Record of the Week

Lanterns On The Lake „Spook The Herk“ (Bella Union)

Lanterns On The Lake
„Spook The Herk“
(Bella Union)
Ganz so einfach ist es nicht: Turbulente Zeiten, ja, echte Turbulenzen, in die wir alle geraten, verlangen anti-turbulente Haltungen und eben solche Musik.

Das bedeutet nun nicht Stillstand oder Konservatismus, sondern Gelassenheit, Reflexion und die Fähigkeit sich aus der (eigenen) Mitte den Emotionen hingeben. Die Arme weit ausbreiten und sich verneigen vor all denen, die angeschlagen sind oder gehen.
Lanterns On The Lake aus Newcastle verklanglichen derartige Gedanken und Gefühle auf ihrem vierten Album. Ein Song wie „When It All Comes True“ schreit einem widersprüchlich flüsternd (getragen von Stimme und Lyrics von Hazel Wilde) zu:  „Nichts wird gut, alles wird gut!“ Unüberhörbar klingen die verzerrten oder verrutschten Gitarren in ihrer lawinenartigen Hymnenhaftigkeit und dem unpeinlichen Pathos immer wieder nach Sigur Rós, den neben den Jacobites wohl größten Heulern der Popmusikgeschichte. Aber während Sudden und Kusworth (Jacobites) verweht in der süddeutschen Gosse oder einem imaginiert-hyperromantischen Frankreich weinten, dröhnten die Isländer über den weiten atlantischen Ozean.

Lanterns On The Lake hingegen sind in Sachen Shoegaze weder Gosse noch Atlantik, heulen auch nicht, sondern tönen eher leicht blumig in der Nähe der Cowboy Junkies, Daughter, Mazzy Star, Slowdive oder Transient Waves, stets näher an Americana und Glam Folk als an feedbacklastigen Dream Pop – man höre etwa die kleinen Indie-Märsche „Blue Screen Beams“ oder „This Is Not A Drill“. Wobei Feedbacks hier schon sehr gezielt, dosiert und dennoch nicht gewollt eingesetzt werden, wie beim Outro „A Fitting End“.

Hazel Wilde selbst ist die Band als durchaus isolierte Insel wichtig, so sagt sie, und nicht so sehr sind es die Referenzen. Ein Klassiker der Popdiskurse, keine Referenzen, keine Schubladen bitte. Allerdings sind letztere hier nunmehr auch nur als Höreindruck des Beschreibenden gemeint, die bei der Einordnung seitens der Lesenden helfen sollen. Ob die genannten wichtigen Bands auch für die Lanterns nun wirklich wichtig waren oder sind, ich kann es mir schwer nicht vorstellen. Auch wenn Wilde selbst den kreativen Produktionsprozess als eher abgeschottet beschreibt. Sie spricht davon, dass sich die anderen vier Bandmitglieder die von ihr entworfenen Songs vornehmen und einen Weg zwischen Intimität, Reduktion (etwa auf „Secrets & Medicine“ und  „A Fitting End“) und bescheidenem Bombast suchen. Wobei „Before They Excavate“ heraus sticht, der Song knallt uns bedrohlich-tröstend oder tröstend-bedrohlich, je nach Perspektive, das In-Flammen-Aufgehen unserer Mutter Erde sanft vor den Pop-erfahrenen Bug.

Der Einstieg in den Lantern’schen Sog fällt leicht, da die Band einen auf allen Ebenen anzieht und Anschlüsse ermöglicht, oder zumindest die Möglichkeiten dafür. Sehr, sehr schön, das. Und jetzt mal wieder die Vorhänge öffnen und die Sonne weiter reinlassen.

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