Danielle de Picciotto & Friends: Charlotte Goldermann

Charlotte Goltermann „Man liebt die, für die man arbeitet und macht aus allem das Beste“

Charlotte Goltermann, House Attack times (Photo: Tina Winkhaus) 


Es heißt, dass Picasso einmal meinte dass „ein Künstler um erfolgreich zu sein drei Sachen braucht: Talent, Charisma und einen guten Manager“. Ob er das wirklich gesagt hat, ist unbekannt, der Inhalt stimmt aber bis heute. Es wird unterschätzt wie wichtig gute Manager:innen sind – und leider gibt es davon nur sehr wenige.

Vielleicht liegt es daran, dass es dabei zunächst um Begeisterung, Idealismus und Durchhaltevermögen geht, denn bis eine Band oder ein Musiker:in genug Geld verdient um eine:n Manager:in angemessen zu bezahlen, braucht es Zeit. Der Widerspruch ist, dass mit der Hilfe einer solchen Bezugsperson, diese Zeit wesentlich verkürzt werden kann. Es ist einfach besser, wenn man sich nicht selbst anpreisen muss. Viele Musiker/innen sind heute ihre eigenen Manager:innen, Booker:innnen, PR-Agenturen, Grafiker:innen und teilweise sogar Label. Um all das unter einen Hut zu bringen, bedarf es vor allem eins: Zeit. Darunter leidet dann meistens das eigentliche Produkt: die Musik. In den Monaten nach der Pandemie gibt es dann noch das Problem der niedrigeren Zuschauerzahlen und zögerlichen Promotern. Meistens helfen dann Freunde und Bekannte so gut sie können, der eine fährt den Bus, die andere organisiert die T-Shirts und andere die Events, bei denen man auftreten kann. Leider geht es dann aber oft nicht weiter denn in der knallharten Musik Industrie bedarf es leider viel mehr als Talent, Charisma und Freunde. Allerdings können sich auch aus solchen Freundschaften Diamanten herauskristallisieren.

Zurück zu Picasso: eine gute Manager:in bedeutet jemanden sehr besonderes an seiner Seite zu haben der/die folgenden Eigenschaften in sich vereint: Weitsicht, Zielorientierung, Beziehungen zu Verlagen, Bookern, Rechtsanwälte und Festivals, Zusammenhänge gut erkennen, diplomatisch unterschiedlichste Charaktere erfolgreich zusammen bringen zu können, ein Gefühl und Verständnis zu Finanzen, Liebe zur Musik, Glauben und Loyalität in den die Künstler:in und einen ewigen Springbrunnen an Enthusiasmus, Energie und Ideen.
Musiker:innen dagegen braucht ganz andere Eigenschaften, teilweise sogar die genau Gegenteiligen. Zusammen sind sie deswegen dann unschlagbar und es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass wirklich erfolgreiche Musiker:innen gute Manager:innen haben.

Eine der besten in Deutschland ist Charlotte Goltermann. Sie ist die Musikmanagerin von Element of Crime, Florian Horwath and Maike Rosa Vogel und kann auf eine lange Erfahrung nicht nur als Musik Managerin, sondern auch als Label Gründerin und Filmproduzentin zurückschauen. Ich habe sie unter anderem im März 2023 bei der Organisation eines großen Events am Brandenburger Tor beobachten und erfahren können und war von Ihrer ruhigen, freundlichen Herangehensweise inmitten eines Wirbelsturms aus zahllosen aufgeregten Musikern, Assistenten, Crews und Securities sehr beeindruckt. Wer je ein Event organisiert hat, weiß mit was für Energien man dabei umgehen muss und es dermaßen gelassen zu leiten ist ein Kunststück.

Ich freue mich außerordentlich, dass Charlotte sich die Zeit nehmen konnte, ein paar Fragen zu beantworten. Ich denke wir können einiges von Ihr lernen. Hoffentlich werden dadurch noch ein paar Manager:innen mehr geboren.

Danielle de Picciotto: Liebe Charlotte Du arbeitest als Filmproduzentin, Musikmanagerin, warst früher A&R Managerin für die Labels L’Age D’Or, Motor Music and Mute Tonträger und bist Begründerin des eLabels Ladomat. Wie hat es alles angefangen? Hast Du Management studiert?

Charlotte Goltermann

Charlotte Goltermann: Ich habe Photographie und Kunst in München und London studiert.
Als ich aus London zurückgekommen bin, habe ich in München Upstart (Peter Wacha) von Sub Up kennengelernt und für und mit ihm und Dorothea Zenker (Dorle) zusammen gearbeitet. Wir haben dann mit Disco B angefangen und bald ein leerstehendes, ehemaliges Krankenhaus in München Bogenhausen entdeckt, besetzt und dort die Ultraschall-Parties veranstaltet. Dorle und ich haben nachts plakatiert, dann nahm alles seinen Lauf.
Mein erstes „Erweckungserlebnis“ war Punkrock, dann Techno und dann deutschsprachige Musik, Kolossale Jugend „Schmück die Party“ muss ich da unbedingt erwähnen und Einstürzende Neubauten „Halber Mensch“.

Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Manager:innen. Was ist für dich in diesem Beruf das Wichtigste? Wie können Musikerinnen am besten unterstützt werden deiner Meinung nach?

Als ich Daniel Miller (MUTE) kennengelernt habe, hat er mich total auseinandergenommen, ob ich auch für den Job als A&R und MUTE generell geeignet bin. Als ich gesagt habe: „wir signen Musiker ja nicht, weil wir sie schlecht finden und verbessern wollen, sondern weil wir sie gut finden“, hatte ich den Job.
Ich finde das im Management eigentlich die wichtigste Haltung: Man liebt die, für die man arbeitet und macht aus allem das Beste.

Wie siehst du die Musiklandschaft heute im Vergleich zu vor 20 Jahren? Ist es schwieriger geworden durch das Verlagssterben und Ende vieler Plattenläden oder wegen den Online-Portalen einfacher? Was kann man jungen Musiker:innen raten, wenn sie professionelle Musiker:innen werden möchten? Wie hat sich die Industrie vor allem seit AI verändert? Werden Roboter lebende Musiker/innen ersetzen können?

Heute im Vergleich zu 20 Jahren: Das Entscheidende ist, dass damals sehr viel mehr Geld im Umlauf war. Auf der Seite der Indies und eben auch der Musiker:innen. Man konnte einfach davon leben. Vielleicht war man nicht reich, aber man war frei und konnte das machen, was man wollte. Heute kann man als Musiker:in fast nichts mehr mit dem Plattenverkauf oder seinen Urheberrechten verdienen, das macht es für Newcomer schwieriger.
Online-Portale: es ist großartig, dass es theoretisch alles gibt.
KI, Mensch / Maschine: Keine Ahnung. Ich glaube nicht dass sie Menschen ersetzen können. Freue mich aber, wenn die KI-Anmeldungen, Produktpässe und meine Steuer macht, dann habe ich mehr Zeit für was anderes. Sie soll bitte auch mit den Anwälten von Universal telefonieren!

Charlotte Goltermann & Doris Dörrie (Photo: Frank Müller)

Du arbeitest auch viel im Bereich Film & Musik. Welche Art von Musik findest du besonders interessant für Filme oder kann man das nicht allgemein sagen? Ist das Filmgeschäft härter als das Musikgeschäft?

Im Filmgeschäft ist mehr Geld unterwegs, das macht es manchmal unentspannter. Mich buchen aber größtenteils die Regisseur:innen selbst und Produzent:innen, denen Musik extrem wichtig ist, weil ich anstrengend und teuer bin – das macht es für mich eigentlich sehr einfach. Ich kann im Prinzip jede Musik einsetzen, sogar deutschsprachige, auch wenn die Leute das manchmal zuerst bezweifeln. Es geht um Wirkung – und Musik macht das Bild definitiv größer und schöner, trauriger, gruseliger etc. Ohne Musik gäbe es im Kino keine Tränen!

Ist es als Geschäftsfrau einfacher heutzutage als früher oder gibt es immer noch Ungleichheiten und Diskriminierung? Muss man als Produzentin und Managerin besonders tough sein und sich doppelt so beweisen wie Männer? Was würdest Du jungen Managerinnen raten? Worauf kommt es vor allem heute an im Management?

Ich würde Frauen nicht speziell was anderes raten als Männern. Entweder man will das machen oder eben nicht – es gibt überall Diskriminierung, auch beim Job als Postbeamtin oder Politesse.
Man soll sich gut anschauen, mit wem man arbeitet und zur Not eben auch Konsequenzen ziehen. Ich habe außer in den 90ern immer nur für reizende Leute gearbeitet, trotzdem war die damalige 90-er Jahre-Zeit wahrscheinlich die lehrreichste.
Toughness hilft, glaube ich, am Ende nicht. Es ist eine Kombination aus Persönlichkeit, Wissen, Geduld und Unnachgiebigkeit. Und man muss brennen.

Woran arbeitest Du momentan und was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich produziere dieses Jahr einen Film über Element of Crime und habe mir dafür Charly Hübner als Regisseur gesucht und die österreichische Superfilm als Produzentin. Das wird ein großes Vergnügen und auch sehr aufregend, weil man sich an fünf Konzert-Tagen in Berlin auf die Suche nach der Band begibt, das bereite ich seit Jahren vor. Hier kommt mir mein Wissen über das Musik- UND Filmgeschäft mal zugute;)

Ich bringe aktuell die neuen Platten von Element of Crime und der Crucchi Gang raus und baue gemeinsam mit anderen tollen Frauen aus Kunst und Wirtschaft ein Frauen-Netzwerk auf (The Simones). Ich bin die Buch-Agentin von beispielsweise Michael Ostrowski und Andreas Dorau – da ist auch immer was zu tun;  und ich arbeite ehrenamtlich viel für den Klimaschutz. Außerdem arbeite ich an der Verfilmung von Thees Uhlmanns Roman“ Sophia, der Tod und ich“, hier haben Steiner&Madlaina einen großartigen, teils deutschsprachigen Score gemacht, worüber wir alle glücklich und stolz sind!

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