Eiko Ishibashi „Antigone“
Eiko Ishibashi
„Antigone“
(Drag City)
Die Antigone, Tochter von Ödipus, dem König von Theben – den deutschen Schüler:innen durch das gleichnamige Buch von Sophokles bestens aus dem Deutschunterricht bekannt – setzt sich in der griechischen Mythologie dafür ein, dass kein Gesetz erlassen werden darf, das gegen den Willen und die Richtlinien der Götter verstößt. Der Gerechtigkeitssinn ist bereits im Namen verankert: gegenteiliger Meinung.
Wenn Eiko Ishibashi ihr neues Album nun „Antigone“ betitelt und mit dem Hinweis veröffentlicht, es seien Songs aus dem Inneren ihres Kopfes, Songs, in denen sie die Schrecken verarbeite, in die sie die sich derzeit so drastisch verändernde Realität versetzt, so erscheint das absolut passend. Einerseits zu ihrer Künstlerpersona, die davon geprägt ist, keine Kompromisse zu machen und beständig einen eigenständigen Weg zu gehen, andererseits zu den nachdenklichen Themen, die sie mit ihrer Musik transportiert. Was gleichermaßen für die mehrfach ausgezeichneten Soundtrackarbeiten zu Filmen wie „Drive my car“ und „Evil Does Not Exist“ (beides Filme von Ryusuke Hamaguch) als auch ihre Soloalben gilt.
Und so kann man „October“, das erste Stück des neuen Albums, durchaus als Song über die Oktoberrevolution in Russland im Jahr 1917 lesen, also die gewaltsame Machtübernahme durch die kommunistischen Bolschewiki unter Führung Wladimir Leni aufgreifend – und natürlich bringt man das sofort mit den aktuellen Entwicklungen in den USA nach der Wahl zusammen, die die Welt so nachhaltig erschüttern:
„Demolish in June / The columns rise up / Ashes fall in August / in October / the blood shines / in October“.
Die anderen Songs tragen ebenso zeitdiagnostisch nihilistisch deutbare, Referenzreiche Titel wie „Coma“, „Trial“ und „Continuous Contiguous“. Und dennoch hinterlassen einen die acht Stücke auf „Antigone“ nicht resigniert. Was zum einen an der einnehmend grau temperierten Stimmung liegt, mit der Ishibashi über die orchestralen Kompositionen singt, zum anderen an der aufwühlend-stimulierenden Wirkung der Songs, die Ishibashi zusammen mit Tatsuhisa Yamamoto, Marty Holoubek, Kalle Moberg, ermhoi, Joe Talia und Jim O’Rourke eingespielt hat, eine faszinierende Fusion aus Jazz, frühen J-Pop, später Kammermusik und Musique Concrète.