Record of the Week

Too Slow To Disco 4 (How Do You Are? / Rough Trade)

Kaum zu glauben, aber wahr, Too Slow To Disco geht ins neunte Jahr: Was 2014 als Liebhaberprojekt des einstigen Bungalow-Records-Betreibers Marcus Liesenfeld aka DJ Supermarkt begann, ist längst zur festen Größe für Liebhaber:innen geschmeidiger Yacht- und Softrock-Klänge geworden.

Als die erste TSTD-Compilation erschien, war es noch nicht so richtig en vogue zuzugeben, dass man ein Faible für die Musik der Doobie Brothers, Fleetwood Mac oder Rupert Holmes hat – der gepflegte Westcoast-Sound der Siebziger Jahre war doch eher was für unsere Eltern, oder etwa nicht?

Aber der Zeitgeist war auf Liesenfelds Seite, Bands und Künstler:innen wie Phoenix, Roosevelt, Young Gun Silver Fox oder Midlake schwelg(t)en voller Hingabe in slicken Grooves und synthetischen Geigenhimmeln; vom weltweiten Erfolg von Liesenfelds Too Slow To Disco-Clubnächten mal ganz abgesehen.


Jeannine Otis & Heikki Sarmanto, “Magic Song”

Im Lauf der Jahre erschienen neun Compilations auf Liesenfelds Label, wobei die Westküste der USA nicht die einzige Fundgrube und DJ Supermarkt nicht der einzige Kompilator blieb: Ed Motta stellte eine Brazil-Ausgabe zusammen, die sehr lebendige französische Yacht-Szene füllte die zwei „Neo“-Sampler mit aktuellen Tracks. Besonders beliebt bei TSTD-Fans sind die beiden „Ladies“-Ausgaben, denn es sind ja beileibe nicht nur schnauzbärtige Herren in engen Satinhosen, die zum Schwofen und Schmachten einladen.

Für das zehnte Album kehrt Liesenfeld zum originären Yachtsound zurück: TSTD 4 feiert einmal mehr überbegabte, unbekannte Studiomucker, die perfekt geschliffene Juwelen aus Kunstseide und Acryl produzierten. Kaum ein Name dürfte wirklich bekannt sein, den größten Fame können noch der ehemalige The Animals-Keyboarder Alan Price („Groovy Times“) und Kenny Nolan („You’re So Beautiful Tonight“) für sich beanspruchen. Nolan schrieb Songs für Frankie Valli und Donny Osmond, auch an Labelles Hit „Lady Marmalade“ war er beteiligt. Aber bei allen sechzehn Songs und den dazugehörigen Künstler:innen (Jeannine Otis als einzige Lady) lohnt das genauere Hinhören und -sehen. Das wie immer sorgfältig ausgestattete Booklet versorgt mit biographischen Details: So ist mit Severin Browne („Stay 1973“) der jüngere Bruder des berühmten Jackson vertreten, und wir erfahren, dass die Faragher Brothers („Stay The Night“) Background-Vocals für Kiss, Ringo Starr oder Melissa Manchester eingesungen haben. Die musikalische Bandbreite von TSTD 4 zeigt die Aufgeschlossenheit des sonnig-luftigen Basis-Sounds gegenüber anderen Stilrichtungen: Stephen Encinas aus Trinidad liefert soften Discosound, während Jeannine Otis & Heikki Sarmanto mit ihrem „Magic Song“ Funk und Jazz verschmelzen. In den anderen Tracks finden sich Spurenelemente von Gospel, Country, Spacerock und natürlich Soul…

Wer sein Herz bisher noch nicht für die TSTD-Reihe geöffnet hatte, bekommt nun eine neue Chance!

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