Record of the Week

Robert Forster “Inferno” (Tapete Records)

Robert Forster
“Inferno”
(Tapete Records)

Robert Forster hat immer wieder betont, wie schwer es ihm falle Songs zu schreiben, mit denen er wirklich hundertprozentig glücklich ist. Wer hohe Qualitätsstandards setzt, benötigt manchmal mehr Zeit. Leonard Cohen gab einst an, an dem heutigen Klassiker „Hallelujah“ fünf Jahre geschrieben zu haben, und Gottfried Benn pflegte zu sagen, dass ein gutes Gedicht an die neun Jahre brauche, um veröffentlichungswürdig zu sein. Gemessen daran lässt sich Robert Forsters Arbeitstempo fast als rasant bezeichnen. „Songs to Play“, sein letztes Album, erschien 2015, und vor zweieinhalb Jahren wurde „Grant & I“ veröffentlicht, die in Forsters Biographie eingewobene Geschichte der Go-Betweens.

Obwohl der Titel des neuen Albums anderes zu suggerieren scheint, paust sich die Tendenz zum langen Atem auch in die Struktur der Songs ein. Das heißt natürlich nicht, Forster würde uns langweilen. Gleichwohl gibt es Momente, in denen die Band sich Zeit lässt, indem sie sich in einen locker gleitenden, semi-akustischen Groove hinein spielt, im Rahmen dessen immer wieder überraschende melodiöse Akzente gesetzt werden. Man denkt hier an gewisse Stücke von Al Stewart, denen die Erlaubnis erteilt wird, auch mal auf sublime Weise abheben zu dürfen. Dies gilt in besonderem Maße für den Eröffnungs- sowie den Abschlusssong, die dem Album in dieser Hinsicht eine Art konzeptuelle Kontur verleihen.

Dazwischen bleibt genug Raum für streetrockartige Übungen in der Sorte urbanem Folk, der gemeinhin mit Bands wie Talking Heads oder Modern Lovers assoziiert wird. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass „No Fame“ ein Velvet-Underground-Zitat zugrundeliegt, wobei der Song, sobald er den Refrain erreicht, diese Referenz schon wieder hinter sich gelassen hat. Die Stimmung legt sich nicht allzu fest, sondern lebt geradezu davon, ständig zu changieren, sei es im Sound, den einen gelungene Balance zwischen elektrisch und akustisch bestimmt, sei es in den Aussagen der Songtexte. Was letzteres angeht, verhalten sich das bereits erwähnte „No Fame“ und das später folgende „Remain“ komplementär zueinander. Während ersteres dafür zu stehen scheint, sich mit Erfolglosigkeit abzufinden, heißt es in letzterem, dass trotz mangelnden Ruhms die „big city dreams“ bleiben. Anschlussmöglichkeiten an Forsters Biographie sind in diesem Zusammenhang nicht ganz von der Hand zu weisen.

Robert Forster schafft es hier, seinen langen Atem in Songs zu übersetzen, die oft von einer ansprechenden Leichtigkeit geprägt sind. Jedes Lied ist einem zugewandt, statt sich in die Innerlichkeit zu flüchten. Selbst ein eher unangenehmes Thema wie die Erderwärmung tritt hier in Gestalt eines leichtfüßigen Rock’n’Roll-Songs in Erscheinung, der ohne jedes Lamento auskommt (vergleiche das Titelstück). Überhaupt ist „Inferno“ über die Maßen unverbittert geraten. Die Texte tendieren zu einem Blick auf die Welt, der nicht wertet, sondern beobachtet und formulieren in dieser Hinsicht das Gegenteil zur Social-Media-Kultur, die genau umgekehrt vorgeht.
Mario Lasar

“Inferno” von Robert Forster auf Bandcamp. 

 

 

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