Hotel Rimini: Allein unter Möbeln, gemeinsam im Proberaum
Die Musik der Gruppe Hotel Rimini erhält dank Instrumenten wie Violine und Kontrabass einen klassischen Anstrich, während die Texte von Sänger Julius Forster einen klaren Gegenwartsstempel haben. Ende Oktober erschien das Debütalbum der Band aus Leipzig, „Allein unter Möbeln“. Es ist ein Ohrenschmaus.
Es ist Anfang November und Julius Forster und die fünf Mitmusiker:innen arbeiten schon wieder an neuer Musik. In einer Probenpause findet er nachmittags Zeit für ein Zoom-Interview. Es wird schon etwas kälter, nicht mehr lange, dann ist es fast schon wieder dunkel. In den Supermärkten wird man schon längst mit Schokoladennikoläusen genervt. Auf dem Debütalbum der Gruppe Hotel Rimini gibt es mit „Novemberflucht“ einen passenden Song für diese Zeit. Diese Komposition macht sehr gut deutlich, für was die Band musikalisch steht: Gitarren- und Klaviermusik mit Begleitung von Cello, Kontrabass und Violine, sowie einem durchaus jazzig angehauchten Schlagzeug. Manchmal hören wir auch eine Orgel oder ein Mellotron. Dazu singt der Gitarrist und Texter Julius Forster dann Sätze wie diesen hier: „Und auch der Wetterbericht ärgert mich nur leicht. Das was man hat, ist das, was dem, was man will, gern weicht.”
Also: Melancholie deluxe, das signalisiert ja bereits der Albumtitel. „Es geht öfter um eine Art entrücktes Ich, das sich ins Verhältnis zu anderen setzt“, erzählt Forster. „Und ein Stück weit auch um eine Form von Einsamkeit, sowie um das Häusliche und vielleicht auch um eine Art Flucht vor den Widrigkeiten des Alltags, der Zivilisation und der Kommunikation. Da dachte ich, da dachten wir, “Allein unter Möbeln” fasst das doch gut zusammen.“ Zu diesem Vibe passt auch der schwerfällige Streicherpop-Titel „Schwedische Gardinen“, in dem Forster eindrucksvoll beweist, dass man auch Wörter wie „Schilddrüsenunterfunktion“ singen kann. Während es in einer Strophe unter anderem um Unsicherheit geht, die moderne Kommunikation über Messenger-Dienste mit blauen Haken auslösen kann, berichtet Forster im gitarrenlastigeren „Granola“ hingegen von Lebensmittelverschwendung im Alltag und Foucault-Büchern, die er am Black Friday erworben hat. „Mir war es im Text wichtig, dass man sich selbst nicht davon ausnimmt, sondern dass man eher auf beobachtende Art die Widersprüche, in denen man lebt, feststellt und benennt. Ich habe textlich kein so großes Interesse daran, das moralisch eins zu eins anzuprangern.“ Jener Song zeigt aber auch: In dieser eleganten und textlich eher trübsinnigen Musik gibt es ebenso Humor und Witz.
Außerdem hat die Band bei den Aufnahmen anscheinend sehr viel Spaß. Bei der Arbeit am Album gingen die sechs Musiker:innen gezielter vor als bei der ersten EP. Forster, der Grundgerüste an der Gitarre oder am Klavier erarbeitet, sagt über den Arbeitsprozess: „Ich bringe schon einmal ein Skelett mit“. Das heißt: Im Proberaum geht es dann erst los, die Musik wird gepimpt und ordentlich ausstaffiert: „Unser gemeinsamer Fokus liegt natürlich auf dem Arrangement. Das macht die Musik nochmal reichhaltiger und vielschichtiger. Uns allen ist das musikalisch auch sehr wichtig, dass die Musik trotz der Textlastigkeit einen großen Raum hat. Das findet viel in der gemeinsamen Arbeit statt: Hier werden die Streicher-Arrangements richtig ausgeschrieben, bei diesem Album kam hier viel von Annegret (Anmerkung: Annegret Enderle, die Violine spielt).“
Das Finale der Platte bestreitet das Chanson „Hilde“ mit Streichern und Piano-Pop: eine subtile Anspielung auf Hildegard Knef und eine kleine Lektion in Sachen Glück. Das hatte auch die Band: Der Schlagzeuger Paul-Jakob Dinkelacker und der Bassist Valentin Link hatten zwar an der gleichen Jazz-Hochschule studiert, aber nichts miteinander zu tun. Zufällig haben sie sich dann erst bei der ersten Probe von Hotel Rimini richtig kennengelernt. „Allein unter Möbeln“, aber gemeinsam im Proberaum: Dieses Album ist ein kleiner Glücksfall und ohne Einschränkung empfehlenswert.
Hotel Rimini sind: Julius Forster, Paul Pötsch, Annegret Enderle, Paula Schieferecke, Paul-Jakob Dinkelacker und Valentin Link.