“Diese Polarisierungen zwischen Fremden und Eigenem langweilen mich tödlich, der Zwischenraum ist das Spannende.”
Vom 13. bis zum 15. Mai findet im Hau – Hebel am Ufer „From Inside to Way Out – Perspectives from Contemporary Pakistan” statt. Im Dialog mit Thomas Venker berichten die Kurator*innen Zuri Maria Daiß, Andi Teichmann und Hannes Teichmann über die Hintergründe und Ausgestaltung des dreitägigen Festivals.
Zuri, Andi, Hannes, wie kam es zu Euerem Interesse an Pakistan? Was habt ihr vor dem intensiven Kontakt mit Land und Bevölkerung mit Pakistan verbunden und in wie weit hat sich dieses Bild gewandelt?
Gebrüder Teichmann: Wir konnten 2011 im Auftrag des Goethe-Instituts Delhi eine Recherche-Reise durch die Region Südasien machen. Diese führte uns nach Bangladesh, Indien, Afghanistan und Sri Lanka und wir lernten auf ihr viele spannende Künstler kennen. Pakistan konnten wir damals aus unterschiedlichen Gründen leider nicht einbauen, auch hieß es von verschiedenen Seiten, dass es dort keine Szene für Elektronische Musik und auch keine Do-it-Yourself-Kultur geben würde.
Als wir im Anschluss daran für das Goethe-Institut das erste Soundcamp in Sri Lanka initiieren sollen, hatten wir aber den Anspruch, hierfür Musiker aus der gesamten Region Südasien zusammenzubringen, gerade da sie ja durch politische Grenzen stark voneinander getrennt sind. Wir sind dann übers Internet fündig geworden: Amman Mushtaq aus Karachi aka Smax hat uns sofort mit seinen abstrakten und vertrackten Tracks begeistert. Über ihn haben wir sozusagen in einen Wespennest gestochen und diese einzigartige Szene in Pakistan kennengelernt.
Zuri Maria Daiß: Andi und Hannes kamen auf mich zu, weil sie gerne die “Karachi Files”-Release-Party und den Noland Label-Launch im HAU Hebbel am Ufer veranstalten wollten. Ich fand die Musik spannend und stellte fest, dass ich viel zu wenig von Pakistan wusste und so begannen wir zusammen zu recherchieren und andere spannende Künstler zu entdecken, die uns wiederum mit anderen verknüpften. Viele Telefonate, Skype Meetings und Treffen später stand dann unser Programm.
Ihr sprecht selbst in Eurem Ankündigungstext auf der HAU-Website das Dilemma der Zuschreibung von falschen Erwartungen an: welche haben sich denn im Austausch mit den KünstlerInnen vor Ort in Pakistan als die akutesten herausgestellt?
Gebrüder Teichmann: Exotismus wird einerseits als Vorwurf, andererseits als Verkaufsargument verwendet. Das ist eine sensible Sache. Nehmen wir die Geschichte des Cover-Fotos, zu dem von verschiedener Seite auch schon die Exotismus-Frage an uns herangetragen wurde. Mohamed Sadek arbeitet als Security Guard in dem Haus, in dem wir das Soundcamp durchgeführt haben. Pablo Lauf, der junge Berliner Fotograf, der uns nach Karachi begleitet hat, hat über die Zeit eine sehr enge Verbindung zu Mohamed aufgebaut. Die beiden haben nächtelang zusammengesessen, sich Musik vorgespielt, Fotos gezeigt, alles ohne eine gemeinsame Sprache. Gegen Ende des Soundcamps hat Pablo Mohamed dann portraitiert. Nicht in seinem staubigen US-Army-Overall mit Pistole, in dem er jeden Tag den Hauseingang bewacht hat, sondern in seinen Sonntagskleidern, die er dabei hatte, um sie nach der Schicht zu tragen. Das Cover zeigt ihn als Mensch in seiner normalen Kleidung und weder in einem folkloristischen Kostüm, noch instrumentalisiert in Uniform als das Motiv, das jedem hier zeigt, wie gefährlich es doch in Pakistan ist. Gleichzeitig ist es schwierig für junge Musiker wie die Forever South Crew international wahrgenommen zu werden, wenn sie in T-Shirt und Jeans, wie jeder Jugendliche hier auch, einfach ihre Musik präsentieren wollen. Wenn man in diesem Zusammenhang nun diese Diskussion ansieht, wird klar, nach welchen Mustern wir von unserem eurozentristischen Standpunkt gerne vorurteilen und trotzdem aber eigentlich immer das Exotische haben wollen.
Zuri Maria Daiß: Ich weiß nicht, ob man von falschen Erwartungen sprechen kann. Ein direkter Austausch mit ortsansässigen Künstlern bedeutet doch, dass man gar nicht erst in ein Dilemma gerät. Homi K. Bhaba prägte für Orte, an denen sich (radikale) Heterogenität, Diskontinuität, kulturelle Übersetzung und permanente Transformation vollzieht, den Begriff des‚ Dritten Raums’. Natürlich sind Kulturen unterschiedlich, aber es kommt doch nicht auf das Aufzeigen von Unterschieden an, sondern um das erfahrbar machen von Gemeinsamkeiten. Diese Polarisierungen zwischen Fremden und Eigenem langweilen mich tödlich, der Zwischenraum ist das Spannende. Am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen, die sich hoffentlich etwas zu sagen haben, voneinander lernen und sich gegenseitig neue Perspektiven eröffnen. Für „From Inside to Way Out“ haben wir Projekte aus dem Bereich Musik, Film und Fotografie ausgewählt, deren Schwerpunkt auf dem Austausch zwischen Berlin und Karachi liegt und die unterschiedlichen Aspekte des globalen Innen und Außen und den bisher kaum wahrgenommenen, mannigfaltigen Zwischenwelten dieses Verhältnisses nachgehen.
Welche Gemeinsamkeiten zwischen Berlin und Karachi seht ihr denn?
Gebrüder Teichmann: Wir leben alle im 21. Jahrhundert. Gerade wir in Deutschland wachsen mit einem sehr verzerrten, fremdelnden Blick auf andere Kulturen auf, besonders auf die muslimischen. Das ist natürlich auch historisch geschuldet. Die Verbindungen zwischen Pakistan und Großbritannien oder den USA sind da wesentlich enger. Die Musiker und Musikerinnen von Forever South, dem Labelkollektiv, mit dem wir das Soundcamp Karachi künstlerisch koordiniert haben, sind mit den Jazzplatten ihrer Eltern aufgewachsen und über das Internet musikalisch sozialisiert worden, haben teilweise in England oder den USA studiert, wo sie die lokalen Musikszenen erlebt haben und leben nun in und mit der Pakistanischen Realität. All das verknüpft sich zu einem Ganzen. Musikalisch gesehen konnten wir sofort einen gemeinsamen Nenner finden und ausgehend von dieser Basis unsere persönlichen Erfahrungen und unseren Kontext mit einbringen. Eine Gemeinsamkeit der zwei Städte zu suchen, macht in unseren Augen nicht viel Sinn. Dazu sind die Grundvoraussetzungen des sozialen Lebens viel zu unterschiedlich.Ein sehr schönes Projekt als Teil des Festivals im HAU beschäftigt sich aber mit der gemeinsamen Teilungs-Erfahrung und sammelt Zeitzeugen Erinnerungen aus Pakistan und Indien, sowie aus Ost- und Westdeutschland.
Zuri Maria Daiß: Der Audiowalk “DISPLACEMENT – recollecting of memories” von Sonya Schönberger und Shahana Rajani setzt sich intensiv mit den Flucht- und Vertreibungsgeschichten der Großelterngeneration auseinander. Die gesammelten Geschichten sind radikal subjektive und einzigartige Erzählungen mit eklatanten und teils überraschenden Überschneidungen. Während Sonya in Deutschland Interviews mit Menschen führte, die den Zweiten Weltkrieg und seine direkten Folgen erlebt haben, sammelte Shahana in Pakistan Geschichten von muslimischen Immigranten und ihren Nachkommen multi-ethnischer Herkunft. Im Audiowalk, der gleichzeitig in Berlin und Karachi stattfinden wird, werden nun pakistanische und deutsche „Displacement“-Geschichten nebeneinander hörbar. Trotz der Unterschiede in Schauplatz und Historie geht es in “DISPLACEMENT – recollecting of memories” um das „Wir“, um den Austausch und das Teilen von Erfahrungen und Erinnerungen als Versuch, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Unsere Empathie ist oftmals für die reserviert, denen wir uns nah fühlen und ähnlich wähnen. Es ist der Versuch an zwei Orten der Welt über den Blick zurück eine Brücke ins Heute zu schlagen – was momentan nicht aktueller sein könnte – hört man geflüchteten Menschen 2016 zu.
Hannes, Andi, wie hat man sich die Herangehensweise an das gemeinsame Musikmachen denn vorzustellen. Beim Hören war mein erster Eindruck überraschenderweise, dass das, was dabei herausgekommen ist, weder nach Deutschland noch nach meinem Bild von Pakistan klingt, sondern erstaunlich offen in seinem Aggregatzustand: da trifft folkistische Improvisations-Musik auf Digital-Soul wie man ihn von Luomo kennt, da knistert es düster und unheimlich wie auf den B-Seiten britischer Dubstepsachen und dann weht ein Hauch von Jazz durch den Raum.
Gebrüder Teichmann: “Karachi Files” ist das Resultat einer grandiosen zweiwöchigen Jam-Session mit zwölf tollen Musikern und einem buntgemischten Arsenal an digitalen, analogen und akustischen Instrumenten. Die Musik ist in einem Fluss aufgenommen worden und hat dadurch einerseits diese schöne Kontinuität, spiegelt dabei aber die Diversität der vielen Musiker und ihrer Hintergründe wider. Neben uns waren dies Alien Panda Jury (Karachi), Arttu aka Lump (Berlin), Dynoman (Karachi), Menimal (Maldiven), Natasha Humera Ejaz (Karachi), Ramsha Shakeel (Toronto/Karachi), Rudoh (Karachi), rRoxymore (Montpellier/Berlin), Taprikk Sweezee (Hamburg) und Tollcrane (Karachi).
Ihr habt in Karachi aufgenommen, einer alten Industriemetropole, die an der Arabischen See gelegen ist. Inwieweit spielt neben den Einflusslinien der Musiker solch ein signifikanter Ort auch eine Rolle? Empfindet ihr beim Hören, dass dem Material, das dort produziert wurde, seine geografische Geschichte eingeschrieben wurde?
Gebrüder Teichmann: Für die Europäischen Musiker war der Ort natürlich eine neue, spannende Erfahrung, für die Pakistanischen Künstler die Normalität. Die Energie entsteht daraus einen Freiraum zu gestalten, in dem sich jeder bewegen und in Interaktion miteinander treten kann. Das Geografische fließt dann automatisch über das persönliche der einzelnen Musiker mit ein. Und das wunderbare pakistanische Essen, welches unser Koch Abdul Ghani für uns täglich zubereitet hat, hat uns natürlich auch auf eine gemeinsame Schwingung gebracht.
Womit wir auch schon bei der nächsten Frage wären: Ihr habt extra für die Veröffentlichung ein neues Label mit dem programmatischen Namen Noland gegründet. Mein erster Impuls: toller Name, da er gleich all den Zuschreibungen den Wind aus den Segeln nehmen will. Auf der anderen Seite spielt dies ja auch einer globalisierten Unschärfe zu. Vielleicht könnt ihr ein bisschen was zum Prozess sagen, der euch zu dem Namen hat kommen lassen.
Gebrüder Teichmann: Wir sehen uns als Schnittstellen-Künstler. Wir kommen vom Club und DJ-Kultur, sind im Free Jazz Club unserer Eltern aufgewachsen und arbeiten mit Neuer Musik ebenso wie mit traditionellen Musikern. Schon lange interessiert uns vor allem Musik, die zwischen den Stühlen steht. In der allgemeinen, schubladengeprägten Musikwelt wird dies aber meist als nachteilig gesehen. Das fängt schon mit der Frage an, wo man die Platte im Plattenladen einsortieren soll. Noland möchte sich diese Freiräume nehmen, einer allgemeinen Kategorisierung zu entkommen, ebenso der Suche nach exotischem in der aktuellen Musik aus fernen Ländern.
Ich habe vor zwei Wochen ein Feature zum Album der Ogoya Nengo & The Dodo Women´s Group auf Kaput publiziert, das auf Stefan Schneiders extra dafür gegründeten Label TAL Recordings erscheinen wird. Während ich euere Musik höre und an den Fragen sitze, muss ich nun daran denken, was Mike Banks von Underground Resistance immer sagt: Wir Schwarzen in Detroit müssen unsere eigenen Orte und Distributionkanäle erschaffen, es fühlt sich nicht gut an – selbst wenn es Freunde sind und in jeglicher Hinsicht ein positiver Prozess -, wenn Weiße das für uns machen. Fühlt ihr das Dilemma? Und wenn ja, wie geht man damit um? Kamen solche Aspekte im Austausch auf?
Gebrüder Teichmann: Mike Banks und Underground Resistance sind seit unserem Einstieg in die Technowelt eine wichtige Inspiration für uns. Wir sind in den 90ern groß geworden und haben die Club- und Subkultur als ein soziale Gemeinschaft verstanden, die über Grenzen hinausgehen möchte. Mit Noland wollen wir uns vom Underground, aus dem wir kommen, zu einem Interground hin bewegen und eigenständige Szenen über Genre und globale Grenzen hinweg verbinden.Es geht uns dabei nicht nur darum, Platten zu veröffentlichen, sondern der Gemeinschaftsgedanke und das Kollektiv stehen im Vordergrund.
Zuri Maria Daiß: Underground Resistance wird oft der gleiche Exotismus entgegengebracht wie dem Tabla-Spieler aus Indien oder dem Sufi-Tänzer aus Pakistan. Ich bin manchmal versucht zu denken, Techno macht dem Jazz als der am weitreichendsten von ihren eigenen Fans missverstandenen Musik Konkurrenz. UR haben unter anderem echte Politarbeit betrieben und zwar straff organisiert in Nachbarschaftshilfe, Jugendarbeit, sowie finanzieller Unterstützung ergo Armenhilfe. Scott LaRock, Streetworker und Gründer von Boogie Down Productions ist ein anderer, der einem in diesem Zusammenhang einfällt. Wir sprechen hier jedes Mal von Musik, die in einem bestimmt Kontext und unter besonderen Voraussetzungen entstanden ist. Beim Label Noland der Gebrüder Teichmann und bei dem Projekt „Karachi Files“ geht es meiner Meinung nach nicht um eine ausbeuterische Aneignung, sondern um künstlerische Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch und die Freude, gemeinsam etwas Neues zu schaffen.
Damit wir uns richtig verstehen: das sollte Euch auch zu keiner Sekunde unterstellt werden. Mir ging es nur um das Hinterfragen, wie ein solcher Prozess intern abläuft…
Zuri, Andi, Hannes, nun ist Musik ja nur ein kleiner Aspekt des Programms, das ihr zusammengestellt habt: es geht ebenso um das Pakistanische Kino, Fotografie und nicht zuletzt dabei immer wieder um die politischen Bedingungen im Land. Vielleicht könnt ihr ein bisschen was zu den Wechselbeziehungen erzählen, die es ja sicherlich gibt und die sich auch im Programm widerspiegeln.
Gebrüder Teichmann: Die Musikszene findet auch in Pakistan nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einem Kontext statt. Viele Teile des Festival Programms hängen miteinander zusammen und eins hat zum anderen geführt. Im 2TF (Second Floor) hätte zum Beispiel unser erstes Konzert mit den “Karachi Files” stattfinden sollen. Der Ort ist Dreh und Angelpunkt für Kunst, Musik und freie Gesprächskultur in Karachi. Eine Woche vor unserer Ankunft in Karachi fiel die Leiterin und Initiatorin des Second Floor Sabeen Mahmud einem Mordanschlag zum Opfer. Motiv dafür, war ihr Engagement und hing wohl direkt mit der Diskussion “Das Brechen des Schweigens von Belutschistan, 2. Versuch” zusammen, der am Abend des Anschlags stattgefunden hat. Sabeen war die zentrale Triebfeder einer freien Kulturszene in Karachi und alle sind von ihrem Tod geschockt.
Zuri Maria Daiß: Sabeens Mutter, Mahenaz Mahmud bezeichnet ihre Tochter als eine Dil Phaink, was übersetzt soviel wie „throwing your heart into the world“ bedeutet. Sabeen gab all ihr Herzblut und bezahlte am Ende mit ihrem Leben. Ihre Mutter, die ebenfalls bei dem Attentat verletzt wurde, führt die Arbeit ihrer Tochter fort und wird das 2TF im HAU Hebbel am Ufer vorstellen.
Gebrüder Teichmann: Sonya Schönberger und Shahana Rajani hatten bereits die Idee zu dem Projekt “I would always dream of my house – Stories of Displacement”, dass nun mit Hilfe des HAU Hebbel am Ufer realisiert werden konnte und Teil des Festivals geworden ist. Den Filmemacher Till Passow haben wir in Berlin kennengelernt, sein Film “Mast Qalandar – Der Ekstatische” ist auch in Pakistan bekannt und gilt als einer der authentischsten Einblicke in den soziokulturellen Geist des pakistanischen Sufismus.
Zuri Maria Daiß: Wir haben auch einen der wichtigsten Film- und Theaterregisseur Salmaan Peerzada aus Lahore eingeladen. Er ist so etwas wie die lebende Legende des pakistanischen Kinos, obwohl alle seine Filme in Pakistan verboten sind. Seine Familie ist auch in der Berliner Theater- und Filmgeschichte verwurzelt: Sein Vater Rafi Peer, war in den 20er Jahren Regieassistent von Max Reinhard und auch Beleuchter bei Fritz Langs „ Metropolis“. Ich freue mich auf das Gespräch mit ihm und den Berliner Autoren Peter Pannke über Film, Storytelling und den kulturellen Wandel in Pakistan und frage mich, wie es ist, Filme für ein offiziell nicht existierendes Publikum zu machen.
Gebrüder Teichmann: Der Fotostudent Pablo Lauf hat sich direkt an uns gewandt, weil er unsere vorhergehenden Projekte verfolgt hat und gefragt, ob er uns bei unserem nächsten Projekt begleiten kann. Pablo war zum ersten Mal außerhalb Europas und hat einen sehr sensiblen und enthusiastischen Blick mit auf diese Reise genommen.
Zuri Maria Daiß: Khaula Jamil betreibt das Projekt Human Of Karachi, das dem Vorbild Humans of New York entsprang. Ihre Bilder geben Einblicke in eine Megametropole, die von innen heraus über sich selbst erzählt. Pablo Lauf wollte ohnehin nochmals auf eigene Faust einen Monat in Pakistan verbringen und wir brachten ihn mit Khaula Jamil in Kontakt, da wir der Meinung waren, dass sich die Fotoarbeiten der beiden wunderbar ergänzen könnten. Es hat geklappt, das Resultat ist die im HAU gezeigte Tandemausstellung “Pepaal of the City“.
Im Rahmen des Abschlusskonzerts werdet ihr die populäre pakistanische Talkshow “Begum Tonight” wieder aufleben lassen, die auf Druck der Regierung eingestellt werden musste. Vielleicht könnt ihr ein paar Worte zum Verbot der Sendung verlieren und darauf aufbauend zumindest andeuten, wo eure Version der Show ansetzten wird.
Zuri Maria Daiß: “Begum Tonight” war die meist gesehene Late Night Show Pakistans. Moderator*in Ali Saleem trat darin in der Rolle der Drag Queen Begum Nawazish Ali auf. Die enorm populäre Sendung wurde nach gut zwei Jahren auf Druck des damaligen Diktators Musharraf eingestellt. Daraufhin wurde die Late Night Show in Indien weiter produziert. Männer in Frauenkleidern sind in der Islamischen Republik Pakistan noch immer ein Affront und leider auch in unseren Breitengraden. Ali Saleems Figur der verwitweten Militärgattin wurde zur Verkörperung des Konzepts von Hyperfeminity und zum Sprachrohr des liberalen Pakistan. Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass Pakistan als einer der wenigen Staaten das „Dritte Geschlecht“ gesetzlich anerkannt hat. Bei den Parlamentswahlen 2013 traten erstmals Transgender-Kandidaten*innen wie Bindiya Rana an. Ins Parlament schaffte sie es damals nicht, die Rechte wurden wieder beschnitten und existieren eigentlich nur noch auf dem Papier. Der religiöse Backlash des Landes ist auch hier spürbar. Begum Nawazish Ali ist eine wie Bindiya Rana, die weiterhin für Gleichberechtigung und ein Ende der Diskriminierung kämpft, das darf sie auch gerne bei uns im HAU Hebbel am Ufer. Bei ihr zu Gast sind die Dj und Produzentin Sasha Perera, der Filmemacher Dietrich Brüggemann, der Electronic Beats Redakteur und Musiker Daniel Jones, sowie der Leiter des Goethe Institut in Rio De Janeiro, Robin Mallick, der zuvor lange in Südasien lebte und das Regionalinstitut in Delhi leitete. Der indische Musiker Lifafa wird „Begum Tonite“ musikalisch begleiten.
Zum Schluss würde es mich noch interessieren, wen jeder von euch dreien derzeit als spannendste KünstlerIn aus Pakistan empfindet. Die Frage bezieht sich nicht nur auf Musik…
Gebrüder Teichmann: Wenn man pakistanische Kultur und Kunstleben auf einen Namen reduzieren müsste, ist das Sabeen Mahmud, die überhaupt erst wichtige Freiräume für die lokale Szene geschaffen hat.
Zuri Maria Daiß: Alle! Die Musiker*innen der “Karachi Files”, Omar Kasmani, der sich am Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freie Universität – Berlin mit “Affective Societies” auseinander setzt und sich wissenschaftlich genau mit dem Sufi Schrein beschäftigte, den wir in Till Passows Dokumentation sehen, oder auch die in Berlin lebende Foto und Video-Künstlerin Bani Abidi, die Teil der Diskussion „Off the Public, Off the Home“ sein wird. Außerdem die Leiterin der Filmabteilung des pakistanischen National College of Arts, Shireen Pasha, und die Dokumentarfilmemacherin Fouzia Usufzay, die eine kurze allgemeine Einführung in die Geschichte des pakistanischen Films geben werden. Es ist auch wunderbar, dass Regisseur Sadaat Munir, vor Ali Saleems Late Night Show seinen Film „Hide & Seek“ über das Leben dreier Hirjas vorstellen wird, der die Diskussion „Between Identities“ mit René_ Hornstein und anderen einleiten wird. Es gibt viel zu entdecken. Kommt vorbei!
„From Inside to Way Out – Perspectives from Contemporary Pakistan” findet vom 13. bis zum 15. Mai im HAU – Hebbel am Ufer in Berlin statt.