Ásgeir „Bury the Moon“ / „Sátt“
Ásgeir
„Bury the Moon“ / „Sátt“
(One Little Indian / Embassy Of Music)
Do you recall the things
That used to give us joy?
When our imagination
Could take us anywhere,
Appearing in my mind now
Pictures from the past.
Island. Dafür, dass wohl nur die wenigsten von uns die Insel im hohen Norden tatsächlich schon einmal besucht haben, ist das Kopfkino, das dieses Wort auslöst, erstaunlich bunt. Die Landschaften, die heißen Quellen und Geysire, die Polarlichter, Vulkane, Ponys, Wikinger, Elfen, Trolle und Björk, alle Klischees sind sofort parat. Und auch wenn Ásgeir uns die schönste aller Illusionen gleich wieder raubt („Manche Leute denken, jeder Isländer glaubt an Elfen und Trolle. Ich nicht“) kommt ihm die Faszination für seine Heimat im Rest der Welt natürlich zugute. Wohl kaum ein anderes Land Europas strahlt diese Ursprünglichkeit und Magie aus, kaum ein Prädikat lässt Musik-Nerds so aufhorchen wie der Hinweis „kommt aus Island“ und kaum eine Sprache klingt so märchenhaft fremd. Dass Ásgeir auch sein aktuelles, drittes Studioalbum „Bury the Moon“ also ein paar Tage zuvor unter dem Titel „Sátt“ auf isländisch veröffentlicht hat, dient wahrscheinlich nicht nur der Identitätswahrung des Künstlers.
Ásgeir Trausti Einarsson wurde 1992 im winzigen Dörfchen Laugarbakki geboren. Eine Biografie, die er mit nur rund 50 Zeitgenossen auf der Welt teilt; Ruhe und Abgeschiedenheit sind also für ihn nichts Neues. So konsequent wie zur Arbeit an diesem Album wird die Einsamkeit allerdings wohl selbst in dieser Ecke der Welt nicht oft zelebriert. Einen ganzen Winter lang zog Ásgeir sich nach einer gerade gescheiterten Beziehung zum Schreiben in eine abgelegenen Hütte im Hinterland zurück, ausgestattet nur mit dem Allernötigsten: Seinen Gedanken, einem Keyboard und einer Gitarre.
Das Ergebnis liegt nun vor. „Unaufgeregt“ beschreibt sowohl Künstler als auch Album. Ásgeir hat die Gabe mit minimalem Einsatz maximale Gefühle zu erzeugen, doch dabei nie verhuscht zu wirken. So sind die zurückgenommenen Momente wie im Song „Eventide“ dann auch die stärksten. Doch Reduktion bedeutet nicht Monotonie, Ásgeir hat ein wahrlich goldenes Händchen für große, sehnsuchtsvolle Melodien und stürzt sich hier und da mit Verve in die Vollen. Dann verdichtet sich sein subtiler Folk zu einem mit R’n’B und Electronica angedickten Breitwandsound und malt wunderbare Bilder in satten Farben: „Youth“ schwingt sich nach sprödem Intro mit warmen Bläsersätzen und Mandoline auf zu einer echten Hymne.
Das bleibt nicht ohne Wirkung. Nach einer Runde Ásgeir begegnet man dem restlichen Tag mit einem gelassenen Schulterzucken und mildem Lächeln. Das passt bei aller Melancholie auch besser zu ihm als die im Zuge dieses Releases medial verbreitete Story von der Isolation als Selbsttherapie. Denn auch wenn die Songs thematisch um Verlust und Rückzug kreisen spricht aus ihnen stets die Zuversicht und der unumstößliche Glaube an das Schöne im Leben. Für diesen emotionalen Spagat muss man es wahrscheinlich tatsächlich ziemlich gut eine lange Zeit mit sich allein aushalten und sich auf das Wesentliche besinnen. „Gib dem Song, was er braucht, und nicht mehr“, beschreibt Ásgeir seine Arbeitsweise. mit „Bury the Moon“ hat er dieses Ziel erreicht. Es wurde ein intimes, sehr persönliches Album, schön schlicht und schlicht schön. Es vertont eine sehr simple, oft erzählte aber nicht minder wahre Einsicht: Am nächsten Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus. Manchmal braucht man ja wirklich nicht mehr.
Ásgeir live:
15. Februar / Genf, Alhambra
28. Februar / Hamburg, Mojo Club
29. Februar / Berlin, UdK Konzertsaal
20. April / Darmstadt, Central Station
22. April / Köln, Gloria
23. April / München, Muffahalle
24. April / Leipzig, Täubchenthal