Down By The River Festival #11 - Everybody knows this is Online

“Die “neue Normalität” war zunächst eine Drohung und dann ein Prozess, der ja immer noch läuft”

Das Down By The River Festival Team: Ran, Heiko, Sebastian und Charlotte (Photo: Albertine Sarges)


Vom 10. bis 21. August findet die elfte Edition des Down By The River Festivals statt – und wer 2020 bis jetzt nicht im Dornröschenschlaf verbracht hat, der ahnt, dass es keine normale Ausgabe des Berliner Festivals sein wird. Oder um es direkt mit den Worten des Veranstalter_innen-Teams aus Charlotte, Heiko, Sebastian und Ran zu sagen: “Everybody knows this is Online”.
Wir haben mit dem DBTRF-Team über ein Jahr der besonderen Herausforderungen gesprochen. 

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Wie habt Ihr denn die neue, Corona-bedingte Ausrichtung des Festivals für den kuratorischen Prozess empfunden? Wo lagen die besonderen Herausforderungen? Welche neuen Möglichkeiten haben sich ergeben?

Das war merkwürdig. 2019 hatten wir ja nach zehn aufeinanderfolgenden Jahren eine Pause gemacht und im März diesen Jahres ging gerade die glühende Phase der Organisation los. Das Booking war fast fertig und wir haben uns auf viel Arbeit in den folgenden Wochen eingestellt. Zu dem Zeitpunkt dachten alle noch, dass die Covid 19-Krise eine Episode sei, die nur ein paar Monate anhielte. Die “neue Normalität” war zunächst eine Drohung und dann ein Prozess, der ja immer noch läuft. Die Verwandlung des DBTR in ein Internet-Ding war zunächst schwer greifbar und fühlt sich für uns immer noch recht seltsam an. Wir mussten komplett umdenken: vieles ist weggefallen, auch viele Mitarbeiter*innen, die uns sonst bei der Verwirklichung der Veranstaltung unterstützt haben. Das Internet hat zwar den Vorteil, dass es von überall abgerufen werden kann – theoretisch können sich das jetzt mehr Menschen ansehen, doch ebenso nicht mehr als das. Das Festival war für uns immer mehr als die reine Präsentation von Musik, das Miteinander – was neben und hinter den Bühnen passiert, die Party und das Aufeinandertreffen von verschiedenen Menschen in einem geschützten Raum findet jetzt nicht oder reduzierter statt. Gleichzeitig haben wir die Hoffnung, dass die Künstler*innen und ihre Arbeit von ganz neuen Leuten wahrgenommen werden können.

Am Anfang stand die Frage: Was machen wir jetzt? Nicht nur für uns, sondern in erster Linie auch für die Künstler*innen. Wir haben in unserem Umfeld gesehen, wie viel Arbeit und Enthusiasmus, die in Releases und geplante Shows gesteckt worden waren, plötzlich verpufften zu nichts. Wir wollten den Künstler*innen einen Anknüpfungspunkt bieten, um neue Motivation und Arbeitstechniken zu finden und sich auch in der Corona-Zeit auszudrücken und zu entwickeln. Einen Startknopf drücken quasi.

Also haben wir uns entschlossen, die zum Zeitpunkt des Lockdowns schon komplett gebuchten Acts zu fragen, ob sie bei der Online-Version unseres elften Festivals dabei wären. Alle haben zugestimmt, was uns sehr gefreut hat. Gemeinsam entwickelten wir mit Ihnen Alternativformate zum herkömmlichen Konzert- (Live-) Stream, da wir davon ausgingen, dass dieses Format nicht im Interesse der Künstler*innen sein wird und vor allem auch nicht auf genügend Feedback bei den Zuschauer*innen treffen würde – wer möchte sich im Hochsommer auf seinem Tablet, Handy oder Rechner ein Konzert anschauen?

In kuratorischer Hinsicht war das für uns schon eine Herausforderung, zumal wir über neue Formate nachdenken mussten, aber auch auf Input seitens der Künstler*innen hofften. Den bekamen wir. Wir glauben, jetzt damit nicht nur unserer Kernkompetenz Ausdruck verliehen zu haben, der Präsentation eines Querschnitts aktueller neuer Musiker*innen (aller Stilrichtungen), sondern auch Anregungen für neue Darstellungsformen im Netz geben zu können.

Selbstverständlich wird der/die eine oder andere Künstler*in auch sein neues Musikvideo präsentieren, was aus unserer Sicht auch legitim ist, denn die Kulturschaffenden brauchen jetzt nichts nötiger als Aufmerksamkeit, auf welchem Weg auch immer. Die nächste große Herausforderung besteht nun darin, Interesse bei den Musikfans zu wecken und auch andere Wege abseits der klassischen Konzertpromotion einzuschlagen.

Mit den Auftragsarbeiten haben wir auch das Ziel erreicht, dass die beteiligten Künstler*innen etwas Nachhaltigeres in der Tasche haben, welches sie auch unabhängig vom Festival nutzen können und das hoffentlich auch noch in Zukunft ein Publikum haben wird. Und wer weiß, vielleicht geht ja das eine oder andere Werk auch viral? Wichtig war für uns auch, dass wir keine Ausfallhonorare zahlen, sondern alle schon gebuchten Acts gleich behandeln und ihnen das gleiche Werkbudget geben – das sind mit zwölf aber auch eine überschaubare Zahl.

 

Wie sieht das auf Seiten der Künstler_innen aus?
Wie haben sie das neue Festivalkonzept aufgenommen?

Den Musiker*innen mussten wir zunächst unser Online-Konzept verständlich machen und, in einem nächsten Schritt, die unzähligen künstlerischen Ausdrucksweisen (und Formate) jenseits von Livestreams oder Konzertstreams schmackhaft machen. Denn natürlich würden alle gerne live auftreten, denn das ist der Kerninhalt ihrer Arbeit, neben dem Schreiben von Musik/Songs und der Selbstvermarktung. Aber kein einziger der schon gebuchten Artists ist ausgestiegen und so können wir “Everybody knows this is Online” nun mit dem Original Line-Up verwirklichen… Das Gros der Künstler*innen hatte wirklich gute Ideen und Konzepte und sie liefern jetzt kreative, inhaltlich sehr interessante Werke ab, wie z. B. Selbstinterviews (“Deconstructed Thoughts by Magic Island X John Michael”) oder einer Song-Order-Love-Hotline (Luis Ake aka DJ<3).

Jede/r Künstler*in hat eigene Herangehensweise an den Auftrag: bei manchen wurde eine schon bestehende Idee fertiggestellt oder ausgeweitet, bei anderen wurden komplett neue Konzepte realisiert. Vielleicht konnten wir mit unserer Vorgabe auch den Anstoß und die Möglichkeit geben, in einer sonst eher auftrags- und konzertfreien Zeit das Projekt, das schon länger in der Schublade lag, endlich zu realisieren.

Die Künstler*innen haben das Konzept des Festivals sehr positiv aufgefasst, viele wussten eigentlich auch sofort, was sie machen wollen – Sie haben sich ja mit Covid-19 auch auseinandergesetzt und überlegt, was die neue Situation für sie als vor Publikum auftretende Musiker*innen bedeutet. Viele sind schon schnell auf den Live-Stream-Zug aufgesprungen, um dann festzustellen, dass das die Bühne nicht ersetzen kann. Streams sind der Versuch, dem Live-Erlebnis so nahe wie möglich zu kommen, allerdings ohne das Gefühl der Verbundenheit. Die Alternativen sind allerdings limitiert: die Ergebnisse werden fast ausschließlich audiovisuell sein, also Videos, die Unterschiede liegen in der inhaltlichen Auseinandersetzung. Wichtig ist zudem, dass es für alle Künstler*innen einen wesentlichen Extraaufwand bedeutet. Dennoch sind alle auch froh, jetzt an einem (auch bezahlten) Projekt arbeiten zu können.

Würdet Ihr sagen, dass die Zusammenarbeit mit den Künstler*innen und ihren Teams dadurch intensiviert wurde?

Im Erarbeiten der Konzepte gab es teilweise intensiveren Austausch, denn bei einem Konzert müssen ja meist nur noch Rahmenbedingungen geklärt werden (Ort, Datum, Line-Up, Gage, Technik, Unterkunft, Catering, etc.) und das richtige Publikum angesprochen werden, auch ein zum Teil kuratorisch/künstlerischer Prozess, der jedoch meist den vertrauenswürdigen Veranstalter*innen überlassen wird. Hier konnten wir nun aber unsere kuratorischen Fähigkeiten austesten, da wir diesen Rahmen sprengen mussten.

In Einzelfällen findet sehr intensiver Austausch statt, so erarbeitet zum Beispiel unser Host Albert Sarg das Moderationskonzept gemeinsam mit unserem Teammitglied Heiko.

Die meisten Künstler*innen sind es nicht gewohnt, dass jemand von Außen auf ihre kreative Arbeit Einfluß nimmt. Das passiert allein schon dadurch, dass wir die Werkbeschreibungen angefragt haben. Einige haben uns dagegen direkt gefragt, was wir uns wünschten und was cool sei, wie sie den Auftrag für uns gut erfüllen können. Da gab es auch von beiden Seiten Hemmungen: die Künstler*innen fragen sich, was wollen die Veranstalter*innen haben? Wir fragen uns, was wollen die Künstler*innen geben? Intensiver ist der Austausch dadurch auf jeden Fall geworden. Es gab in den Präsenzjahren vorher ja auch immer die Plug-And-Play-Musiker*innen, die kamen, ihre Instrumente eingestöpselt haben, und dann wieder abgedüst sind. Das ist jetzt bei allen insgesamt anders.

Der Austausch mit den Künstler*innen ist schon allein dadurch intensiviert, dass wir uns ständig gegenseitig über den Stand der Dinge updaten müssen, da ja alles work in progress ist. Inzwischen stehen die Abläufe aber im Großen und Ganzen und man hat schon fast das Gefühl, es läuft in geregelten Bahnen.
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Das Down By The River Festival-Lineup
– kommentiert vom Team

 ALBERTINE SARGES
Die Westberlinerin bewegt sich seit Jahren traumwandlerisch durch die Szenen und Genres. Ob solo in Antifolkdunstkreisen, als Duo mit ihrem Partner Io Selbo in der Italopop Band ITACA, als Freundin und Bandmember der Kat Frankie Band, als Co-Vocalist bei Holly Herndon, oder als Kopf ihrer Band „Sticky Fingers“ in den Gefilden des Neuköllner Softpop Untergrunds: an ihr kommt keiner vorbei, der In Berlin auf gute Konzerte geht.

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 ANGELA AUX
Die Münchner Band hatten wir Ende 2019 im Rahmen unserer Konzertreihe “Fourtrack on Stage” im Schokoladen in Berlin-Mitte zuletzt veranstaltet und waren total begeistert. Die “beste Band der Welt” (Maria de Val und Henny Herz) spielt die lässig-psychedelischen 70s Folk-Songs – und gibt pointierte Gedichte zwischen den Songs zum Beste, zwei davon wurden nun vertont und erhalten im Rahmen des Festivals ihre Weltpremiere.

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 BAUMARKT
Das völlig unberechenbare Synth-Punk-Trio Baumarkt aus Chemnitz dreht für uns eine spontane Lang-Doku mit Live-Material und Trivia aus der Chemnitzer Subkultur um das Kollektiv und Plattenlabel RÖ13. Baumarkt, das ist eigentlich schon Musiktheater, aber bis einer heult.

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 MAGIC ISLAND
Die Neuköllner Künstlerin Magic Island arbeitet musikalisch mit Einflüssen aus Soul und R&B und entwirft für das Festival ein konzeptuelles Selbst-Interview in Kollaboration mit dem Grafikdesigner John Michael, das verschiedene Aspekte der Performance erforscht.

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 MIR EXPRESS
Mir Express ist ein französisches Duo, das in Berlin lebt und mit einem ganzen Park an analogen Synthesizern und alten Verstärkern einen schnellen, warmen, supertanzbaren Sound kreiert. Für DBTR produzieren sie einen experimentellen Kurzfilm in vier Sequenzen aus mit einem Videosynthesizer bearbeiten Bildern zu den Themen Raumfahrt und Wissenschaftsgeschichte. Darin kommen die erste Französin im All, Salamandereier, Philip K. Dick und Erich Mendelsohns Einsteinturm in Potsdam vor.

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 JAKOB DOBERS & BAND
Langjähriger Weggefährte und Urgestein der Berliner Songwriter-Welt: Jakob Dobers (Sorry Gilberto, Zimtfisch) hat endlich sein großartiges erstes Solo-Album veröffentlicht! Für das Festival stellt er gemeinsam mit seiner Band (Josepha Conrad, Robert Kretzschmar) einen Kurzfilm zum neuen unveröffentlichten Song “Die Helligkeit” vor.

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 DJ<3 (LUIS AKE)
Deutschsprachiger Elektro-Schlager von einem VfB Stuttgart-Fan? Ein Star ist geboren! Auf dem Berliner Qualitätslabel Mansion & Millions hat Luis Ake gerade sein Debüt-Tape veröffentlicht – und wir debütieren schon sein erstes Nebenprojekt, die synthetisierte Liebesberatung DJ<3.

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 DC SCHNEIDER
Leonie und Joana, das Münchner Geschwister Duo mit Sitz in Den Haag, war 2014 schon live zu Gast bei DBTR, damals noch begleitet von Ihrem Vater am Schlagzeug. Inzwischen wuchs die Band mit Trijntje und James zum Quartett an. Die self made Pop/Rock Band blickt auf einen Backkatalog von sagenhaften 19 Alben zurück und wird ihre persönlichen, seltsamen und doch tanzbaren Liebeslieder nun erstmals mit ihrem 20. Album, welches 2021 auf staatsakt erscheint, einer größeren Öffentlichkeit präsentieren.

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 MAXI PONGRATZ
Bevor er solo ging war der Pongratz Maxi ein Viertel von Kofelgschroa, ihre auf musikalischer sowie textlicher Ebene endlos mäandernden Songs („Die Wäsche trocknet an der Sonne…“) funktionierten vor allen live und revolutionierten das Genre Volksmusik, sie psychedelisierten es sozusagen (allerdings ohne Ersatzdrogen wie Pilzen. Außer Bier). MP setzt genau dort an, und auch wieder nicht, die Songs wurden kompakter und in seinen Shows vermengt er Alltagsmelancholie mit stillem Humor.

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 DESTINY’S CHLID
Im Videoclip zu ihrer Hitsingle “Jinfly” schicken die neuen Prog-Punks Destiny’s Chlid drei Menschen auf eine rasende Jagd durchs brutalistische und desolate Berlin.

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 SETH FAERGOLZIA

Seth Faergolzia ist ein alter Freund des DBTR und lebt in Upstate New York. Für das Festival produziert er einen Naturfilm mit einer Stange von Songs.

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 ZAMPANÒ E AMICI

Zampanò sind eine Berliner Supergroup, die sich ihre Freunde Jimmy und Eurico eingeladen haben, um eine Video-EP voller Knaller aufzuzeichnen.

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