Chra “Seamons”

Chra
“Seamons”
(editions mego)

Drei Jahre nach ihrem letzten Album „On A Fateful Morning“ gibt es eine neue Platte von Christina Nemec alias Chra. Mit „Seamons“ geht die Wienerin ihren kompromisslosen Weg weiter, schafft dunkle, rohe elektronische Soundscapes, die zu keinem Moment „gefallen“ wollen – denn die Welt kann ein grausamer Ort sein, dessen Zeichen sich nur schwer lesen lassen. Im Opener „Temperature“ etwa schichtet Chra Sprachfetzen über schlingernde Drones, schon in den ersten Sekunden verliert man den Boden unter den Füßen, später, im Track „Vicious Water Regimes“ soll er noch unsicherer werden. Wie in einem Technoclub der tiefsten Unterwelt fühlt man sich, es wummert, stottert und fiept, kein Halt ist möglich, nirgends. Chras Musik ist abstrakt und rätselhaft, es gibt keine strukturierenden Beats oder harmonieversprechenden Melodiebögen.

Aufgenommen wurden die Tracks in Chras geliebtem Wiener Waldviertel, bei ihr Zuhause, auf Kreta, in Flugzeugen und auf Friedhöfen – Field Recordings sozusagen, aber ohne liebliches Vogelgezwitscher beziehungsweise komplett ohne belebte Natur. Hin und wieder dräut ein klassisch-orchestraler Moment, der in flackernder Elektronik verglüht. In „Colonia Maria Serenella“ zum Beispiel spürt man förmlich Rotorblätter dicht über sich dröhnen – als wäre man am Set von „Apocalypse Now“. Auch „Cast (o) ro“ schafft eine filmische Atmosphäre, das Skript entsteht im Kopf:
Woher kommen diese hektischen Schritte? Wer verfolgt wen? Wer sendet Funksignale? Wo sind wir?
Nein, Chra produziert definitiv keine heimelige Ambient-Tapete. Das Titelstiftende Stück „Seamons“ ist so beunruhigend wie progressiv, die Stimmung unheilvoll und angespannt – und damit sehr direkt in der Realität verankert.