Comet Gain “Fireraisers Forever!” (Tapete Records)
Comet Gain
“Fireraisers Forever!”
(Tapete Records)
Auf diesem Album klingt alles nach größter Dringlichkeit. Vor dem Hintergrund einer dramatisierten, häufig übersteuert wirkenden Musik voller Gitarren und Orgeln im roten Bereich ergeht an ein imaginiertes Publikum (und sich selbst) der im Tonfall eines flehenden Befehls vorgetragene Wunsch, das Leben nicht auf den Knien zu verbringen.
Die Texte zählen dabei fortgesetzt Gründe auf, weshalb es schwierig ist, diesem Wunsch nachzukommen.
Einer „nation of chat show chancers / bystanders of disaster / rich tax dodgers / bitter old codgers / trigger happy soldiers” (“Bad Nite At The Mustache”) wird die pathosgesättigte Rhetorik der selbstermächtigten Abgrenzung entgegenformuliert. Wenn sich in besagtem Stück aus der genervten Aufzählung der Insignien des schlechten Lebens der Aufruf „so cauterize the wounds!“ (etwa „Verätzt die Wunden!“) herausschält, fängt auch die Musik an, sich fast schon hymnenhaft über die Banalität gesellschaftlicher Verworfenheit zu erheben – ein ziemlich aufwühlender Effekt.
Comet Gain gelingt es auf flammende Weise, die Idee, dass es ein anderes Leben gibt abseits der Hauptstraße, mit neuem Leben zu erfüllen. Im Zuge des sukzessiven Verschwindens jedweder fortschrittlich ausgerichteten Subkultur wächst der auf diesem Album vertretenen Haltung eine emanzipatorische Wirkung zu, wobei es hier nicht um einen kollektiven Blick geht, sondern um individuelle Beobachtungen, die dennoch Allgemeingültigkeit beanspruchen.
Dabei bieten auch Comet Gain keine Lösungen an. Stattdessen etablieren ihre Gesten gebückter Haltungen und verkrampfter Zerrissenheit (vergleiche die tolle Cover-Gestaltung im punkmäßigen Cut-Up-Stil) eine flatterhafte Diskontinuität, die auch die nichtlineare Art und Weise prägt, wie hier Zeit wahrgenommen wird.
Obwohl der bereits erwähnte Modus der Dringlichkeit alles, was sich materialisiert, mit offensiver Aktualität auflädt, zeigt die Zeile „We were 6Ts in the 8Ts“ (aus „Mid 8Ts“, dem poppigsten Stück der Platte) an, dass die selbstgewählte Desintegration aus der gegebenen Zeit ein diachrones Moment der Diversifizierung von Wirklichkeit freisetzt (jedes Revival opponiert gegen die als hässlich und falsch wahrgenommene Gegenwart). Nicht mit seiner Zeit identisch zu sein, wird allerdings anscheinend von der Biologie eingeholt: „Old mods with bellys and hair like shit“ – muss Selbstbestimmung vor mangelnder Ästhetik Halt machen?
Ohne dies explizit zu benennen, flirtet das Album zaghaft mit „Sterben-vor-dem-Altwerden“-Ansichten, die etwa in dem auf die Biographie Nikki Suddens und Epic Soundtracks bezogenen „The Godfrey Brothers“ als Subtext mitlaufen und das Stück auf diese Weise mit besonderem Rührpotenzial ausstatten.
Das Jonglieren mit heroisch besetzten Figuren („Victor Jara, finally found!“) scheint Comet Gain zudem in die Nähe eines verklärenden Romantizismus zu rücken, der jedoch im Sinne des fortlaufenden Werdens (das die romantische Denkungsart auszeichnet) eine Fluchtlinie konstituiert, die aus dem Gefühl der Abgeschlossenheit und Kodifizierung herausführt. „You could be anyone the next time around […] it’s how we never die“ singen Comet Gain in „Her 33rd Perfect Goodbye“.
Niemals zu sterben, heißt auch, dass der Tod nicht das Ende ist, weil jede Referenz auf das Vergangene immer schon einer Neuaktualisierung, also einer Variation des Ursprungs, gleichkommt (weshalb Nikki Sudden und Epic Soundtracks weiterleben, und sei es als Songtext-Figuren auf diesem Album). Dieses Prinzip der ständigen Rekontextualisierung erklärt nicht zuletzt, dass die auf dem Innersleeve abgedruckten Texte in der gesungenen Version eben nicht eins zu eins wiederholt, sondern variiert werden. Comet Gain haben ein Album gemacht, das ganz im Zeichen von Zuspitzung steht, vorgetragen in einem Habitus, der maximale Unausgeglichenheit als die wahrhaftigste und heilsamste Reaktion auf unsere Zeit erscheinen lässt.