„Dream UND Schranz“, oder: „Groupshow ist eher wie ein altes Ehepaar“

Groupshow (v.l.): Hanno Leichtmann, Jan Jelinek, Andrew Pekler (Photo: Juliane SchĂĽtz)
Das Berliner Trio Groupshow, bestehend aus Jan Jelinek, Hanno Leichtmann und Andrew Pekler, erkundet die Grenzen freier Improvisation und elektronischer Texturen. Ihr Ansatz ist ebenso minimalistisch wie radikal transparent: Statt festgelegter Repertoires entstehen Klanglandschaften in Echtzeit, deren Bruchstellen und Verdichtungen für das Publikum hörbar bleiben. Jede Performance ist ein Dialog zwischen Loops, Rhythmen und Gitarrenfiguren – ein musikalisches Zusammenspiel, das auf Geduld, Aufmerksamkeit und gegenseitigem Vertrauen beruht. Wer den Moment behutsam auskostet, wird belohnt: „Langeweile kann auch seine Schönheit haben“, sagt Jelinek. Beim Klubkatarakt-Festival in Hamburg präsentieren Groupshow sich alss Installation im Raum.
Hanno, Jan, Andrew, zu Beginn wĂĽrde ich gerne wissen, was ihr an den jeweils anderen kĂĽnstlerisch besonders spannend empfindet.
Jan Jelinek: Groupshow ist eher wie ein altes Ehepaar – da gibt es nicht viel Spannung beziehungsweise Aufregung. Es ist eher anders herum: Zu wissen, wie der andere tickt, kann bei einer Gruppenimpro hilfreich sein. Wir haben ja kein gemeinsames Repertoire, weil wir keine Zeit und Lust haben, zusammen zu proben (siehe altes Paar), müssen aber trotzdem irgendwie zusammen funktionieren.
Hanno Leichtmann: Jan kann in jedem Aggregatzustand geniale hypnotische Loops aus dem Hut zaubern, Andrew vermag nonchalant auf der Gitarre zwischen early Rock´n´roll-ismus, Krautrock und eigenwilligsten weirden Kreationen oszillieren.
Andrew Pekler: Hanno hat Geduld: er kann ĂĽber sehr lange Zeit ein rhythmisches Motiv fast unmerklich entwickeln. Jan eigentlich auch, aber eher in der Verdichtung von melodischen / harmonischen Elementen in seinen Loops.
Was bedeutet das fĂĽr Groupshow als Band? Wie empfindet ihr eure eigenen Rollen bei dem Projekt?
JJ: Also von Soundtechnikern werde ich oft als Keyboarder bezeichnet. Andrew ist für die Dancemoves zuständig und Hanno für den Rest.
HL: Meine Rolle: der Mann fĂĽrs (rhythmische) grobe.
AP: Ich verstehe meine Rolle als Bindeglied zwischen Hannos Rhythmen und Jans Loopfiguren.
Die Musik von Groupshow entsteht durch freie Improvisation und wird dann für die Veröffentlichungen verdichtet. Wie harmonisch habe ich mir diesen Verdichtungsprozess bei einem Trio aus drei Künstlerpersönlichkeiten vorzustellen?
JJ. Es ist ein Lautstärke-Darwinismus: Der Lauteste gewinnt und darf sein Thema durchsetzen.
HL: Für die Veröffentlichungen habe wir uns die Songs aufgeteilt, jeder hat drei bis vier Songs abgemischt. Wir sind recht unwillig darin, mehrere Stunden gemeinsam im Studio rumzuhängen und Tracks abzumischen.
Könnt ihr in Worte fassen, nach welchen Momenten ihr beim gemeinsamen Musikmachen sucht?
JJ: Einen Groove finden, zu dem jeder gleichberechtigt beiträgt – und dann bitte möglichst lange dabei bleiben.
HL: Ja, das stimmt!
AP: Vielleicht etwas pathetisch, aber wenn man gemeinsam auf etwas kommt, worauf man alleine nie gekommen wäre.
Was bedeutet dies für den nächsten Schritt: die Überführung der Texturen in die Live-Performance vor Publikum?
JJ: Es gibt keine Überführung, weil es kein Repertoire gibt. Texturen entstehen ja an Ort und Stelle, im Idealfall ist das unterhaltend und in der Realität kann das seine Längen haben. Langeweile kann aber auch seine Schönheit haben, wenn es am Ende des Tunnels sich zu einer Logik verdichtet, die sagt: Das Warten hat sich gelohnt.
HL: Mittlerweile spielen wir nicht mehr diese stundenlangen Sets, eher so 40 Minuten.. Da sind die „Längen“ jetzt auch kĂĽrzer, praktischerweise. Obwohl das was hatte, diese „between pleasure and pain“-Sets.
AP: Für mich bedeutet das, beim spielen vor allem den anderen beiden zuhören und nicht irgendetwas dazu zu spielen, bloß damit man dabei ist. Bei drei Personen wird es ganz schnell sehr dicht – das kann toll sein, aber sollte auch gut dosiert werden.

Groupshow, live im silent green, Berlin (Photo: Udo Siegfriedt)
Beim Klub Katarakt spielt ihr am Festivalfreitag nach Sarah Davachi & Quatuor Bozzini. Ich erwähne das, da ich mich für die Bedeutung des Performance-Settings für eure eigenen Auftritte interessiere. Wie wichtig / unwichtig ist eine affine ästhetisch-konzeptionelle Ausrichtung des Programms um euch herum für euch? Oder anders gefragt: Spielt ihr lieber in einem euch homogen ähnlichen Line-up oder sucht ihr bewusst auch Konstellationen, in denen ihr einen Bruch darstellt?
JJ: Solche Fragen lassen sich am besten an Ort und Stelle beantworten: schlechte Supportbands (ob mit Bruch oder ohne) können helfen, weil dann der Abend nur noch besser werden kann. Aber interessante Bands sind natürlich immer besser: ich will ja auch was mitnehmen. Ich finde Brüche eigentlich gut. Wer schon mal bei einem Openair-Festival mehrere Stunden auf dem sogenannten Ambient-Floor verweilt musste, weiß wovon ich rede: Nichts ist beklemmender als Uniformität.
HL: ist mir relativ egal. Aber nette ´Kolleg:innen im Backstage sind natürlich trumpf.
Ihr selbst beschreibt eure Vorgehensweise als „eine Methode transparenter Verdichtung, in der Scharniere und Bruchstellen nicht kaschiert werden, sondern hörbar bleiben.“ Woher kommt dieses Bedürfnis, keine Soundillusion zu kultivieren, sondern die Zuhörer:innen offen am Prozess des Musikmachens teilhaben zu lassen?
JJ: Ganz einfach: weil wir es nicht anders können.
HL: Das BedĂĽrfnis ist, dass wir nicht proben wollen. haha
AP: Auch wenn das beides stimmt, was Jan und Hanno gerade gesagt haben, kann (im besten Fall) das „hörbare Scheitern“ beim Publikum angenehm entmystifizierend wirken.
Das Nachtkonzert beim Klub Katarakt werdet ihr passenderweise in der Mitte des Raums geben, umgeben vom Publikum, das die Installation erst betritt, wenn die Interaktion der drei Musiker schon im Gange ist. Ist das ein bereits bewährtes Auftrittskonzept für euch oder ein erster Versuch?
JJ: Also um ehrlich zu sein, praktizieren wir das nicht mehr. Nachdem wir einige male den Live-Soundtrack zu Andy Warhol’s „Empire State Building“ gemacht haben, eine 8 1/2 h Performance, hat uns die Idee der Installation als Performance-Alternative gut gefallen. Das nahm die Erwartungshaltung, in einer kompakten Stunde abliefern zu mĂĽssen. Praktisch lässt sich diese Idee aber auf Festivals fast nie realisieren.
HL: Ja genau. Das ist eine Idee, die wir verwirklichen konnten, wenn wir zum Beispiel.einen eigenen Raum auf einem Festival hatten, aber auf einer BĂĽhne mit klassischem Festival-Lineup geht das nicht.
Diese Nähe zum Publikum sorgt für eine große Intimität, birgt in sich natürlich aber eine gewisse Verletzlichkeit – jetzt nicht im Sinne eines körperlichen Übergriffs, aber eben durch die Stimmungsschwingungen. Was sind eure Erfahrungen mit den unterschiedlichen Aggregatzuständen?
JJ: Ăśbergriffe hat es durchaus schon gegeben: Zuschauer:innen sahen sich veranlasst, Hannos Percussion-Instrumente vom Tisch zu nehmen und selbst zu spielen. Liebes Hamburger Publikum, bitte bitte nicht nachmachen.
HL: Haha, ja genau: Finger weg
Gibt es Role Models fĂĽr das Performance-Setting?
JJ: Also so originell ist der Aufbau im Publikum auch wieder nicht. Ich kann mich erinnern, das nach einer Performance von Institut fĂĽr Feinmotorik bei mir der Groschen gefallen ist.
HL: FrĂĽher hatten wir immer so gleissendes, weiĂźes Licht auf der BĂĽhne; ich musste immer an einen Operationstisch oder ein Labor denken.
Und wo wir schon von Einflüssen sprechen: Seht ihr Groupshow in einer historischen Verbindung zu anderen Künstler:innen-Gruppen? Ich denke da beispielsweise an The Theatre of Eternal Music (aka „The Dream Syndicate“), Narod Niki (Ricardo Villalobos, Dimbiman, Dandy Jack, Cabanne, Akufen, Luciano, Richie Hawtin, Daniel Bell und Robert Henke), Velvet Underground …
JJ: Vom Dream Syndicate zu Narod Niki ist es vermutlich ein weiter Weg. Irgendwo auf halber Strecke würde ich vielleicht Groupshow einordnen. A propos Dream Syndicate: Irgendwer hat unsere Performance mal als Dream Schranz bezeichnet: Seitdem arbeiten wir uns daran ab, dieser Kategorie so nahe wie möglich zu kommen.
HL: Wir können beides: Dream UND Schranz
AP: Ich dachte wir hätten Dream Schranz selbst erfunden?
Zur Vorbereitung war ich auf eurer Website – dort wird das Upcoming Release „live at skymall“ beworben, das am 20.4.2013 erschien, sowie ein Auftritt mit Damo Suzuki in Brüssel im gleichen Jahr. Kann es sein, dass ihr eine gewisse Ignoranz gegenüber der digitalen Selbstpräsentation pflegt?
JJ: So richtig aktiv ist das Trio ja nicht. Zum Thema Social Media können Andrew und Hanno vielleicht mehr sagen.
HL: Stimmt, ich war da schon eine zeitlang nicht mehr.
AP: Wir hatten eine Website?
Passend auch die leicht ironische Veröffentlichung einer „Greatest Hits“-Compilation mit Stücken aus den Jahren 2005 bis 2018 auf faitiche. Was zeichnet für euch einen Hit aus?
JJ: Bevor Groupshow auf ein Album kommen, müssen zunächst stundenlange Liveaufnahmen angehört werden. Das kann eine durchaus schmerzhafte Erfahrung für alle drei Beteiligten sein. Wenn dann doch etwas gefunden wird, das eine Extraktion und Weiterbearbeitung legitimiert, können wir nicht anders, als von einem Hit zu sprechen.
HL: True!
Überhaupt Ironie. Ihr habt ja auch ein Stück namens „Music For A Plank Press“, benannt nach der Push-up-Plank-Übung, bei der man zwischen Unterarm- und hoher Plankenposition wechselt. Wie wichtig ist Humor für euch als Künstler und für die gemeinsame Formation?
JJ: Humor kann beim Tourleben helfen.
HL: Fast sämtliche Groupshow Titel haben wir auf einer USA-Tour aus einem Skymall-Katalog generiert. We love love love love love it!
Das Jahr 2025 neigt sich dem Ende zu. Bestes Konzert, das ihr jeweils in diesem Jahr gesehen habt?
JJ: Institut für Feinmotorik Revival-Konzert im silent green war schon toll. Ist allerdings schamlose Eigenwerbung, weil ich es veranstaltet habe. Auf die Schnelle fällt mir noch Jefre Cantu-Ledesma als Quartett im Public Records /NYC ein. Das kam einer zeitgenössischen Version von Dream Syndicate sehr nahe – und das dazu noch mit einem euphorisierten New Yorker Publikum, einen Tag nach Zohran Mamdanis Wahl zum Bürgermeister.
HL: Ich sehe eher wenig Konzerte, die mich richtig begeistern. Aber der planet mu Abend war super.
AP: Los Pirañas.
Und natürlich auch die Frage nach der besten Veröffentlichung des Jahres?
JJ: Ich habe dieses Jahr sehr viel Shit and Shines gehört:“Mannheim HBF“. Spotify Wrapped sagt, dass Sarah Hennies „Motor Tapes“ 2025 mein Favorit gewesen ist.
HL: Ich kaufe so gefĂĽhlt zwei Alben pro Jahr. Absolute Hits: LO BORGES Alben aus den 70ern.
AP:Â Molly Raben „In The Kingdom of Flowers“ & Â Giuseppe Ielasi „An Insistence On Material Vol. 1“







