Beirut „Gallipolli“ (4AD)
Beirut
„Gallipolli“
(4AD)
Der Musik von Zach Condon haftet seit jeher eine nachdenklich-melancholische, ja geradezu depressive Grundstimmung an. In Worte gekleidet und mit Interpretationen ausgeschmückt führte dies in der Vergangenheit oft zu einer Kontextualisierung, in der es um Osteuropa und Zirkus ging und an Klischees nicht mangelte.
Und ja, folgt man nur den Harmonien und Melodien, so mag es dafür durchaus eine Basis geben, aber letztlich zeichnet Condon doch primär das Bild einer Landschaft, die herzlich wenig mit der Geografie unserer realen Welt zu tun hat, auch wenn er sich von Anfang an oberflächlich so ausufernd bei dieser bedient hat (vom Bandnamen bis hin zu diversen Veröffentlichungstitel wie “Pompeii”, “Gibraltar”), sondern das einer Reise in sein Inneres.
Und so verstört es erstmal nicht, dass das erste Stück des fünften Albums von Zach Condon den Titel „When I Die“ trägt. Man sieht Condon sofort in einem karg eingerichteten Schreibzimmer mit großen Fenster sitzen, bei dem es keinen Unterschied macht, ob davor eine blühende Landschaft oder karge Wüste liegt, um seine letzten Worte und Noten mit einem müde gewordenen Bleistift auf Papier zu notieren.
Doch schnell wird klar, „Gallipoli“ wehrt sich gegen eine weitere Auflage einer solchen idiosynkratischen Lesart von Condons Songs und Lebenswelt. Wohl da diese zuletzt eine drastische Neuanordnung erlebt hat mit seinem Umzug nach Berlin, einer intensiven Kolloboration mit Mouse on Mars und seiner Entscheidung, das neue Album nicht mehr in Amerika sondern in Italien aufzunehmen.
Der Albumtitel verweist auf eine Festungsinsel vor der Küste Italiens, auf die Zach Condon und seine Band während der Aufnahmen einen Ausflug gemacht haben, festgehalten im festlich beschwingten Titelsong, der die Resignation der Isolation in einen zarten Zustand des Optimismus überführt, da es ihm gelingt alle negativen Schwingungen auszufaden und sich wieder frei zu machen für die Geheimnisse, die das Leben noch bereit zu halten offeriert.
Das Album endet zwar mit „We Never Lived Here“ und „Fin“, aber das kann einen auch nicht mehr runterziehen, denn statt des angekündigten Schlussstriches wirkt „Gallipoli“ wie die dezente Andeutung eines Neuanfang. Man darf gespannt sein, ob er sich diesen Weg zu gehen letztlich wirklich mit dem nächsten Album traut – was möglich ist an experimentellem Umgang mit seiner Stimme hat ja zuletzt Zusammenarbeit mit Mouse on Mars für deren fantastisches Album “Parastrophics” gezeigt.
Thomas Venker
Mehr zu Beirut im Mitschnitt der “Soundcheck”-Sendung auf Radio Eins vom 1.2.2019, in der Nadine Lange, Torsten Groß, Andreas Borcholte und Thomas Venker über das neue Album von Beirut (und jene von Jungstötter, Boy Harsher und The Specials) diskutierten.