Autechre „elseq 1-5“
Autechre
„elseq 1-5“
(Warp)
Es ist ja nicht so, dass nicht bereits ein reguläres Autechre Album den Rezensenten vor eine beachtliche Herausforderung stellen würde. Mit „elseq 1-5“ übertreffen sich Rob Brown und Sean Booth jedoch nochmals, ihr zwölftes Album trägt ganze fünf Einzelalben in sich – wer wollte, konnte diese Gigantomanie bereits erahnen, nachdem sie zuletzt mit „Exai” zunächst ein Doppelabum und im Anschluss etliche mehrstündige Livesets veröffentlicht hatten.
Vor einigen Tagen diskutierte ich mit jemanden, der sehr viel mehr als ich von Musiksoftware und –hardware versteht (was nicht schwer ist) über „elseq 1-5“, und zwar unter der Grundprämisse, ob man das hierfür generierte Material noch als Musik bezeichnen könne oder ob eine Zuschreibung, die auf Klang hinausläuft nicht passender wäre. Der Hintergrund der Fragestellung bildet die Arbeitsweise von Autechre. Der ursprüngliche Sound, sei es nun eingespieltes Material, selbstgesampeltes oder eine sonstige Klangquelle spiele bei ihnen ja kaum eine Rolle, die beiden jagen diesen ja sowieso durch hunderte von Geräte, Filter und Effekte – früher in anolgen Equipment-Ketten, seit einigen Jahren nun bereits über das Programm Max/MSP, das Musiksoftware mit Geometrie kreuzt.
Den Musikerstatus will ich Autechre aber auf keinen Fall absprechen, denn der Prozess, der irgendwann den ganzen Nerdwahnsinn an Bearbeitungen zum Stoppen bringt, speist sich aus ihrem einzigartigen Gefühl für Rhythmik, Flächen, Stimmungen und Spannungsbögen (hiervon zeugen auf „elseq 1-5” die vielen sehr lange Stücke). Autechre waren schon immer die Doppel-Mozarts im Warp-Label-Universum mit ihrer einzigartigen Kombination aus hoch komplexen HipHop Beats, düsterem Dub Vibe, avantgardistischer Klangforschung und einer Deepness, wie sie die meisten Deep House Acts nie zu fühlen in der Lage sein werden.
Wie sie das alles hinbekommen, es ist mir auch nach den Ausführungen meines Diskussionspartners weiterhin ein Rätsel, und das ist auch gut so, ich will mir die Magie doch gar nicht kaputt erklären lassen.
Das erstaunlichste an „elseq 1-5” ist übrigens, dass das Album seine Spannung nie verliert, im Gegenteil, man steigert sich beim Hören in einer derartigen Rausch hinein, dass man Ende des mehr als vierstündigen Marathons sofort wieder auf Play drückt – kein Witz!
„elseq 1-5” gibt es übrigens nur noch als digital download und im Stream: das Ende des Artefakts ist gekommen!
Thomas Venker