The Field „The Follower“
The Field
„The Follower“
(Kompakt)
Das schönste Kompliment gleich zu Beginn: „The Follower“ fühlt sich als das The Field Album an, auf das wir so lange gewartet haben. Was natürlich Blödsinn ist. Schließlich ist es nicht nur bereits das fünfte Album, das Axel Willner unter dem Imprint The Field auf Kompakt veröffentlicht, es war auch – bei aller Unterschiedlichkeit, die seine Arbeiten seit dem Debüt „From Here We Go Sublime“ in den letzten neun Jahren kennzeichnete –, so, dass die narrative Führung von dem einen zum nächsten stets so einfühlsam angelegt war, dass man nun kaum von einer einen derartigen Superlativ rechtfertigen Überraschung sprechen könnte angesichts des Ortes und Sounds, an dem man angekommen ist. Alles war bereits in den Anfängen angelegt – und doch gelingt es „The Follower” seine Vorgeschichte mit hypnotischer Geste aus unserem Gedächnis zu streichen.
Es ist viel darüber geschrieben worden, dass neben der akademischen Musikausbildung ein wesentlicher, wenn nicht gar der wesentliche Einfluss von Willner in seiner Sozialisation mit Punkrock und Indierock und den aus diesen Verlauflinien resultierenden elektronischen Ansatzpunkten liegt. Das klang immer so plausibel, da seine Idee von elektronischer Musik viel mit Repitation und Schichtung zu tun hat, man also schön eine Analogie zu, sagen wir mal Shoegaze und einer Band wie My Bloody Valentine konstruieren kann. Und ja, das mag auf den früheren Alben bedingt auch so gegolten haben, nicht zuletzt da er für die Liveumsetzung und später auch die Aufnahmen mit Bandkonstellationen für The Field flirtete.
Mit „The Follower“ ist Willner nun aber im Post-Sozialisations-Stadium angekommen. Denn anders als bei den früheren The Field Alben und auch bei seinen diversen an Warp-Bleeps und Indie-IDM geschulten Projekten wie Porte, Cordouan oder Lars Blek, ist „The Follower“ vor allem durch seine explizit autosensitive Stimmung gekennzeichnet. Willner folgt hier, um den Titel des Albums ins Spiel zukommen, niemand anderem mehr: es sind die eigenen Geister, die ihn im Guten wie im Schlechten umgeben, ihn streicheln und drängen. Wobei die Ambivalenz dieser Aussage der Tatsache geschuldet ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob es sich bei dem Zustand, in den „The Follower“ einen – gerade wegen seiner Selbstreferenzialität – versetzt, nun um eine Verlockung des Teufels (im Prefab Sproutschen Geiste) oder eine zärtliche Einladungsgeste ohne Hintergedanken handelt.
Ich fühlte mich beim Hören jedenfalls zunächst erinnert an einen Besuch im Dream House im New Yorker Viertel TriBeCa (275 Church Street), wo La Monte Young und Marian Zazeela im dritten Stock eine gepufferte Gegenrealität zur hektischen Metropole vor der Tür entworfen haben. Man sackt zur Youngschen Ambient-Drone-Musik in den einen sanft erwartenden metertief anmutenden Flokati Teppich, und würde man nicht um 24 Uhr gebeten, das Haus bis zur Wiedereröffnung am nächsten Morgen zu verlassen, ich würde wohl noch heute dort liegen, vergessen von der Welt da draußen und zufrieden mit mir und diesem Gefühl des Angekommenseins.
So geht es mir auch mit „The Follower“. Das Album birgt die Gefahr des Daraufhängenbleibens, so verlockend ist der Sog dieser Musik. Das nährt zugleich Ängste, ist doch nichts abstoßender auf Dauer als das statische Gefühl des perfekten Ortes, die Negation allen Lebendigens sozusagen.
Doch es darf Entwarnung gegeben werden. Es besteht kein Anlass für Code Red. Willner ist ein Zauberer, er spielt mit unserer Wahrnehmung. Während wir in diesem Zustand sanftester Umhüllung tatsächlich daran denken, uns auf der Stelle für immer niederzulassen, nimmt er uns unbemerkt immer tiefer mit in dieses Haus, das nicht unseres sondern seines ist. Bis man plötzlich realisiert, dass dieses gar nicht die begrenzte Übersichtlichkeit eines Dream House besitzt, die man so sicher gesehen und gefühlt hatte, sondern viel eher die unbegreifliche Architektur eines Gebildes ohne Grenzen, wie man es beispielsweise aus Mark Z. Danielewskis fantastischen Roman „Das Haus“ („House of Leaves“) kennt.
Doch während sich der Familienvater in diesem peu a peu verliert in der Unendlichkeit seines Eigenheims, und sich damit einhergehend die Bindung zu seiner Familie auflöst, rückt man Willner und seiner Musik mit jedem weiteren Zimmer nur noch näher: mit magischer Hand nimmt er dem Layrinth seine negative Konnontation. Man mag nicht immer verstehen, wohin die eine Tür einen gerade wieder geführt hat, aber was man sicher weiß: für Angst besteht zu keinem Zeitpunkt Anlass. Das Gegenteil ist der Fall: „The Follower“ ist der absolute Anti-Soundtrack zum Zeitgeist des Misstrauens und der Ausgrenzung, es ist ein Album über die Fähigkeit von Musik uns soziale Räume zu schenken, in denen wir alle uns gemeinsam niederlassen können, und wo sozial-gesellschaftliche Zuschreibungen keine Rolle spielen. So gesehen ist „The Follower“ eben doch nicht nur autosensitiv. Die aus sich selbst geschöpften Texturen und Rhythmen zielen ganz gegenteilig auf die größtmögliche, das heißt mit so vielen wie möglich geteilte Körperlichkeit – mit der Konsequenz, dass die kurz aufgeflackerte Angst vor Stillstand und Hängebleiben ad absurdum geführt wird und Freiheit durch Sozialität als Losung der Stunde erklingt.
Thomas Venker