Bug vs Earth “Concrete Desert”
Bug vs Earth
“Concrete Desert”
(Ninja Tune)
Es ist so eine Sache mit Erwartungshaltungen, selten kann die Wirklichkeit mit unseren verträumten Hoffnungen mithalten. Das gilt gleichermaßen für den neuen Job, die Liebe, das Urlaubshotel oder eben die Kollaboration von zwei singulär geschätzten Musikern.
Jene, die mit dem Werk von Kevin Martin (The Bug, GOD, Techno Animal) und Dylan Carlson (Earth) vertraut sind, dürfte die Ankündigung eines gemeinsamen Auftritts im Rahmen der 25-Jahre-Feierlichkeiten von Ninja Tunes in Los Angeles und einer daran anschließenden Aufnahmesession jedenfalls in nervöseste Aufgeregtheit versetzt haben.
Machen wir es kurz: “Concret Desert” ist ein fantastisches Album geworden – und zwar da beide sich nicht auf den eigenen Stärken ausruhen (stark verkürzt gesagt: die Bereitschaft Sounds mittels Distortion und Verdichtung zu malträtieren), sondern im Dialog unheimisches Terrain aufsuchen. Und so spielt Rhythmik eine überraschend vielseitigere Rolle auf “Concrete Desert”, nicht nur in der (erwartbar) verschleppt-lavaartigen Form, sondern vor allem verblüffend vital dargeboten – strictly kontextuell gesprochen natürlich.
Los Angeles dient als Handlungsort auf “Concrete Desert”. Und es sind keine schönen Geschichten, die die beiden zu erzählen haben. Das Eröffnungsstück “City Of Fallen Angels” gewährt jenen, die von ihren bereits ordentlich zerschepperten Träumen an der Westküste ausgespuckt werden, wenig Hoffnung – auch hier werden sie keine Versprechen des Lebens eingelöst bekommen. Concrete Desert” ist der Soundtrack über die Leben jener stetig mehr werdenden Menschen, die, ohnehin schon perspektivlos, von der neuen sozialen Ordnung zu steter Mobilität gezwungen werden und dabei doch nie vom Fleck kommen (wie denn auch). Das, was sie in ihrer Kreisbewegung durch die Stadt sehen, ist nicht schön. Denn im Schatten von Hollywood gilt schon lange: “Don’t Walk These Streets”.
Das kann man, wie die beiden es in Interviews zum Album tun, literarisch erden und sich auf J.G. Ballards urbane Dystopien berufen, man kann es aber einfach auch nur als ganz reales Spiegelbild des “Amercian Dream” stehen lassen und im gleichnamigen Stück traurig den Wellen an Venice Beach lauschen. Am Ende stehen wir alle dann zusammen im “Concrete Desert” und fragen uns, wo all die Träume geblieben sind.
Thomas Venker
Eine kürzere Version der Besprechung ist in der Kölner Stadtrevue erschienen.