Thies Mynther – Interview – „DEFENDER“ / „Border Control“

Thies Mynther: “Eine gewisse Artiness in Abstossung zu jeder hemdsärmeligen Eigentlichkeit”

Der Name Thies Mynther löst bei Freund:innen der Hamburger Schule sofort euphorische Schwingungen aus. Ob mit Stella, Phantom/Ghost  oder als Mitglied von Die Regierung und (Mit-)Produzent von Chicks on Speed, Die Sterne und Dillon, wo Mynther drauf steht, passt nicht nur die Musik sondern gleichermaßen der sozialpolitische Überbau. Hier gehen Haltungskosmos und Werte noch einher mit der avantgardistischen Suche nach den Soundtracks für eine Bessere Zukunft, um einen Sampler aus dem Hause L´age d`or / Ladomat 2000 aus dem vergangenen Jahrhundert zu zitieren.

Aktuell hat Thies Mynther mit dem Künstler:innen-Duo Stefan Panhans & Andrea Winkler für die Soundtracks zu deren Videoarbeiten „DEFENDER“ und „Border Control“ zusammenarbeitet, die im Hartware MedienKunstVerein e.V. in Dortmund im Rahmen der Ausstellung “The Pow(d)er of I Am Klick Klick Klick Klick and a very very bad bad musical!” zu sehen sind. 

 

Still aus “DEFENDER” von Stefan Panhans & Andrea Winkler


Thies, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Stefan Panhans, Andrea Winkler für den Soundtrack zu „DEFENDER“?

Thies Mynther: Über unsere gemeinsame Freundin Lilli Thalgott, die seit langer Zeit deren Videoarbeiten filmt und schneidet. Sie brachte mich für “DEFENDER” wegen meiner Affinität zu Musicals und meiner popkulturellen Expertise ins Spiel. Glaub ich. Gefragt hab ich nicht 🤪.
Jedenfalls traf ich mich mit Stefan und Andrea und wir hatten ziemlich unmittelbar eine Wellenlänge, auf der wir gemeinsam funken konnten.

Das dreißigminütige Video ist laut Selbstdefinition der Künstler:innen ein “postindustrial (anti)musical“.
Was bedeutete das für deine Herangehensweise an die Musik?
Der Ausdruck des Postindustriellen ist in dem Fall abgeleitet von der Geschichte der Industrial Musicals, einer selbst in den USA recht unbekannten Tradition von corporate in-house shows zur Motivation der Mitarbeiter. Ich hatte mich vor einer Weile für ein anderes Projekt mal mit dieser irgendwie gleichermassen gruseligen wie faszinierenden Praxis auseindergesetzt und die beiden auf die konzeptuellen Parallelen hingewiesen.
“DEFENDER” ist in gewisser Weise ein Industrial Musical aus einer Art existenzialistischen Vorhölle. Wer sich für das Subgente weitergehend interessiert, dem würde ich ungesehen den Dokumentarfilm “Bathtubs over Broadway” empfehlen, der ist nämlich bis auf weiteres auf europäischem Terrain nur mit VPN-tunnel anschaubar, warum auch immer.

Die Dialoge der drei Protagonistinnen sind voller popkultureller Referenzen. Inwieweit hast du dich auch da beratend eingebracht was die Inhalte aber auch die Gesten und Dukten betrifft?
Der Film war schon gedreht, als ich dazu stieß. Heißlaufende Referenzkaskaden sind ja seit jeher Teil von Stefans Filmsprache und diese Technik wurde hier auf Musicals angewandt. Ich habe bei der Arbeit dann erstmal eher die nichtsprachlichen Momente musikalisiert, die musikdramaturgisch Choreografien ähnelten und von der Grundstuktur ausgehend dann weiter Akzente gesetzt.

„DEFENDER“ ist nicht das einzige Kunstprojekt im HMKV, in das du aktuell involviert bist. Du hast auch für „Border Control“ den Soundtrack beigesteuert. Die meisten Kaput-Leser:innen verbinden deinen Namen ja primär mit Bands wie Stella, Superpunk, Die Regierung und Phantom/Ghost. Produzierst du schon länger auch für Kunstprojekt? Welche? Wie kam es generell dazu?
So ganz kunstfern war meine popmusikalische Praxis ja nie, auf jeden Fall näher an der bildenden Künsten als an jeder sogenannten musikalischen Hochkultur. Und Phantom Ghost und Stella haben mit Sergej Jensen und Cosima von Bonin kollaboriert, wir sind immer wieder in Galerien und Museen aufgetreten und auch die Hamburger Schule hatte ja immer eine gewisse Artiness in Abstossung zu jeder hemdsärmeligen Eigentlichkeit.
Insofern sind meine musiktheatralen und filmischen Arbeiten wie Eric/Prince is Dead oder This Machine Kills, unsere Exkursionen mit der Moon Machine und Projekte wie diese einfach Fortsetzungen meiner Popkulturpraxis mit anderen Mitteln. Zumindest fühlt es sich für mich so an.

Still aus “Border Control” von Stefan Panhans & Andrea Winkler

Was kannst du mir denn zu „Border Control“ erzählen, den Film konnte ich ja leider noch nicht sehen?
Dafür habe ich eher klanggestalterisch gearbeitet und Songs geschrieben, die auch auf den EPs sind, aber im Film eher als scheinbar gegebene Popkultur-Metatextebene anzitiert werden. Da wir mit dem tollen Tanzensemble von Ursina Tossi, Excessive Showing, gearbeitet haben, und es grob gesagt um gepanzerte Körperlichkeiten als Metapher für Territorialgrenzen geht, steht hier eher Nichtsprachliches im Vordergrund.

Inwieweit unterscheiden sich die Zusammenarbeiten für die beiden Projekte?
Bei “Border Control” war ich auch bei den Dreharbeiten dabei, die sehr schön waren nach den Monaten physischer Isolation und so natürlich auch viel direkter bei der Entstehung involviert. Stefan und Andrea sind ja offen und haben feine Antennen, um Impulse aufzunehmen und in die Arbeit einzuweben. Das ist etwas, was ich grundsätzlich in Zusammenarbeiten in jeglichen Konstellationen schätze.

Die Videoarbeiten „DEFENDER“ und „Border Control“ sind derzeit im Hartware MedienKunstVerein e.V. (im Dortmunder U, Ebene 3, Leonie-Reygers-Terrasse,44137 Dortmund) zu sehen. Begleitend erscheint eine EP mit den Stücken von Thies Mynther. 

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