Record of the Week

Arab Strap „I’m Totally Fine With It Don’t Give A Fuck Anymore”

Arab Strap
„I’m Totally Fine With It Don’t Give A Fuck Anymore”
(Rock Action/PIAS/Rough Trade)

Eigentlich kann ich gerade nicht umhin, meine Fassungslosigkeit ob des plötzlichen Tods von Steve Albini zu verarbeiten (sehr angemessen der Nachruf von André Boße in „Zeit online“). Soweit ich das überblicke, sind die expliziten Indie-Schotten von Arab Strap wohl nie von dem Big Black-, Rapeman- und Shellac-Mastermind engineert worden. Gleichwohl scheint ihr Humor ähnlich schwarz, schmerzfrei und krass wie der des messerscharf klirrenden Gitarristen und Anti-Musikindustrie-Steve. Dessen antilegendär-legendäres „Songs about Fucking“ von 1987 wird fourletter-titulierend nunmehr grandios vom neuen, achten Album von Aidan Moffat und Malcom Middleton getoppt. Zumal da ja auch noch das Daumen-hoch-Emoji zwischen „it“ und „don’t“ sowie am Ende nach „anymore“ steht.

Das zweite Album nach der Wiederkehr des meckernden, passiv-aggressiven Insel-Duos ist anders, irgendwie umfassender als das freilich sehr tolle „As Days Get Dark“ aus der Mitte der Pandemie im Frühjahr 2021. Dennoch bleibt Ver- und Zerfall großes Thema. Stets bitter zwinkernd mit verheulten Augen. Während Albini laut übersteuert ironisch allerdings eher heraus schrie und zuckte, murmelt Moffat stets mit seinem unnachahmlichen Akzent diverse Elogen auf die dunklen Lebensaspekte und kauert eher. Stets waren wir vor allem zu Jahrtausendbeginn unsicher, wie lange das noch gut oder schlecht gehen wird. Wobei er dies aktuell relativiert und von einer neuen Phase der Band spricht, in der nicht mehr die Hässlichkeit und Unsicherheit des Jungseins verarbeitet und nach vorne geschaut wird – zynisch freilich. Zwischen Drums, Bollerbass und antiquierten Computerspiel-Ladegeräuschen und AB-Ansagen auf „Summer Season“ marschiert Moffat schlingernd in die wunderbare „Allatonceness“, also Alleszurselbenzeitheit.

Apropos Albini und Noise Rock, Moffat sagt laut Infosheet des Labels: „We’ve earned the right to make some noise.” Und das setzen sie um. Dann marschiert die Drumbox los, wie auf dem für mich unvergesslichen und oft aufgelegten „Cherubs“ aus 1999. „Bliss“ trifft daran angelehnt den leicht verzerrt runter oder an die Decke schauenden Genervtseinblick auf den Punkt: Ist schon OK, interessiert mich nicht mehr. Lasst uns gebückt nach unten schauen oder die Augen geschlossen kreisen lassen.

Jeder Song ein eigener Ansatz und doch alles im wundervoll kaputten Arab Strap-Kosmos. Etwas gesünder, aber noch lange nicht sauber. Middleton erzählt im erwähnten Infosheet, dass es eigentlich eine Reihe von Singles werden sollte, dann aber eben doch durch die Unterschiedlichkeit der Songs nur scheinbar paradox und letztlich konsequent zum Album wurde. Die Sonne scheint, ans Telefon wird nicht gegangen. Stattdessen alleine getrunken. „You’re Not There“ stampft uns grummelig euphorisch in den Grund und Boden. Erfreulich, wie unfröhlich Arab Strap geblieben sind. Dabei haben sie mittlerweile ein richtig großes Indie-Hit-Potenzial und eine dauerhafte Kraft des Zerbrechlichen entwickelt, höre „Haven’t You Heard“ oder fast schon als schleppende Ausgabe der Pet Shop Boys das tolle, fast synthie-pop-hafte „Sociometer Blues“. Arab Strap sind dynamisch, sanft, rau, böse und lieb wie das schöne, beschissene Hin und Her und Dazwischen. Und klingen aus voller Reduktion auf „Well & Safe“ und „Turning Off The Light“. Bei letzterem sollen wir wohl weinend einschlafen, bevor wir rausgerissen werden. Als sei es ihr allerletzter Song. Wenn das denn ginge. Dazwischen „Drag Queen“ mit ekstatisch geradem Beat, der immer wieder stoppt. Schluck. Hat hier irgendwer erzählt, das wäre nun positiv konnotiert und Kopf hochhaltend? Moffat selbst wars. Nun denn.

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