Record of the Week

Slapp Happy “Sort Of” / “Acnalbasac Noom”

Slapp Happy
“Sort Of” / “Acnalbasac Noom”
(Tapete Records)

Slapp Happy gründeten sich 1972 in Hamburg und bestanden aus Peter Blegvad, Dagmar Krause und Anthony Moore. Bei den beiden hier vorliegenden Alben handelt es sich um Reissues der ersten beiden LPs, die die Band einspielte. Im Fall von “Acnalbasac Noom” gestaltet sich die chronologische Zuordnung etwas kompliziert, weil das Album in zwei Versionen existiert. Im Jahre 1973 aufgenommen als „Casablanca Moon“, wurde die LP von Polydor, der damaligen Plattenfirma der Band, abgelehnt. Daraufhin wechselten Slapp Happy zu Virgin, wo das Album noch einmal neu eingespielt und 1974 unter dem Titel „Slapp Happy“ veröffentlicht wurde. Die usprüngliche Version erschien schließlich 1980 auf Recommended Records und wird nun dankenswerterweise von Tapete Records wieder zugänglich gemacht.

Während das 1972 veröffentlichte Debüt-Album noch zwischen herkömmlicher Rock-Idiomatik und exzentrischen Exotismen oszilliert, zeichnet sich „Acnalbasac Noom“ („Casablanca Moon“ rückwärts) durch eine gesteigerte konzeptuelle Geschlossenheit aus. „Sort Of“ ist immer dann gut, wenn der tendenziell traditionelle Rock-Gesten reproduzierende männliche Gesang abgelöst wird durch die klare, disziplinierte Stimme Dagmar Krauses. Insbesondere das perlend-elegante „Blue Flower“ und das mit subtilen Bläsern instrumentierte Duett „Small Hands Of Stone“ können als gelungene Beispiele eines Stils gelten, der subjektzentrierte Sentimentalität filtert durch die Ahnung einer neuen Musik, die die alten Emotionalisierungscodes verabschiedet.

Auf „Acnalbasac Noom“ gelangt die Suspendierung des Ichs als Ort der Leiderfahrung zur vollen Entfaltung. Gesungen wird stattdessen über Figuren und Situationen, zu denen sich eine ironische Distanz aufbauen lässt. Die skurril-tragische Geschichte des verbrannten Agenten, in dessen Schnurrbart sich Kokainspuren abzeichnen („Casablanca Moon“) oder der Song über Zwillinge, der Fragen zur Identität formuliert („Charlie’n Charlie“), sind in dieser Hinsicht exemplarisch.
Dazu passt eine Neuausrichtung der Musik, die sich emanzipiert von Natürlichkeit anzeigenden E-Gitarren zugunsten von Klavierarrangements, deren Stärke darin liegt, gleichzeitig verspielt und akademisch zu wirken. Indem Slapp Happy musikalische Modelle zwischen aufgecamptem Kurt Weill, verfremdeten Show Tunes und Chanson unter dem Vorzeichen von Canterbury-Scene-Spleenigkeit adaptieren, bewegen sie sich durchgängig auf einer Meta-Ebene, die Musik immer schon als referenziell in Szene setzt. Die Lieder verhandeln Figuren, nicht Personen. Alles ist bewusst zeichenhaft organisiert, und dadurch wohnt den Liedern eine angenehme Ausgeglichenheit inne, die emotional nie ausufert, aber anderseits auch an keiner Stelle explizit unterkühlt anmutet. Die Musik ist nicht zuletzt in dem Sinne ausbalanciert, dass sie ihre melodiöse Leichtigkeit wiederholt gegen bewusst eingeschleuste Seltsamkeit ausspielt.

Vor diesem Hintergrund lassen sich Slapp Happy als Proto-New-Wave-Band klassifizieren, die die in den frühen 80ern von Bands wie Family Fodder oder Antena verbreitete Ästhetik um einige Jahre vorweg genommen haben. Was hier sehr anschaulich auf den Punkt gebracht wird, ist die Realisation des Gedankens, dass Musik mit einem experimentellen, theoretischen Ansatz keineswegs damit einhergehen muss, schwer hörbar zu sein. In dieser Hinsicht ist „Acnalbasac Noom“ (und mit Abstrichen auch „Sort Of“) eine echte Entdeckung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Slapp Happy treten am kommenden Samstag, den 26. November beim Week-End Festival in Köln an der Seite von faUSt  (der norddeutschen Absplitterung von Faust) auf. 

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