Record of the Week

Friends of Gas „Kein Wetter“


Friends of Gas
„Kein Wetter“

(Staatsakt)

“Wir schaffen das im Team mit Dir. Ganz ehrlich, lieber schneide ich mir die Hände ab. So ist kein Mensch. Kein Mensch ist so.”

So raunte Friends Of Gas-Sängerin Nina Walser gemeinsam mit Patrick Wagner auf der Gewalt-Single „Kein Mensch“. Da brauchte es keine Ausrufzeichen mehr, um nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. Mindestens ebenso erinnerungswürdig ist Walsers Performanz auf dem Song „Kalter Apparat“ von der phantastischen 2019er Friends Of Gas E.P. „Carrara“, ein Song, der in seiner dunklen Morbidität an den Gothic Punk-Klassiker „Bela Lugosi’s Dead“ von Bauhaus erinnerte. Wobei Walser gänzlich anders singt als einst Peter Murphy. Obwohl, Moment mal: Kälte, Anti-Euphorie und Schattengewächshaftigkeit ähneln sich dann doch.

Friends of Gas aus München haben 2016 mit „Fatal schwach“ ein außerordentlich starkes Debüt in den postpunkigen, noise-rockigen Pop-Raum geschleudert. Da lag es sperrig, schlecht gelaunt und abstinkend zwischen Bands wie eben Gewalt, Candelilla, Die Nerven, Messer, Karies oder Die Heiterkeit, irgendwie genauso kräftig und doch positiv fieser, schräger als jene.
Walser kann die Vergleiche sicherlich kaum noch hören, aber Stimme und Gesang klagen für mich auf dem höchsten Niveau nahe bei der ewigen Thalia Zedek (Uzi, Live Skull, Come, E) und versprühen manchmal im wahrsten Sinn des Wortes einen Hauch Kim Gordon. Immer weiter – nur hektischer, schneller und weniger bluesig. Nicht zu vergessen und nur nebenbei: auf Deutsch. Wie cool, ähm, kühl, dass das geht, Anti-Traditionen irgendwie denn doch auch wiederum brechend und mitreißend weiterführt und so schwarz-metallisch glänzend gegenüber nicht nur deutschsprachiger Scheiß-Seichtigkeit schimmert.

Friends of Gas (Photo: Fabian Beger)

Man höre nur ein Stück wie das sich ausbreitende „Waldbrand”, um zu verstehen wie verblüffend hier mir Sprache umgegangen wird.  Trotz eingesprengselten englischen Brocken (‚a spell of bad weather‘) legen Friends of Gas den Charakter der deutschen Sprache offen und nutzen ihn brutal pointiert, wobei auch dem gleich wieder auf „Abwasser“ ein Abgesang gegönnt wird: In verbaler Sprache gegen verbale Sprache.

Die Band tut ihr übriges. Was wesentlich ist. Überhaupt ist hier nichts Unwesentliches zu entdecken, ob in zwei („Blaiberg“) oder zehn Minuten („Selber keine“). Die Produktion durch Olaf O.P.A.L. ist wesentlich für die krachende, klirrende Konzentration von „Kein Wetter“. Immer wieder werden Negation und Zerfall als produktives Paar gelesen, wie beispielsweise in dem Song „Felder”: Call it „Warten gegen die Gegenwart“. Oder auch auf „Schrumpfen”, wo es heißt „Kapital oder Kapitulieren“ – Kapital kommt von Kapitulieren, Pulsieren kommt von Unruhe, Explodieren von Pulsieren. Der einstige Grauschleier über der Stadt wird zur grauen Luft und zum wiederholten Schwindel. Wer steht nicht gerne ausgeschlafen auf, doch meistens kommt es anders in dieser manchmal stechpalmenwaldhaften Welt.

Support Kaput

„Kein Wetter“ liefert mehr als den Soundtrack zu all dem. Denn kein Wetter ist schlechter als schlechtes Wetter. There is a thin line between Zerfall und Zufall.

Ich will die endlich live hören und sehen! Virus, verpiss Dich, Idioten, verschwindet gleich mit! Kommt nicht zu Friends of Gas! Das wird Euch nicht gefallen! No chance!
Christoph Jacke

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Friends of Gas sind ab 3. September auf großer Tournee – so denn Corona es zulässt. 
Alle dates finden sich auf der Seite ihrer Booking Agentur dq agency 

 

 

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