Danielle de Picciotto & Friends

Sigrid Faltin „Ich liebe es, mehr über Menschen zu erfahren. Was hat das Leben mit und aus ihnen gemacht?“

Sigrid beim Dreh in Kuba, 2005 (Foto Andreas Ziegler)

Ihr Oeuvre scheint grenzenlos. Anne-Sophie Mutter, Frank Lloyd Wright, Karajanm, Aenna Burda und viele mehr sind Thema ihrer Werke. Sigrid Faltin dreht Filme, schreibt Bücher. Sie hat außerdem ihre eigene Filmproduktionsfirma White Pepper und einen Verlag gegründet, um unabhängig und frei arbeiten zu können.

Ich entdeckte Sigrid Faltin über die von ihr verfasste Biografie über Hilla von Rebay, die Gründerin des Guggenheim-Museums. Auf dem Buchumschlag wurde auch die gleichnamige Filmdokumentation erwähnt. So begann ich, ihr Gesamtwerk zu erforschen. Als begeisterte Leseratte kannte ich viele der Themen bereits und war bald beeindruckt von der Vielfalt und dem Umfang ihrer Arbeit. Umso mehr freue ich mich, dass Sigrid bereit war, ein Interview mit mir zu führen.

 

Sie haben Englisch, Germanistik und Geschichte studiert. Wie sind sie zum Film gekommen?

Sigrid Faltin (Foto: Britt Schilling)

Sigrid Faltin: Zu meiner Zeit gab es noch nicht so viele Filmschulen. Daher habe ich nach dem Studium ein journalistisches Volontariat gemacht und bin so zum Fernsehen gekommen. Vom 90 Sekunden Beitrag zum 90minütigen Film hat es dann allerdings fast 20 Jahre gedauert. Viele schaffen das schneller

Sie konzentrieren sich in ihrer Arbeit primär auf Biografien und Dokumentationen. Was interessiert sie besonders an diesen Formaten? Haben sie den auch Interesse an Spielfilmen?

Sigrid Faltin: Ich würde es ergänzen: Ich konzentriere mich auf Dokumentationen und Dokumentarfilme und viele davon sind Biografien. Ich liebe es, mehr über Menschen zu erfahren. Was hat das Leben mit und aus ihnen gemacht? Manche Geschichten sind so spannend, da würde man beim Spielfilm sagen: Jetzt haben sie aber übertrieben. Deshalb liebe ich die wahren Geschichten.

Ich bin über ihr Buch über Hilla von Rebay auf ihre Arbeiten aufmerksam geworden. Hilla war eine sehr interessante aber auch tragische Figur. Was bewog Sie dazu, einen Film und ein Buch über Hilla fertig zu stellen? Was waren für Sie ihre herausragenden Merkmale?

Sigrid Faltin:  Ich bin durch Zufall auf Hilla gestoßen. Eine Schulklasse aus Teningen, einem Dorf bei Freiburg, wo Hillas Eltern gelebt haben, hat Hilla um die Jahrtausendwende herum ausgegraben. Damals lebten dort auch noch Menschen, die Hilla noch gekannt haben und die sie gemalt hat.

Im Jahr 2000 ging dann mein Mann zu einem längeren Aufenthalt in die USA und ich wusste nicht, was ich dort machen sollte. Also legte er mir den Zeitungsbericht von der Schulklasse auf den Tisch und sagte: „Hier ist dein Thema!“ Tatsächlich wurde es ein bisschen mein Lebensthema.

In New York hatte ich dann Glück, dass das Guggenheim damals zufällig eine Rebay-Ausstellung plante, und wir konnten dann teilweise unsere Recherchen synchronisieren. Hilla galt bis dahin als „Schreckschraube“ – und sie war sicherlich eine Person mit einem etwas rustikalen Charme. Sie ging vielen Menschen auf die Nerven, aber anders hätte sie es nicht geschafft. Sie hatte drei „Minusse“: sie war eine Frau, sie war Deutsche und sie stand für eine Kunst, die völlig unpopulär war. Sie hat sich da durchgekämpft. Und dann hat mich natürlich auch die große Liebesgeschichte gerührt, die dahinter stand.

Dreh im Guggenheim Museum New York mit Kameramann Jürgen Carle (Foto Michael Kirn)

Sie beschäftigen sich viel mit Frauenbiografien. 
Was denken sie über die heutige Situation von Frauen in unserer Gesellschaft? Hat sich die Diskriminierung verbessert? Erfahren sie als Regisseurin in ihrem Alltag Diskriminierung?

Sigrid Faltin: Die Situation der Frauen hat sich zweifelsohne verbessert. Natürlich ist sie noch nicht gut genug, das sehen wir ja an der neuen Regierung, oder auch in den USA, wo es bis heute eine Frau nicht geschafft hat, Präsidentin zu werden. Ich denke, neben dem Gender Pay Gap ist eine Verbesserung der Kinderbetreuung das Wichtigste, um Frauen voranzubringen. Mir selbst ist nie bewusst gewesen, dass ich diskriminiert wurde. Mir fällt halt auf, dass in den Sendern im Mittelbau fast nur Frauen tätig sind, in der Spitze dann sind es meist wieder die Männer, die bestimmen.

Gehört die Filmfirma White Pepper Ihnen alleine? Ist der Sinn der Firma, das sie möglichst unabhängig von Sendern Filme drehen können? Wie habe ich mir die finanziellen Arbeitsbedingungen vorzustellen?

Sigrid Faltin: Ich bin ein Einfrau-Betrieb. Irgendwann habe ich angefangen, meine Filme selbst zu produzieren, weil ich damit mein Team bestimmen konnte und meine Arbeitsbedingungen. Heute arbeite ich auch gerne mit einem Produzenten zusammen, der mir die ganze organisatorische und buchhalterische Arbeit abnimmt, denn die ist nicht meine Stärke.

Ich möchte mich aufs Filmemachen konzentrieren und nicht auf die Bürokratie von Filmförderungen. Ohne finanzielle Beteiligung von Sendern zu arbeiten, ist möglich, aber riskant. Es gibt viele Versuche mit Crowdfunding oder über Kinotouren, aber um damit auf einen sechsstelligen Betrag zu kommen, was ein Dokumentarfilm nun einmal kostet, braucht es viel viel Arbeit und eben auch finanzielles Risiko. Das habe ich mich bislang noch nicht getraut.

Sie haben unglaublich viele sehr interessante Filme gedreht und Bücher geschrieben. Wie schaffen sie das zeitlich? Arbeiten sie gleichzeitig an unterschiedlichen Projekten? Haben sie ein eingespieltes Team?

Sigrid Faltin: Danke für die Blumen! Wissen Sie, der Job ist so hart, da freut man sich über jedes Lob. Ich liebe meine Arbeit und halte es so ein bisschen mit Philip Johnson, dem Architekten: Wozu Urlaub, wenn man in der Zeit auch arbeiten kann? Ich arbeite eigentlich immer an unterschiedlichen Projekten, für die ich mir dann mein Team zusammenstelle.

Welche Filmemacher:innen haben sie inspiriert?

Sigrid Faltin: Der große Filmemacher Eberhard Fechner ist ein Vorbild für mich und insbesondere sein Dokumentarfilm über die Comedian Harmonists. Da kann man dann übrigens auch sehen, warum Dokumentarfilm so viel interessanter ist als Spielfilm. Auch Georg Stephan Troller hat großartige Dokumentationen und Dokumentarfilme gemacht. Ich hatte das große Glück, ihn in Paris besuchen zu dürfen, wo er bis heute lebt – er ist mittlerweile 103. Jahre alt!

Sigrid und Frank Lloyd Wright im Guggenheim Museum (Foto Jürgen Carle)

Was würden sie jungen Filmemacherinnen als Rat geben?

Sigrid Faltin: Du musst dafür brennen. Gehe den Leuten auf die Nerven, sei hartnäckig. Und sei Dir darüber im Klaren, dass Du damit keine Reichtümer anhäufen kannst. Sei froh, wenn Du davon leben kannst.

An welchen Projekten arbeiten Sie momentan und was sind ihre nächsten Projekte und Zukunftspläne?

Sigrid Faltin: Ich habe gerade ein Buch über den amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright abgeschlossen, für das ich jetzt einen Verlag suche und sondiere nächste Projekte. Aber ich weiß auch: das nächste Projekt ist immer das Schwerste. Wie bei Architekt:innen.

 

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