Record of the Week

V.A. “Too Slow To Disco III”

Cover_TSFD3V.A.”Too Slow To Disco III”
(HDYA / CitySlang)

Compiled by DJ Supermarkt

This is bottled sunshine!
Ich muss mal wieder mit was Privatem anfangen: Im vergangenen Spätsommer bespielte Marcus Liesenfeld alias DJ Supermarkt das Frankfurter Off-Partyschiff Yachtklub mit einem Too-Slow-To-Disco-Set: alle tanzten, das Boot schaukelte, es war großartig. Dann sprach mich eine Bekannte an und sagte sinngemäß, dass sie trotz der Musik bleiben würde – ich so: hä? Mein glückseliges Hirn wollte in diesem Moment nicht glauben, dass es Leute geben könnte, die nicht gerne zu Liesenfelds sonnigem Mix aus Hall & Oates, Fleetwood Mac und völlig unbekannten AOR-/Yacht-Rock-Perlen schwoften, oder dass es gar Menschen gäbe, die diese Musik als peinlich empfinden, weil sie vielleicht an ihre Eltern in Siebziger-Jahre-Klamotten denken müssen, während sie im Kinderzimmer Szenen aus Starsky & Hutch nachspielten.

Das große Verdienst von Marcus Liesenfeld-Supermarkt besteht darin, buchstäblich der ganzen Welt die Scheu vor vermeintlich peinlicher Musik zu nehmen: Mit TSTD tourt er von Barcelona bis San Francisco, im Berliner Monarch finden regelmäßig rauschende TSTD-Nächte statt. Der Erfolg gibt ihm mehr als recht, weshalb nun, passend zum Sommer die dritte Too-Slow-To-Disco-Compilation erscheint, die eigentlich die laufende Nummer vier erhalten müsste: Schließlich kam 2016 „The Ladies of Too Slow To Disco“ heraus, mit Künstlerinnen wie Carly Simon, Ricky Lee Jones, Carole King, Brenda Russell und Franne Golde der womöglich schönste Sampler der Reihe.
Aber wie heißt es so treffend im Presseinfo: „…noch mehr Balladen von weißen Männern, die lieber schwarz wären“ – der seidige Fake-Funk der späten Siebziger von der Westcoast (und anderswo) wurde tatsächlich ganz überwiegend von Weißbroten mit enormen Koteletten und Satinanzügen gemacht. Von hochbegabten Studiomuckern zum Teil, oder aus Erfolgsbands geflogenen Drogenopfern wie beispielsweise Jeremy Spencer, der Mitglied der frühen Fleetwood Mac war, oder Bands, die von ihren Plattenfirmen dazu gezwungen wurden, „mal was Kommerzielles“ zu machen wie Grateful Dead.
Ja genau, Grateful Dead, deren Disco-Ausflug von 1978 namens „Shakedown Street“ für den Rolling Stone damals eine einzige Katastrophe, „an artistic dead end“ darstellte, ist für Marcus Liesenfeld ein Höhepunkt seines Compiler-Schaffens: Seit Jahren versuchte er, die Rechte an diesem Song zu bekommen, jetzt hat es endlich geklappt (aside: auch wenn es natürlich spektakulär und lustig ist, sich The Deads als Discoband vorzustellen, erkennt man sie dennoch sofort, auch im Vier-Vierteltakt).

Höhepunkte gibt es wie immer einige auf TSTD: Das leicht schmierige „Silky“ von David Gates (1980) zum Beispiel, in dem der Bread-Gitarrist prä-hiphop-mäßig „Porsche or Mercedes“ auf „envy of the ladies“ reimt. Oder das knackige „Do the Bossa Nova“ von der britischen Session-Truppe Vapour Trails (1979) oder Larry Carltons auf slicken Gitarrenläufen tänzelnde „Where Did You Come From?“ – Carlton durfte übrigens mal Musik für Thailands König Bhumibol komponieren. Stories wie diese erzählt Liesenfeld mit größtem Vergnügen im Booklet, bestens geeignet für Smalltalk-Päuschen während der TSTD-Party.

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