NICA – Interview Svenja Doeinck

NICA featuring Coudoux, Giw, Held & Lukasheva

Svenja Doeinck (Photo: Nadine Heller-Menzel)

Am morgigen Dienstag präsentieren sich im Kölner Stadtgarten erstmals die vier NICA-Künstler_innen Coudoux, Giw, Held & Lukasheva zusammen in einem Lineup.

Kaput sprach im Vorfeld mit Svenja Doeinck über das Künstler_innenförderprogramm im Geiste der Baroness de Koenigswarter.

Svenja, du betreust beim Stadtgarten, dem Europäischen Zentrum für Jazz und aktuelle Musik, ein neugeschaffenes Artists in Residence Programm. Wofür steht NICA?
NICA ist der Spitzname von Pannonica de Koenigswarter, die Vorbild und Namensgeberin für das Förderprogramm ist. Sie war im New York der 1950er- und 1960er-Jahre eine wichtige Figur für die Jazzmusiker_innen, eine Art Schutzpatronin, und half ihnen mit Geld, Unterkunft, Jobs und Rat. Sie wurde Mitglied der Musiker_innengewerkschaft und war zeitweilig als Künstler_innenagentin tätig. Als Tochter eines englischen Rotschild-Baron wird sie auch „The Jazz Baroness“ genannt. Ihre Lebensgeschichte ist geprägt von unglaublich großem Mut und radikal unabhängigen Entscheidungen. Mit Thelonius Monk verband sie eine enge Freundschaft. So hat er bis zu seinem Lebensende mit seiner Frau in Nicas Haus gewohnt und ihr, wie andere Jazzmusiker übrigens auch, ein Stück („Pannonica“) gewidmet. Durch ihre bedingungslose Unterstützung der Jazzmusiker_innen und ihren bewegten Lebenslauf ist ihr Name eine passende Wahl für unser Förderprogramm.

Und was hat es mit dem Programm genau auf sich?
Ursprünglich als Exzellenzförderung im Rahmen der Stärkungsinitiative Kultur vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW aufgelegt, haben wir das Programm in NICA artist development umbenannt. Mit dem neuen Namen soll das Ziel des Förderprogramm formuliert werden, aber auch die Art und Weise der Unterstützung (siehe die Erklärung zu NICA oben). Es geht darum einzelne herausragende Künstler_innen aus NRW in dem Bereich Jazz und Aktuelle Musik in einem Zeitraum von bis zu drei Jahren in ihrer künstlerische Profilierung und Professionalisierung zu unterstützen.
Wir sind kein Talent- oder Nachwuchsförderprogramm für Musiker_innen in der Ausbildungsphase. Unser Programm setzt in der Phase nach der künstlerischen Ausbildung an, wenn die Musiker_innen bereits ein eigenes künstlerisches Profil entwickelt und eigene Projekte aufgebaut haben. Außerdem sollen sie sich bereits ein gewisses Standing erspielt haben, also bereits eine ordentliche Portion Konzert- und Tourerfahrung mitbringen sowie die ein oder andere Platte veröffentlicht haben und bereits ein eigenes Netzwerk an Kontakten in der nationalen Jazz/Improszene besitzen. Deshalb kann man sich auch nicht für das Programm bewerben, sondern wird durch eine Fachjury nominiert und ausgewählt.

 

Das bereits existierende künstlerische Profil wird in unserem Programm geschärft und die Netzwerke vor allen Dingen auch ins Ausland erweitert. Es wird ein Masterclass-Angebot im Rahmen von Workshops und Coachings zu Themen wie Musikrecht, Bühnenpräsenz, Marketing usw. geben. Ebenfalls ermöglichen wir den Besuch internationaler Festivals sowie Residenzen in anderen Szenen um den künstlerischen Horizont und die Kontakte zu erweitern und zu guter Letzt bieten wir den ausgewählten Künstler_innen als Artist in Residence im Stadtgarten an, sich in Konzerten dem Kölner Publikum zu präsentieren und zusätzlich die Seite hinter der Bühne eines Konzertbetriebs kennenzulernen.
Unser oberstes Credo für das gesamte Programm ist, dass alle Maßnahmen sich nach den Bedürfnissen der Künstler_innen richten. Wir wollen kein starres Programm entwickeln, dass den Künstler_innen einen festen Fahrplan vorgibt. Stattdessen möchten wir gemeinsam mit den Künstler_innen herausfinden, welche Bedürfnisse sie haben und welche Maßnahmen für sie persönlich Sinn machen.

Am 17.12. werden alle vier Residenz auftreten: Coudoux, Giw, Held & Lukasheva. Kannst du sie uns alle kurz in ein paar Sätzen vorstellen?
Die in der Ukraine geborene Sängerin Tamara Lukasheva überrascht und fesselt mit beeindruckender Vokalkunst, während das Ensemble Emißatett der Cellistin Elisabeth Coudoux eine neue musikalische Sprache entgegen herkömmlicher Konventionen entstehen lässt. Im Duo Tombak/Trompete entlädt der Trompeter Pablo Giw ein filigranes Gewitter aus Beats, Atemgeräuschen und flächigen Ebenen und das Trio des Pianisten Pablo Held hat in seinem Zusammenspiel eine ganz eigene Definition von Spontanität entwickelt.

Wird es denn auch Zusammenspiele geben oder sind das individuelle Konzerte?
Ein Zusammenspiel wird es nicht geben. Alle  vier Musiker_innen werden je ein 20-minütigen Auftritt mit dem Projekt /ihrer Wahl spielen. Den Anfang machen Tamara Lukasheva solo und Elisabeth Coudoux mit ihrem Ensemble Emißatett. Nach einer Pause geht es im zweiten Set mit dem Duo Tombak/Trumpet von Pablo Giw weiter, gefolgt vom Pablo Held Trio.

Ist es ein generelles Anliegen des Projekts die Zusammenarbeit der vier Künstler_innen zu fördern?
Nein, der Fokus liegt eher darauf, dass jede/r Künstler_in ihre/seine bestehenden Projekte weiterentwickelt und vertieft. Neue Projekte und Kollaborationen werden sicherlich auftauchen – das liegt ja quasi in der Natur der improvisierten Musik – und der Austausch mit anderen Musiker_innen von uns gefördert. Wenn dieser Austausch untereinander zwischen den vier Artist in Residence passiert, umso schöner. Wir werden allerdings keinem der Artist in Residence vorschreiben mit wem er/sie zusammenarbeiten soll. Das bleibt deren künstlerische Entscheidung.

Ab Januar wird es eine monatliche Konzertserie namens „NICA presents“ geben. Was können wir da erwarten? Wird jeder Abend im Licht einer der vier Residenz stehen? Und spielen zusätzliche Gäste eine Rolle?
Die Konzertreihe steht unter dem Übertitel „NICA presents“. Jeder einzelne Konzertabend wird von einem der vier Artist in Residence gestaltet und kündigt sich dann zum Beispiel wie im Januar unter „Tamara Lukasheva presents Lukoshko“ an. Auch hier haben die Artist in Residence viel kreativen Freiraum. Sie können selber mit bestehenden oder neuen Projekten spielen, Gäste hinzuholen, eine Jamsession veranstalten oder auch mal gar nicht selber spielen, sondern eine ihrer Lieblingsband für ein Konzert einladen.

Der Stadtgarten ist ja sicherlich nicht der einzige Ort, an dem NICA ansetzt. Wo noch gibt es solche Residencies? Und gibt es Interaktionen zwischen diesen Orten?
Momentan sind wir noch im Aufbau von Partnerschaften mit anderen Venues und Organisationen, sowohl im In- als auch im Ausland. Ein wichtiger Teil des Programms ist es unseren Artist in Residence das Eintauchen in andere Szenen zu ermöglichen, indem wir mehrtägige Aufenthalte in für sie interessanten Städten organisieren. Dabei liegt der Fokus nicht allein darauf nur Konzerte zu spielen, sondern vor allen Dingen Leute zu treffen, die wichtigsten Spielorte und Szenetreffs kennenzulernen, viel neue Musiker_innen zu hören, eine Art 360 ° Erfahrung der dortigen Szene zu erleben und langfristige Verbindungen in diese Szenen aufzubauen. Bislang stehen Oslo, Rejkjavik und Lissabon aber auch europäische Nachbarstädte Städte wie Paris, Amsterdam oder Brüssel auf der Wunschliste.

NICA featuring Coudoux, Giw, Held & Lukasheva
Dienstag, 17.12.2019, Stadtgarten, Köln 

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