Protomartyr „Ultimate Success Today”
Protomartyr
„Ultimate Success Today”
(Domino/GoodToGo)
Ich Idiot. Ich Ignorant. Ich tauber Fisch. Zwölf Jahre gibt es diese Band schon. Ihr Name flog mir zwar immer mal um die Ohren, aber voreingenommen dachte ich immer, das sei Stoner Rock. Dann stolperte ich 2017 über Verweise zu The Fall in einer Besprechung des letzten ProtomartyrAlbums „Relatives In Descent“ – und meine Neugierde war geweckt.
So charmant ruppig wie Protomartyr auf „Ultimate Success Today“ klang schon lange keine Gitarrenband mehr! Und so britisch klang auch schon lange keine Band aus Detroit mehr! Die gebeutelte Rock City spielt in der Klang-Genese dieser Band definitiv eine wichtige Rolle; in der Ferne höre ich beispielsweise die von dort stammenden Stooges – aber auch das avangardistisch Artrockige der späten Tuxedomoon ist im Sound der Band auszumachen. Desweiteren muss ich an die abgrundtief verbitterten These Immortal Souls um Rowland S. Howard denken, an die bereits erwähnten schimpfenden The Fall, das popstpunkige Gemecker der Sleaford Mods sowie das geschmeidige Granteln von Bands wie Franz Ferdinand oder Maximo Park oder die augenrollenden Neurosen von The Jesus Lizard. Kurzum: Protomartyr machen ein Kaleidoskop positiv besetzter Referenzen auf.
Man höre nur den Opener „Day Without End“, der uns in knapp drei Minuten knallend ins Album reinholt. Joe Casey singt in dem Song davon, dass die Angst ans Tageslicht tritt, „When fear steps into light”. Puh. „Processed By The Boys“ strahlt danach geradezu vor angekränkelter Grandezza. Der Song pumpt im besten Sinne. „The Aphorist” hingegen schlendert-schlingert sleazy über die verdreckten Straße einer nächtlichen amerikanischen Metropole. Und so geht und rumpelt das hier weiter. Unter oder besser über allem wummert der verzerrte Bass, man höre nur „Tranquilizer“, ein Stück, das den Bassisten Bob Weston (Shellac), David W. Sims (Scratch Acid, Jesus Lizard) oder Peter Hook (Joy Division, New Order) eine Freude sein dürfte. Aber die Band kann auch anecken, „I Am You Now“ beispielsweise kann schon richtig schön nerven. Einfach mal durch den klangumkämpften Innenhof jagen gegen Stumpftechnobeschallung.
Protomartyr fungieren als Klischee- und Vorurteilsaufsprenger, mit Altsaxophon, Bassklarinette, Cello, Flöte und Gaststimme von Nandi Plunkett (Half Waif) tritt die Band mit ihren „Modern Business Hymns“ – so ein Songtitel – gegen popmusikalisches Spießertum an:„Money is no matter. And in these hungry times. Those trapped between stations. Will forget their manners“.
David Tolomei (der in der Vergangenheit unter anderen Lower Dens und John Cale im Studio zur Seite stand) macht mit seiner Produktion den hohen Raum des in einer New Yorker Kirche befindlichen „Dreamland Recording Studio“ erlebbar. Die Songs haben so bei aller Power vor allem in ihren Enden immer auch etwas seltsam Verhuschtes. Besonders in „Michigan Hammers“ ist diese etwas verlorene Weite um all die krachige Orchestralität und zuckende Kraft dieser tollen Band herum zu hören. Und noch was Bemerkenswertes: Ana da Silva (The Raincoats), an deren Debüt von 1979 ich bei Protomartyr denke, hat das Infosheet zum neuen Album verfasst.
Fazit: Was lärmt hier eigentlich den ganzen Tag schon? Mein Tinnitus? Die Glasfaserkabelverleger vor dem Haus? Es jault. Es kreischt. Ich schüttel mich. Ein Urschrei bleibt mir stecken. Der steife Nacken blockiert – doch die Kopfschmerzen verfliegen. Denn ich höre diese zehn klirrenden Songs voll unfriedlicher Poesie jetzt zum dritten Mal hintereinander. Ich befürchte, der unendliche Tag wird enden.