Record of the Week

Britta “Best Of”

Best of Britta Cover digital_smallBritta
“Best Of”
Staatsakt / Caroline International

Britta sind in den 90ern und nuller Jahren irgendwie an mir vorbeigegangen. Wem es auch so geht, erhält nun die Chance, das Versäumte anhand dieser tollen neuen Compilation aufzuarbeiten. Obwohl Britta entschieden als Kollektiv angelegt scheint, ist es doch Christiane Rösingers markante Stimme, an die sich die Wahrnehmung heftet. Wer mit den Lassie Singers (der Band vor Britta) oder dem Solowerk Rösingers vertraut ist, wird nicht überrascht sein, dass die Worte auf einzigartige Weise Resignation und Esprit in eins setzen. Immer wieder geht es um die Frage, wie das Ich sich zu seiner Umgebung verhält. Akzentuiert wird dabei die Beobachtung, dass Zweisamkeit eher nicht funktioniert. Dem entgegen steht das Bandenmodell, das so mitreißend und selbstermächtigend in „Lichtjahre voraus“ besungen wird. Das Verhältnis zwischen der Stimme der Sängerin und der Musik der Band ist in einigen Momenten von cleverer Gegenläufigkeit geprägt: in „Depressiver Tag“ werden die Worte der Verzagtheit aufgefangen von der hymnischen Qualität der Musik, die die Schwere des Inhalts in etwas Leichteres umwandelt, ohne in platten Eskapismus zu münden.
Auf der anderen Seite gibt es die Stücke, deren charmante Schrammeligkeit performativ die mal unterschwellige, mal offene Ziellosigkeit der Songthemen umsetzt. Geschichte wird nicht gemacht, es geht nicht voran. Völlig wertfrei lässt sich an diesem Beispiel, quasi nebenbei, vielleicht auch ein grundlegender Unterschied zwischen Mentalitäten der 80er und 90er / nuller Jahre ablesen.

Die Tendenz zum Anti-Ehrgeiz setzt sich fort in „Büro, Büro“, das das Konzept der Arbeit so amüsant herablassend behandelt, dass es befreiend wirkt. Mit wegwerfend-lapidarer Geste und losgelöst vom Lohnaspekt, wird Arbeit hier als Selbstbetrug entworfen, mit Hilfe dessen die eigene Existenz notdürftig und wenig überzeugend gerechtfertigt wird – wobei diese leicht steife Beschreibung der spielerischen und geistreichen Orientierung des Songs nicht gerecht wird. Hinweisen möchte ich zudem auf den fetzigen Synthie-Einsatz, aber das solltet ihr euch lieber selbst anhören.

Gegen Ende der Platte stehen einige Songs, deren Texte schon ziemlich heavy sind. Aber selbst diesen Liedern ist jeder unangenehme Selbstentblößungsgestus äußerlich. Das liegt daran, dass Intimität immer auch in ihrer Funktion als typisiertes Ausdrucksmittel der Popmusik mit aufgeführt wird. So lässt sich erklären, weshalb Rösinger immer mal wieder ins Englische verfällt, das ja ebenfalls als tradiertes Merkmal des Pop-Narrativs gelten kann. In diesen Momenten ziehen die Texte sich ein bisschen zurück hinter die Topoi der Popmusik, die dafür sorgen, dass das Leben nicht ganz so wehtut. Ein schöner Effekt.
Mario Lasar

Britta live: 

05.10. – Frankfurt, Brotfabrik
06.10. – Köln, Artheater
11.10. – Berlin, Festsaal Kreuzberg
15.10. – München, Unter Deck
16.10. – Leipzig, Werk 2
17.10. – Hamburg, Knust
20.10. – Wien (Österreich), Fluc

 

 

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