Plastikman & Chilly Gonzales „Consumed in Key”
Plastikman & Chilly Gonzales
„Consumed in Key”
(Turbo Recordings/!K7)
Es schneit auf die blühenden Balkonpflanzen. Kein Aprilscherz. Ganz vieles läuft hier gleichzeitig ab und lässt die eigentlich minimalistischen Spuren nahezu kunterbunt explodieren. Nicht nur die Synopsen glühen und Erinnerungen leuchten. Nein, vielmehr wirbeln die Aktualisierungen im Hier und Jetzt. Pop ist hier. Und jetzt. Super-ambivalent.
Gerade erst entledigte sich ein guter Freund freiwillig seiner Vinylsammlung. Profunde Heuschrecken wurden zum Aussortieren eingeladen. Ich nahm mir „Consumed“ von Plastikman aus 1998 als Dreifach-LP mit. Nicht wegen seines etwaigen Marktwerts oder um sie weiterzuverkaufen. Sondern weil ich eines meiner Jahrhundertalben bewahren möchte und nur die CD besaß. Oh, monsterreduziertes ewiges Inselalbum, du. Schwebender Monolith. Hätte sich Kubrick nicht mal erträumt für „2001: A Space Odyssee 2001“. Absolutes Highlight des Anti-Dancefloor-Dancefloors und der Schattenmusik der langen Berliner und Münsteraner Nächte.
Heute jedenfalls verlustiert sich mit Chilly Gonzales ein weiterer Dauer-Darling nicht nur des Jahrtausendwechsels in Mitte an diesem postmodernen Klassiker. Wie Richie Hawtin jüngst in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ bestätigt, war er selbst eher skeptisch eingestellt zu dieser Fusion, zumal er laut eigener Auskunft im fortgeschrittenen Alter immer mehr zu seinem Pseudonym Plastikman wird und das Original nahezu perfekt findet. Gleichwohl erläutert Hawkin selbst in einer kleinen Doku zum Release die für ihn erkennbaren Schönheiten im Vis-a-Vis aus damals und heute. Gonzales wiederum berichtet darin über seine späte Entdeckung dieses Albums und seiner für ihn faszinierenden ‚SciFi-Jazz-Rhythmen in shuffle time‘, wie es der ehemals sympathisch großmaulig-rappende „King of Berlin Underground“ und simultane Teilzeit-Freund der funkelnden Satie-Zurückgenommenheit beschreibt. Akustische Instrumente wie Flügel und Cello von Melodie-Liebhaber konterkarieren vollendeten Minimal-Techno von Struktur-Maniac. Ohne miteinander zu sprechen.
In seinen poppigsten Momenten, etwa auf den kürzeren „Passage in“ und „Passage out“, hat das etwas Ambientes, Synthetisches und erinnert mich an die großen John Foxx und Brian Eno in deren berühmten Zwiegespaltenheiten zwischen Miniaturen und Hit. Aber letztlich bleibt doch jenseits des Pianos und all der Reflexion und Verzierung vor allem auf unendlichen Biestern wie „Locomotion“, „Contain“ oder „In Side“ nur das ästhetische Pumpen aus dem Keller, das schillernde Dunkel, das abgrundtief verloren Utopische, der unbekannte Club und nicht der Bademantel und die Bilder. Nur dieser basslastige Sound und Rhythmus.
Chillys Transformation von „Consumed“ ist jedenfalls weit komplexer und nachhaltiger als ich zunächst dachte. „Consumed“ von Plastikman steht dennoch für sich, unantastbar, ist ein Bleiber. Kommt mir gelegen. Festhalten. Chilly bleibt auch. Aber anders. Egozentrisch danke ich „in Key“ für mehr als das erneute Wiederentdecken des Originals und seiner mega-minimalistischen Techno-Begleiterscheinungen. Es wird Zeit für ein „Basic Channel“-, Pole-, Gas- und Plastikman-Revival durch jüngere Acts. Schlauer Tanzboden und ersehnter Weltfrieden inklusive.