Ein Gyros-Teller im Trash Chic

“Wie eine Punkband sehen die aber nicht aus” – pogendroblem im Interview

Den Namen pogendroblem kann man sich, nun ja, zumindest gut merken. Wobei dessen vordergründige Witzigkeit in keinem Verhältnis steht zum vielschichtigen Ansatz, den diese Band seit mittlerweile etlichen Jahren betreibt. In vielen Juzes und AJZs sind die Wahl-Kölner*innen schon aufgelaufen, doch jetzt droht mit einem Album auf dem Label Audiolith ein größerer Durchbruch. Ist das überhaupt erlaubt für stabile Heroes der linken Postpunk-Szene? Unser Autor Michael Schiplage hat sich der Frage und der Band angenommen. Eine Begegnung.

Foto: Michael Schiplage

“Wir machen am Sonntag Fotos in Köln”, sagt Georg am Telefon, “danach können wir uns doch im Trash Chic treffen, da haben wir uns doch vor sechs Jahren auch kennengelernt.” Klingt nicht wie ein Interviewtermin, eher wie ein Date, um die langjährige Beziehung am Laufen zu halten und so ist es irgendwie ja auch. Trash Chic also, der vegane Gyrosteller dort ist 1 A und ich komme gern.
Anlass unseres Wiedersehens ist das neue Album „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“, das am 18. November auf Audiolith erscheinen wird. Eigentlich sind wir viel zu früh für die “das neue Album kommt” – Nummer unterwegs, also sprechen Benta [Drums], Frieder [Gitarre und Gesang], Lauritz [Bass], Georg [Gitarre und Gesang] und ich lieber über pogendroblem an und für sich unter besonderer Berücksichtigung des neuen Albums. Nebenbei leisten wir auch ein wenig Erinnerungs- und Beziehungsarbeit, denn wir hatten auch schon Krisen.

So lernten wir uns kennen
Tatsächlich nahm ich pogendroblem das erste Mal im Trash Chic wahr. Jonathan, ein langjähriger Freund und Wegbegleiter der Band, stellte mir die Punkband vor. “Wie eine Punkband sehen die aber nicht aus”, war mein erster Gedanke, als ich die freundlichen jungen Menschen begrüßte. Irgendwo las ich mal das Wort “Schülerband” im Zusammenhang mit den Anfangstagen der Band. Beim Wort “Schülerband” hebt Frieder kurz die Augenbrauen.
Das erste Konzert für mich dann im Sonic Ballroom. pogendroblem spielten Deutschpunk ohne Deutschpunk zu sein. Keine Parolen. Nicht ein Hauch von Breitbeinigkeit. Und Texte, die Politik in Alltagsgeschichten verhandeln. Mit “Kotzen” gab es auch ein “Sauflied” im Programm, das in Wirklichkeit keins ist, aber für Freunde des Saufliedes wunderbar funktioniert. Der Mülheim-Asozial–Moment der Band quasi. “Schales Bier” bot tadellosen Wechselgesang. Ich war beeindruckt. Wie überhaupt die Arbeitsteilung zwischen Frieder und Georg beim Gesang großen Spaß machte. Frieder mit den eher “gröligen” Beiträgen, während Georg für die Hysterie zuständig ist. Echt verknallt hatte ich mich an dem Abend dann wegen “Den öffentlichen Personennahverkehr durch Drücken der Stopp-Taste sabotieren”. Der Kampf gegen die Gesellschaft, so wie sie ist, als Drama im Linienbus in Bergisch Gladbach inszeniert. Ich war begeistert!

Glücksmomente
Irritierend:  Die ausgesuchte Freundlichkeit der Band beim Auftritt, die sich in einem fast fortwährenden Grinsen in den Gesichtern von Frieder und Lauritz zeigte. Ich frage vorsichtig deswegen nach. Frieder lacht, denn er kennt die höflich gestellte Frage schon in einer raueren Variante: “Wann nehmt ihr denn mal das Grinsen aus der Fresse?” “Wir sind nach wie vor einfach nur sehr glücklich damit, an so vielen Orten im DIY-Kontext spielen zu können”, erklären Georg und Lauritz die anhaltende Glückseligkeit. pogendroblem haben mit “Auf der Suche nach der Utopie” sogar eine ganzen Dokumentationsfilm über die DIY-Punkszene gedreht, der über YouTube abrufbar ist.

Die Vinyl-Krise
Als Instant-Fanboy mit dem nötigen Geld für ein teures Hobby wollte ich die erste Platte der Band rausbringen. Ich betrieb ein Winzig-Label [R.I.P.] und pogendroblem waren einverstanden. Leider war damals mein Gemütszustand nicht stabil und Phasen von Enthusiasmus wechselten sich mit Phasen der Prokrastination ab. Die Release-Arbeit verbockte ich total. Ich lies kaum von mir hören und tat so, als ginge alles seinen sozialistischen Gang. Doch man kam mir auf die Schliche und in einem der peinlichsten Telefonate meines Lebens musste ich Georg gestehen, dass die Files noch nicht einmal beim eigentlich geplanten Presswerk waren. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als der Release-Gig im Club Scheisse schon gebucht war. Freund Nejc rettete mich damals aus der Situation. Er besaß seit kurzer Zeit ein Presswerk und schaffte es irgendwie, die Platte binnen drei Wochen zu pressen. Buchstäblich pünktlich zum Release-Gig konnte ich die erste Kiste mit 50 Platten direkt in den Club liefern. Ich rechne es der Band hoch an, dass diese wenig schmeichelhafte Episode nicht das Ende unserer Beziehung war. Grund genug hätten sie gehabt.

Lohnarbeit
Zurück in die Gegenwart und wir arbeiten inhaltlich. Das Thema Lohnarbeit und ihre Zumutungen zieht sich wie ein roter Faden durch die Alben der Band. “Foucault im Großraumbüro” von der “Ich – Wir” EP ist dafür ein Beispiel. Auch auf der neuen Platte nimmt die Lohnarbeit Raum ein, was mir gut gefällt, denn der Bedarf an deutschsprachigen Texten mit Nabelschau und dem Rückzug ins Private ist zu genüge gedeckt. Ich male kurz das Bild einer studierenden Band mit glänzenden Aussichten auf akademische Laufbahnen. Woher kommt das Interesse am Thema also? Georg widerspricht. Tatsächlich sind Georg und Frieder fertig mit ihren Studiengängen, die glänzenden Laufbahnen warten aber womöglich nicht auf sie und so müssen sie sich zwangsläufig mit der Lohnarbeit oder Alternativen dazu beschäftigen. Benta und Lauritz befinden sich noch mitten im Studium, aber natürlich waren auch sie schon in der Tretmühle. Und überhaupt, was will ich denn eigentlich, denn mit dem Kapitalismus kann – nein muss – man sich auch theoretisch beschäftigen. Benta hat hier selbstverständlich recht.

Setliste pogendroblem. Foto: Michael Schiplage

Eindeutigkeit & Fragen
Wir reden über Eindeutigkeit. Das Fehlen dieser Eindeutigkeit und dass pogendroblem lieber Fragen stellen, als Antworten zu geben, ist ein weiterer Aspekt der Band, der mich begeistert. “Wir” [Spotify-Spitzenreiter] von der “Ich – Wir” bringt diese Herangehensweise auf den Punkt. Analyse & Kritik als Hindernis eindeutig zu werden und in einer Sache vollends aufzugehen. Ein Element der Gebrochenheit ist immer beigemischt. Lauritz überlegt lange und vermutet, dass dies der Grund sein könnte, warum pogendroblem niemals einen “Hit” für unsere Kreise schreiben könnten. Etwas wie “Bullenschweine” kann so nicht entstehen. Ich führe “Vermögenssteuer” vom kommenden Album an. Eigentlich einleuchtende Vorschläge zur Umverteilung, die gleichzeitig im Song aber als sozialdemokratisch gebrandmarkt werden.

Wie betäubst du dich
Die erste „Single“ zum Album. Live hatte mich das Stück beim Support-Gig für das Team Scheisse letztens in Köln direkt gepackt. Der Refrain ist äußerst catchy. „Vielleicht ist das der Hit“, vermute ich. Georg erklärt lachend den Titel. Ein random Dude irgendwo unterwegs offeriert ihm Rauschgift zum freien Verzehr und Georg, der seit Jahren auch keinen Alkohol mehr trinkt, lehnt dankend ab, was die konsternierte Reaktion „Wie betäubst du dich?“ auslöste.

Audiolith
Fast könnte man meinen, pogendroblem verfolgten einen Karriereplan. Vom ersten Album “Erziehung zur Müdikgeit” in 2018 auf meinem Mini-Label, hin zur EP “Ich – Wir” auf This Charming Men Records [2020], um dann 2022 bei Audiolith zu landen. Vielleicht triggert pogendroblem das Wort “Karriereplan” ja? Nicht wirklich. Benta berichtet, dass die Band prinzipiell und schon immer ihr Material an Audiolith geschickt hat. Der Vollständigkeit halber, ohne irgendwelche Erwartungen und es gab bis dato auch kein Interesse seitens Audiolith. Diesmal sei es aber eben anders gewesen. Georg erklärt, dass die neue Platte trotzdem auch eine Weiterentwicklung ist. Musikalisch, denn es kommen diesmal Synthesizer und Waldhorn zum Einsatz. Erstmals entstanden die Aufnahmen in einem professionellen Studio. Und natürlich bietet Audiolith auch erweiterte Möglichkeiten in Sachen Bekanntheitsgrad

Kein beef
Nach so viel Harmonie unternehme ich zum Abschluss noch den Versuch, einen kleinen Giftköder auszulegen. “Gibt’s eigentlich Bands, die ihr so richtig kacke findet?”, frage ich, denn so etwas lesen die Leute immer gern. Benta bietet mir “Swiss und die Andern” an, was ich als “easy target” rundweg ablehne. Georg druckst rum: “Ich hab’ da mal so einen Text geschrieben, da geht es um so Bands, aber das gehört nicht hier her.” Man will nicht so recht. Benta schiebt noch einen Ort und einen Anfangsbuchstaben nach, um das Thema zu beenden. Wissendes Lachen am Tisch, aber ich kann das Rätsel nicht lösen.

Nachschlag
Georg ist in der Leitung: “Soweit okay mit dem Text, aber du hast die Sache mit dem Taxi-Teller unter den Tisch fallen lassen.” Der Taxi-Teller, ein Teller mit Gyros UND einer Currywurst plus Pommes mit Mayo, wenn ich mich richtig an dieses Gesprächsdetail erinnere. Nun gut: Thrash Chic, eure Stammkunden von pogendroblem würden den Teller gerne auf der Speisekarte sehen! Macht was draus!

Text: Michael Schiplage
Dieser Text findet sich ebenfalls bei unseren friends von
www.duisburch.de

pogendroblem diese Woche noch live: 14.09. Köln, Gebäude 9 – mit Team Scheisse (ausverkauft)

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