbach nicht schon schlimm genug – nein, es muss heißen: Neil Young im Sparkassenpark. Rock ’n’ Roll im Gewerbegebiet. Links und rechts neben der Bühne große Screens mit Sparkassenwerbung. Als das Konzert beginnt, gehen die Screens aus, und Neil Young bleibt winzig auf der Bühne zurück.
Aber dann: fast nur Hits aus 55 Jahren, immer noch großartiges Gitarrenspiel und eine PA, die mit ihrem Sound alles andere vergessen lässt.
Comic: Guy Delisle – „Für den Bruchteil einer Sekunde“ (Reprodukt)
Delisle ergründet in seiner sehr unterhaltsamen Geschichtsstunde anhand von Eadweard Muybridge (dem mit den Fotos des Bewegungsablaufs eines galoppierenden Pferdes) die Vor- und Frühgeschichte des Kinos. Inklusive aufwändiger wissenschaftlicher Experimente – und eines Mordes.
Sachbuch: Michel Faber – „Hör zu! Was Musik mit uns macht“ (btb)
Ein wilder Ritt durch biologische, emotionale und soziale Aspekte des Musikhörens, der auch über Geschmack und Distinktionsgewinn, über Ladenhüter, gute Kunst von schlechten Menschen, Coolness, Begeisterung, die Verlockung des Dröhnens und Musik für Private-Banking-Kund:innen philosophiert.
Sachbuch: John Robb – „Goth – Die dunkle Seite des Punk“ (Ventil Verlag)
Nicht unbedingt ein Buch nur für Grufties (vielleicht auch), denn Robb sucht den Gothic-Touch bereits bei den Romantikern, findet ihn in den 60ern im Psychedelic, in den 70ern im Glam Rock und vor allem in den 80ern beim Post-Punk mit den üblichen Verdächtigen. Am Schluss streift er nur noch die zurückliegenden drei Dekaden, sucht aber auch noch kurz nach Goth in den sozialen Medien.
Film: „In die Sonne schauen“ von Mascha Schilinski
Düster schwebt der Film durch Jahrzehnte bedrückender Frauenschicksale in einem alten Bauernhof an der deutsch-deutschen Grenze. Wie Schilinski narrativ und visuell durch Zeiten und Geschichten gleitet, von Protagonistin zu Protagonistin, lässt einem bei diesem ungewöhnlichen Geisterfilm ständig die Kinnlade herunterfallen. Auch Gothic!

Christoph Jacke (Foto: Johanna Sackel)
Christoph Jacke
Martin Becker – „Die Arbeiter“
(Zwar aus 2024, aber erst 2025 durch eine Lesung aufgestöbert und verschlungen. Dafür umso wuchtiger. Musste innerlich weinen und lachen – mehr geht nicht. Und das nicht als pseudo-empathische Akademikerimagination, sondern ganz direkt und mitten rein.)
Lucrecia Dalt – „A Danger to Ourselves“
Sie irrt und findet seit Jahren immer wieder anders – und stets berührend, spooky und cosy zugleich (siehe mein Album 2000–2025).
Nick Cave & The Bad Seeds – „Live God“
Oberhausener Betonschüssel, direkt danach das Live-Album – beides für mich keine guten Vorzeichen. Aber dieses Album ist tatsächlich verrückt. Wow. „He’s transforming – look at him now.“
Sonja Eismann – „Candy Girls“
Inklusive Talk C:POP an der Uni Paderborn. So wichtig, dass Sonja auf die dunklen Seiten des Pops schaut.
Link: https://kw.uni-paderborn.de/nachricht/maenner-haben-expertise-frauen-ein-geschlecht-schreiben-ueber-pop-ein-nachbericht-zum-impuls-und-talk-von-sonja-eismann-und-charlie-mio-marlin
Swell Maps – „The John Peel Sessions“
Nicht nur, weil Kim Gordon sie liebt: wieder, neu, immer entdeckt. R.I.P. Nikki Sudden und Epic Soundtracks. Long live Jowe!
(Top-Kandidat außerdem: Daniel Schreibers „Liebe! Ein Aufruf“ – noch ungelesen.)

Katja Röcke mit Bernadette La Hengst sowie Robin & Inga von Kapa Tult
Katja Röckel alias Mrs. Pepstein
Fünf schöne Konzerte in Leipzig
- 16.10.2025 – Sophia Kennedy, Conne Island
Ein Konzert lang durchtanzen. Unfassbar heilsam in dieser Zeit. - 9.10.2025 – Twins in Colour, Ilses Erika
Ich teile mir ein Büro mit einem wunderbaren Kollegen. Dieses Jahr habe ich es erstmals auf ein Konzert seiner Band geschafft – und war ganz verzaubert. - 27.08.2025 – Kapa Tult, Open Air im alten Gasometer
Heimspiel der Leipziger Band. Alle singen alles mit. Ich freue mich mega auf die neue Platte im Februar 2026! - 19.10.2025 – Alicia Edelweiss, Orinoco Books
Die Wiener Künstlerin spielte vor 25 Leuten ein sehr berührendes Konzert. Ich habe geweint und gelacht. Zum Tanzen war kein Platz. - 27.11.2025 – Mine, Haus Auensee
Nicht nur, dass Mine mit Orchester und Männerchor unterwegs war – sie startete das Konzert auch kopfüberhängend singend in einem Aerial Hoop. Mehr geht nicht!
Lars Fleischmann
Max Annas – „Tanz im Dunkel“
Den großartigen Krimiromancier Max Annas zieht es mit „Tanz im Dunkel“ nicht nur zum Maison Suhrkamp, sondern auch aus der ehemaligen DDR ins Köln der Nachkriegszeit. Das Buch wird zum Abbild des noch teilweise zerstörten Kölns: schroff und ungeschönt, mit rostigen Nägeln, die aus Wänden ragen – aber wie immer mit ordentlich Pfeffer und Lebensfreude in der Futt. Zwischen frühem Rock und Nazivillen wird fantastisch auf den Putz gehauen. Spaß garantiert.
„Unruly Poetry“ (Reihe „Unruly Readings“)
Billig, eine Veranstaltung der großartigen Michaela Predeick zu promoten, mit der ich zufällig auch liiert bin? Ja, vielleicht. Aber die Kooperation zwischen Son Lewandowski, Michaela Predeick und Franziska Winkler von „handverlesen“ hat mir nicht nur sprichwörtlich die Augen für Gebärdensprach-Literatur und -Poesie geöffnet. Ein tolles und spannendes Thema, das mich seitdem wirklich beschäftigt.
Braxton Cook
Quarktaschen suchen oft erschöpfend frömmelnd nach dem „neuen Coltrane“. Das ist schlimmer als GOAT-Diskussionen im Basketball oder Fußball. Aber Talent muss gewürdigt werden: Braxton Cook spielt immer groß auf – und in seinen besten Momenten meint man da oben ständig … ihr wisst schon.
Cate Le Bon – „Michelangelo Dying“
Der Sommer scheint so weit weg, seitdem wurde mein Leben auf den Kopf gestellt (for those who know). Wenn ich an meinen Bildungsurlaub in Wien und Graz zurückdenke, dann sehe ich mich eine halbe Stunde in der Sonne am steinigen Ufer der Mur – mit Cate Le Bons aktuellem Album auf den Ohren. Und danach habe ich wochenlang alle genervt, wie großartig diese Art-Pop-Platte zwischen Bowie, Laurie Anderson und Robert Wyatt ist.
Überführung der Stadtrevue in eine Genossenschaft
Wer nicht in Köln wohnt, kennt kaum ein so umfassendes, intelligentes, haltungsstarkes und im besten Sinne auch manchmal ungelenkes Stadtmagazin wie die Stadtrevue – bei der ich seit drei Jahren Kunstredakteur bin. Nach vielen Monaten des Zitterns ist aus dem ohnehin kollektiv und unabhängig aufgestellten Magazin nun eine Genossenschaft geworden. Eine gute Nachricht für Köln, die Region, die Stadtmagazinlandschaft – und mich. Wer etwas auf sich hält, zeichnet Anteile, solange man noch als Early Adopter Gummipunkte abstauben kann.

Thomas Venker, Conny Island, 2025 (Photo: Jonathan Forsythe)
Thomas Venker
2025 in fünf kulturell-seismografischen Manifestierungen
Sarah Szczesny – „Painting will need to do all sorts of crazy wonderful things, you know, so that it doesn’t restrict me“, artothek Köln
Es gibt kaum etwas Unwahrscheinlicheres zu erleben, als die Genese neuer künstlerischer Werke über längere Zeit beobachten zu dürfen. Das gilt gleichermaßen für die Songwerdung aus Ideen, Skizzen und Sounds wie für Bilder, Videos und Performances. Ich durfte all das, was in „Painting will need to do all sorts of crazy wonderful things, you know, so that it doesn’t restrict me“ aufgegangen ist, im Prozess der Inspiration und Werdung in Istanbul, Mallorca und Köln beobachtend begleiten. Wie wenig ich in all diesen Momenten um die Aura des Gesamtpuzzles wusste.
Nach all den Jahren als Kulturjournalist existiert – zum Glück – noch immer der blinde Fleck, in dem die Magie der Kunstwerdung stattfindet.
DJ Sprinkles – Vier-Stunden-Set in der Socore Factory, Unsound Osaka, Japan
So langsam will ja niemand mehr von meinem shitty 2025 hören. Aber so einfach lasse ich euch da nicht los – warum sollte man sein Leid nicht im Popjournalismus teilen dürfen? Wo sonst denn? Bei der Krankenkasse? Beim Arzt? Bei den Eltern? Nice try.
Aber ich will nicht undankbar sein: Freund:innen und Kolleg:innen haben mich durch das Elend von fünf Operationen getragen – und mein dear friend Terre Thaemlitz hat mich zum ersten Mal wieder zum Tanzen gebracht. Eine Nacht mit viel Freude auf meinen Wangen und vielleicht sogar Tränen in den Augen – und ordentlich Muskelkater am Morgen danach.
Einer von vielen unvergesslichen Momenten dieser besonderen Nacht: Plötzlich steht der Betreiber der Socore Factory für eine Minute mit aus dem Kopf springenden Augen vor mir und hypnotisiert mich mit seiner Begeisterung. Ersatzlink.
Jim O’Rourke & Eiko Ishibashi – Performing Live-Remixe des Werks von Włodzimierz Kotoński, Unsound Osaka, Japan
Zum Besuch des Unsound Osaka ist das Kaput-Team nur durch Zufall gekommen. Eigentlich weilten wir in Kyoto, aber da es von dort nur eine U-Bahn-Fahrt nach Osaka ist …
Einen ausführlichen Nachbericht zur Japan-Premiere unseres polnischen Lieblingsfestivals gibt es hier: „UNSOUND OSAKA“.
Dieses Konzert sei aber extra genannt, denn was Eiko Ishibashi und Jim O’Rourke aus dem Material von Włodzimierz Kotoński kreiert haben, war schlichtweg sensationell. Ein Konzert wie ein Trip. Drei Künstler:innen mit signifikant eigenen Haltungs- und Soundkosmen – und doch eine über Epochen, Regionen und Paradigmen hinweg so elegant fließende Soundverwebung: als Duo konzipiert, als Trio erschaffene Textur. Ein Lehrbeispiel dafür, dass Kommunikation immer möglich ist, selbst wenn man nicht die gleichen Raum- und Zeitkoordinaten teilt – man muss nur die Soundschwingungen sensibel zu lesen wissen.
Monheim Triennale 2025
Seit sieben Jahren begleitet mich die Monheim Triennale in meinem Leben. Da war es keine Frage, dass ich trotz Unfallfolgen teilnehmen musste. Bei dieser Entscheidung dachte ich allerdings nicht, dass es eines Rollstuhls bedürfen würde, damit ich mich überhaupt fortbewegen kann. Vielen Dank daher an mein tolles Festivalteam – und besonders an Alex Mayor, der mich die ganze Zeit gerollt hat.
Musikalische Highlights will ich keine herauspicken, dazu war das Festival als Ganzes ein einziger Rollercoaster Ride aus fantastischen Performances. Nennen möchte ich aber doch die „Rave to the Grave“-Podcast-Produktion mit Terre Thaemlitz und Vivian Host – es war mir eine Ehre, dabei zu sein.
Neue Musik
Es ist manchmal nicht leicht, die Inbox zu öffnen und sich nicht erschlagen zu fühlen von all den neuen Veröffentlichungen – oder sich on top Tag für Tag selbst auf die Suche nach aufregender neuer Musik zu machen. Gerade mit zunehmendem Alter und bereits angehäufter emotionaler Bindung zu so viel Musik (und Kunst, Filmen, Büchern) ist es verlockend, sich im Bekannten zu suhlen. Aber das wäre falsch!
Über Offenheit für Neues treten wir in Austausch mit anderen Menschen und erleben die Vielfalt der Welt als Geschenk. Auch 2025 kam wieder so viel mehr heraus, als man in der nicht leichter werdenden Tagestaktung hören kann. Insofern besteht meine Jahresliste nicht nur aus Jahreshighlights, sondern auch aus Alben, die ich mir erst jetzt im Jahresfinale angehört und liebgewonnen habe. An dieser Stelle schmuggle ich mal eben eine Top 5 in die Top 5 – der Rest der Liste hier.
Pulp „More“ (Rough Trade)
aya „hexed!“ (Hyperdub)
keiyaA „hooke’s law“ (XL Recordings)
Eris Drew „DJ Kicks“
Tyler, The Creator „DON’T TAP THE GLASS“ (Columbia Records)
Airwaves-Bonus: Return of Radio Venker
- „The Cologne Affair“ with Carl Craig (and Jan Lankisch) for EastVillage Radio
- Guest Appearance in Gilles Petersons „Worldwide.fm“-Show zusammen mit Week-End-Fest-Allstars.
- „Rave to the Grave“: Terre Thaemlitz / DJ Sprinkles
Und 1000 Dank für den zweiten Platz beim International Music Journalism Award (IMJA) in der Kategorie „Bester musikjournalistischer Text 2025“ für meine „Pulp in the Hospital“-Story. Deutscher Link / Englischer Link.

„DISCO – I’m Coming Out“, Philharmonie Paris (Photo: Katja Ruge)
Katja Ruge
Electric Lights mit JakoJako, Cinthie, Joyce Muniz
(Zeiss-Großplanetarium Berlin & Planetarium Hamburg)
Dass mein Kaput-Magazin-Fotoprojekt zu einem völlig abgedrehten Planetariumsformat gewachsen ist, macht mich unglaublich glücklich. Mit JakoJako war es ganz besonders – sie schafft es immer, mich mit ihrem Eurorack zum Heulen zu bringen.
Plus: meine Ausstellung „Electric Lights“ im hohen Norden bei Kappeln. Roots gespürt, großartige Menschen kennengelernt. Nebenan die größte Kinderkunstausstellung Deutschlands – sehr gefeiert, diese Kombi.
Plus: Top 3 der besten Clubveranstaltungen bei den Clubawards in Hamburg. Irre – und danke! (Neben Südpol und Queerpol.)
Kuratieren fürs MOMEM Frankfurt
Am 6./7. Februar 2026 wird meine FEMC – A FLINTA Music Conference* Realität. Mit Workshops, Talks und Community. Mit dabei: Nadia Struiwigh, DJ Mell G, Emma Marshall (Buch „Music Is Medicine“) und viele mehr.
Podcast & Fotoshooting mit Anja Schneider
Berlin. Sie mit mir Podcast, ich mit ihr Fotos. Perfekter kreativer Austausch.
Hans Nieswandt DJ-Set
Bei meiner Daytime-Party, die ich zusammen mit der Designagentur Karl Anders diesen Sommer in Hamburg gemacht habe.
Ibiza
Einmal noch Musikmagie mit den Optimo-Jungs. Danke, Universum. Bestes Birthday-Geschenk.
Danke, Kaput. Love you.
Marcus Can’t Dance
- Geese – „Getting Killed“
- Andrea Laszlo De Simone – „Una lunghissima ombra“
- Ciśnienie – „(angry noises)“
- ROSALÍA – „LUX“
- Turnstile – „NEVER ENOUGH“
Warum fühlt es sich eigentlich so an, als hätte Pop nach der Pandemie aufgehört, sich um Lösungen zu bemühen? Es passt zum Zeitgeist: Musikkonsum ist wie alles andere atomisiert, Pop von einer gesellschaftlichen Kraft zu einer Selbstbewältigungsmaschine geschrumpft. Dass es auch anders geht, zeigen diese fünf Platten. Geese verwandeln negatives Denken in nervöse strukturelle Unruhe, Andrea Laszlo De Simone dreht im One-Click-Zeitalter den Geschwindigkeitsregler runter, Ciśnienie legen alles in Schutt und Asche und bauen daraus eine neue Krachgrammatik. Rosalías polyglotter Pop setzt der Vereinzelung eine große Geste entgegen, Turnstile verwandeln Wut in geteilte Körperenergie – also Gemeinschaft. Es war nicht alles scheiße dieses Jahr, aber das meiste. Diese Alben haben zumindest dafür gesorgt, dass es sich anders anfühlt.
Lennart Brauwers
„Big City Life“ von Smerz
Manchmal brauche ich Musik, die eine simple, oft unterschätzte Funktion hat: Wenn ich sie höre, will ich mich cool fühlen. Dieses Jahr hat „Big City Life“, das chillige Zweitwerk des norwegischen Electronic-Duos Smerz, diese Rolle für mich übernommen. Das Album bewegt sich zwischen Trip-Hop und Dream-Pop, zeichnet sich aber vor allem durch den Swag der beiden Vokalistinnen Henriette Motzfeldt und Catharina Stoltenberg aus. Sie schweben über die frischen Beats und strahlen durchgehend ein Feeling aus, das auch im Albumtitel angedeutet wird: rauchend, Sonnenbrille tragend durch eine Großstadt laufend. Genau das mache ich ebenfalls gerne – vor allem mit „Big City Life“ auf den Ohren. Dass es mit Songs wie „You Got Time and I Got Money“ auch gefühlvolle Traummomente gibt, ist noch das i-Tüpfelchen.
„Never Enough“ von Turnstile
Turnstile sind die größte Hardcore-Band der Welt – und einer der prägendsten Rock-Acts der 2020er. „Never Enough“ klingt weiterhin wie Turnstile: groovy und hüpfend. Insgesamt aber sphärischer, durchgestalteter. Es scheint, als wären die Songs zwar im Proberaum geschrieben, anschließend aber synthetisiert worden. In Kombination ergeben sie ein perfektes Album ohne Unebenheiten. Ihre Ästhetik wurde auf ein neues Level gehoben – „Never Enough“ ist ein richtiges Album-Album. Wenn Radiohead eine Hardcore-Band wären, wäre diese Platte ihnen nicht unähnlich. Ja, Turnstile waren schon immer mehr als Hardcore. Offen, integrativ, voller Zauber und unendlicher Möglichkeiten.
„Headlights“ von Alex G
Der komplex-eingängige Folkrock von Alex G lässt sich nie vollständig erfassen. „Afterlife“, die Leadsingle von „Headlights“, habe ich gefühlt dreitausend Mal gehört und checke weiterhin nur teilweise die eigenwillige Gesangsmelodie. Gleichzeitig scheint der 32-Jährige einen Neuanfang einzuläuten: „When the light came, big and bright, I began another life“. Die Platte klingt genau danach: „Headlights“ ist etwas Gespenstisches, aber greifbar – ein Level-Up-Geste ohne offensichtliche Aufstockung. Dass niemand ihn jemals für „the real thing“ gehalten hat, singt Alex G einmal – sollte nie wieder vorkommen.
„The Passionate Ones“ von Nourished by Time
Die großartigen R&B-Songs von Nourished by Time klingen wie verwaschene Aufnahmen der glitzernden Achtzigerjahre, die es in dieser Form nie gab, bedienen sich aber bewusst deren Charakteristika. Brown integriert die diversesten Samples, greift Clubmusik aus Baltimore auf und fängt im hektischen Highlight „BABY BABY“ an zu rappen. Vor allem sind es Einflüsse aus New Wave und Synth-Pop, die „The Passionate Ones“ zu einem mitreißenden R&B-Album machen. Das Album wirkt gedämpft – nur soundmäßig – emotional hält es kaum zurück. Ein leidenschaftliches Meisterwerk voller Liebe und Ambition.
„Getting Killed“ von Geese
Selten war ich mir so sicher, dass mich etwas für immer begleiten wird. „Getting Killed“ von Geese ist ein aufrüttelndes Album, ein unwiderstehlicher Level-Up-Moment und fängt die Paranoia unserer Gegenwart auf ultraspaßige Weise ein. Angst wird in etwas Befreiendes verwandelt – ähnlich wie im besten Film des Jahres, der parallel erschien: „One Battle After Another“ von Paul Thomas Anderson. Was will man mehr? Im Closer „Long Island City Here I Come“ erreicht Indie-Rock einen neuen Höhepunkt. Geese und der omnipräsente Hype um sie geben mir Hoffnung, bauen mich auf und lassen mich aus voller Kehle „There’s a bomb in my car!“ schreien – nicht aus Sorge, sondern aus Akzeptanz. Und dann geht’s weiter.

Das süsseste Paar im Deutschen Popjournalismus im Oasis Fieber: Lennart Brauwers & Marisa Eul Bernal
Marisa Eul Bernal
EP: „Dogs In Heaven“ von Silver Gore
Genau deswegen liebe ich es, auf kleine Konzerte zu gehen: Man entdeckt Bands, die kein Algorithmus zeigt. So auch bei Silver Gore, einem Londoner Duo, das ich als Vorband von Water From Your Eyes in einem kleinen Club in Köln entdeckte. Die glasklare Stimme der Sängerin Ava Gore, kombiniert mit den verrückten Synthsounds und Akustikgitarrenriffs von Producer Ethan P. Flyn, ergibt eine großartige Mischung – so habe ich das vorher noch nicht gehört. Ich bin jetzt Big Fan und gespannt, was noch alles von ihnen kommt. Ich brauche mehr Songs von euch!
Film: „Die My Love“ (Regie: Lynne Ramsay)
Ein Film, der mich nachhaltig beschäftigt hat. Ein junges Pärchen (Robert Pattinson & Jennifer Lawrence) zieht aufs Land, sucht kreative Erfüllung und findet nur Einsamkeit und Entfremdung voneinander. Häufig als Film über postnatale Depression vermarktet, zeigt er bei genauerem Hinsehen ein anderes Thema: eine Frau, die weniger Probleme mit ihrem Kind als mit ihrer Rolle in der Gesellschaft hat. Der Film wirft interessante Fragen auf – ohne einfache Antworten. Zum Glück.
Serie: „Mr. Scorsese“ (Apple TV)
Eine grandiose Filmdokumentation in Serienform von Rebecca Miller, die dem Regisseur erstaunlich intime Gespräche entlockt. Die Doku gibt Einblicke in Martin Scorseses Arbeitswelt und seine philosophischen Perspektiven auf das Menschsein: „Who are we? What are we? Are we intrinsically good or evil? I think anybody’s capable of evil“. Fragen, die ihn bei seinen Filmen stets beschäftigten und uns neue Blickwinkel eröffnen.
Album: „West End Girl“ von Lily Allen
Ein Album, das gefühlt aus dem Nichts kam: „West End Girl“. Lily Allen präsentiert ihre Gefühle schonungslos – und wir hören zu. Besonders spannend: Über den „Pussy Palace“ ihres Ex-Mannes David Harbour singt sie sehr explizit, fast wie in einem Podcast, chronologisch über das Ende ihrer Ehe. Schade für sie, gut für uns!
Konzert: Oasis in London
Was soll man dazu sagen, außer: „This was fucking biblical“. Wembley Stadium, 90.000 Fans, ein neuer Bier-Rekord (250.000 Pints pro Show) und zwei Brüder, die niemand mehr zusammen auf der Bühne erwartet hätte. Arm in Arm – 2025 ist es passiert. Live forever!

Autor calls Redaktion (Photo: Philipp Kressmann)
Philipp Kressmann
Konzert: Oasis live in Manchester (11.7.)
Das Comeback des Jahrzehnts – mindestens. Liam und Noel, Attitude und Songwriting. Zwei Stunden Hymnen und Umarmungen, am Ende ein Feuerwerk. Fazit: biblical.
Podcast mit Marcus & Lennart über Oasis.

Golden Dog Years (Photo: Philipp Kressmann)
Album: Tocotronic – „Golden Years“
Ein wunderschönes, ambiges Album: melancholisch, kämpferisch, teils countryesk, einmal Richtung Dub.
Interview für Jungle World.
Konzert: Radiohead live in Berlin (8.12.)
Erstes von vier Berlin-Konzerten 2025, beste Setlist: „All I Need“, „Daydreaming“, „Karma Police“.
Buch: Tanya Raab – „Shalom zusammen!“
Queer, jüdisch, feministisch. Auf Instagram (@oy_jewish_mamma) schreibt sie über Politik, Judentum, Filme, Erinnerungskultur, Antisemitismus. Das Buch behandelt ihren Alltag – aufklärerisch, informativ, berührend.
Buch: Thorsten Nagelschmidt – „Nur für Mitglieder“
Unterhaltsames Buch über Weihnachtsekel, Depressionen und Binge-Watching auf Gran Canaria. Ausgewählte Passagen vertont mit dem Musiker Lambert. Review erschien bei Jungle World.
Vicky Hytrek
Anfang des Jahres schenkte uns Gott die dritte Staffel White Lotus. Dazu lieferten Cristóbal Tapia de Veer und Gabe Hilfer wieder einen grandiosen Soundtrack – auch ohne das charakteristische „ooh-loo-loo-loo“. Bleiben wir beim Lotus: Die UK-Rapperin Little Simz hat mit ihrem siebten Studioalbum ein zeitloses Meisterwerk mit starken Jazz- und Soul-Passagen geschaffen. Mein Dauerloop auf langen Busfahrten. Lieblingssong: Lion.
Mein Konzert-Highlight fand an einem heißen, schwülen Sommerabend im Stadtgarten in Köln statt. Florence Adooni stand mit ihrer neunköpfigen Band auf der Bühne und hat uns mit ghanaischen Highlife-Beats zum Shaken gebracht. Vom Süden ging’s dann ab in den Norden: Fürs Kaput Magazin bin ich nach Tromsø in Norwegen geflogen. Jedes Jahr kommt hier auf dem Insomnia Festival die lokale Szene für elektronische Musik zusammen. Wie beeindruckend diese Reise nach Skandinavien war, lest ihr hier.
Zum Jahresende hat das Berliner Producer-Duo Brigade noch ein Album gedroppt. Mit Unlimited Dreams Corporationlässt sich dieses Jahr prima ausklingen.
Peter Abs
Top Music (alphabetical):
- Alpha Maid – Is this a queue
- Eiko Ishibashi – Antigone
- Engelhardt/Seef/Davis – abceefd
- Viola Klein – New Chapter
- V.A. – Disk Musik (A DD. Records Compilation)
Ariana Zustra
Sofia Isella – Josephine
Tja, was soll ich sagen: Die Songwriterin und Produzentin Sofia Isella war schon in meinem vergangenen Jahresrückblick prominent vertreten, und meine Begeisterung für sie hat 2025 nur noch zugenommen. Als Beleg dafür möge ihre aktuelle EP “I’m camera.” dienen, stellvertretend etwa “Josephine”, wieder so ein Monster von einem Song. Wenn Lieder anderer Künstler:innen eine Kurzgeschichte sind, sind sie bei Sofia Isella ein ganzer Roman – so viel passiert da textlich und musikalisch. Auf der Bühne wirbelt die 20-Jährige in zeltartigen Klamotten zwischen E-Gitarre, Klavier und Geige hin und her, wälzt sich auf dem Boden, haut mit schlammverschmiertem Gesicht und irren Augen mal eben Töne von Kellerlochtiefe bis ins Pfeifregister heraus. Ich halte an dieser Stelle den Begriff “Genie” für angemessen.
Saya Gray – SAYA
Wer seit seiner Kindheit und irgendwann beruflich bedingt praktisch jeden Tag praktisch den ganzen Tag Musik hört, weiß ja oft schon nach wenigen Sekunden, wie ein Song weitergehen und enden wird. Und dann kommt Saya Gray um die Ecke, diesmal mit ihrem neuen Album “SAYA”, und sprenkelt Löcher in die Matrix! Die japanisch-kanadische Multiinstrumentalistin ist für mich so etwas wie der Daniel Düsentrieb des Indie-Pop. Man hört staunend die zehn, ja was, Songs? Skizzen? Experimente? ihres aktuellen Werks und freut sich über jede Windung und jeden Haken, den die Tüftlerin schlägt durch dieses Potpourri aus Americana, Electro, Folk, Psychedelia, R’n’B. Schräg, trotzdem lauter Hooks – phänomenal.
Annekathrin Kohout – Hyperreaktiv: Wie in Sozialen Medien um Deutungsmacht gekämpft wird
Wer sich für Debatten auf Social Media, wobei, ach, eigentlich: für das Internet interessiert, sollte dieses Buch im Haus haben. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout analysiert in “Hyperreaktiv” scharfsinnig aktuelle Erregungsdynamiken in den Sozialen Medien. Sie untersucht das Gerangel um Deutungsmacht anhand anschaulicher Beispiele mitsamt zahlreicher Screenshots, etwa ein Foto von Greta Thunberg, eine Rede von Joe Biden, eine Geste von Elon Musk oder die Frage, inwiefern eine Dove-Werbung rassistisch ist. Wie konnte es dazu kommen, dass die Reaktion auf ein Ereignis wichtiger geworden ist als das Ereignis selbst?
Thomas Chatterton Williams – Toxische Gerechtigkeit: Die neue Polarisierung der Debatten und das Scheitern eines großen Traums
Der Sommer 2020 war laut Kulturkritiker Thomas Chatterton Williams ein Wendepunkt: der Tod von George Floyd, die Corona-Pandemie und politische Debatten sorgten für Ausnahmezustände, in denen Wokeness zunächst berechtigte Missstände sichtbar machte, dann aber in informelle Zensur, Angst vor Abweichung und identitätspolitische Verengung kippte. Viele Menschen schwiegen aus Furcht vor sozialer Ächtung; Debatten wurden von Extremen dominiert, reale Gewalt relativiert und liberale Prinzipien wie Meinungsfreiheit preisgegeben. Diese Dynamik, so Williams, habe maßgeblich eine Gegenreaktion ausgelöst und den heutigen Rechtsruck begünstigt – bis hin zu einer spiegelbildlichen Cancel Culture von rechts. Sein kluges und sachlich vorgetragenes Plädoyer: Nur eine selbstkritische Rückbesinnung auf den Liberalismus kann verhindern, dass Freiheit und Zusammenhalt durch moralische Selbstgerechtigkeit und Polarisierungen zerstört wird. Aus meiner Sicht eines der lesenswertesten Bücher über Wokeness, gerade für diejenigen, die des Themas müde sind oder sofort in einen Verteidigungsreflex verfallen. Denn nur mit einer offenen Debatte und Selbstkorrektur kann eine überzeugende Alternative zu autoritären Bewegungen entstehen.
Ursula K. Le Guin – Der Tag vor der Revolution
Ein ganz großes Buch einer ganz Großen: “Der Tag vor der Revolution” versammelt auf 784 Seiten 25 Science-Fiction-Storys der visionären Autorin Ursula K. Le Guin. Klassiker wie Omelas sind hier ebenso versammelt wie neu übersetzte Geschichten, die noch nie oder schon seit langem nicht mehr auf Deutsch erhältlich sind. Perfekt für Liebhaber:innen und alle, die es noch werden wollen.
Linus Volkmann
Ich habe an anderer Stelle wieder mit sehr viel Liebe, Wahn und Aufwand meine „50 geilsten Songs des Jahres 2025“ inszeniert. Die Playlist dazu hänge ich hier gern noch mal an. Denn ich bin einerseits sehr stolz auf der Ergebnis, allerdings macht es mich auch verrückt, dass ich drei Stücke vergessen habe. Durchgerutscht beziehungsweise beim Hin- und Herschieben der Plätze von Bill Gates gefressen. Umso mehr freue ich mich, dass ich hier bei meinem Lieblingssender Kaput die Möglichkeit habe, diese drei nun nachzusenden.
01 Stefanie Schrank „Nein wir fürchten nicht die Nacht“
02 The Toten Crackhuren im Kofferraum „Tauben“
03 Lady Gaga „Abracadabra“
Außerdem empfehle ich das Buch „Lauter Hass – Antisemitismus als popkulturelles Ereignis“ von Marie Kanitz und Lukas Geck im Verbrecher Verlag. Mit den beiden habe ich auch ein Interview geführt. Das wiederum könnt ihr hier nachlesen.
Ach, geil. Ein Foto braucht es ja auch noch. Da habe ich mich entschieden für meine Begegnung mit der Meme-Legende Sveamaus.
Alles Gute 2026!











