Piroshka “Brickbat” (Bella Union)
Piroshka
“Brickbat”
(Bella Union)
Piros(ch)ka ist das ungarische Wort für Rotkäppchen – und war in den Neunzigern Spitz- und Kosename für Lush-Gitarristin und -Sängerin Miki Berenyi. Die Neunziger sind lange vorbei, Mikis Haare leuchten inzwischen nicht mehr feuerrot und eigentlich wollte sie außer den (wenigen, aber heftig gefeierten) Lush-Reunion-Konzerten nichts mehr mit dem Popgeschäft zu tun haben.
Tja, eigentlich: nach einem der besagten Lush-Auftritte im Jahr 2015 fragte Ex-Elastica-und-nun-Lush-Drummer Justin Welch Miki, ob sie nicht Lust auf etwas anderes hätte, eine neue Band zum Beispiel… bald kam eins zum anderen: Mikis Gatte KJ Killop (alias Moose) und Mick Conroy von Modern English gesellten sich dazu, und schwuppdiwupp war die Britpop-Supergroup Piroshka fertig.
Aber, Obacht: Piroshka sind – trotz aller hörbaren Referenzen – kein Nostalgieprojekt, trotz unerkennbarer 4AD-Covergestaltung. Die Bandmitglieder bringen natürlich einiges an popkulturellem Erbe mit, angefangen bei Lushs ätherischen Shoegaze-Appeal bis zu Elasticas High-Energy-Gitarrenpop. Piroshka sind aber vor allem eine eigenständige Band mit politischem Bewusstsein, was sich in fast allen Songs ausdrückt, ob im Opener „This must be Bedlam“, in dem Piroshka das Pre-Brexit-Großbritannien zum Irrenhaus erklären oder im poppigen Mitsing-Hit „Hated by the powers that be“.
Der Albumtitel „Brickbat“ steht in schöner Direktheit für einen Backstein als Wurfgeschoss – damit war nicht unbedingt zu rechnen, denn die im November veröffentlichte Single „Everlastingly Yours“ klang mit den schwebend-hymnischen Vocals und twangenden Gitarren eher wie ein verschollener Song von Lush. Ein vielversprechender Appetizer, aber eben noch nicht das komplette Album, auf dem sich die vier Piroshkas auch musikalisch einiges gönnen: Jazz-Elemente zum Beispiel („Village of the Damned“), clubbige Elektronik („Never enough“) oder Pop im Geiste St. Etiennes oder Stereolabs. Aus dem Gitarrensound und Mikis unverwechselbarer Stimme bildet sich die Struktur, die alle Experimente möglich machen, ohne dass das Album zerfällt. Vielmehr wünscht man sich sehr, dass Miki Berenyi auch künftig Lust zum Musikmachen hat, Haarfarbe egal.