Yves Tumor „Heaven To A Tortured Mind“ (Warp)
Yves Tumor
„Heaven To A Tortured Mind“
(Warp/Rough Trade)
„Safe In The Hands Of Love”, Yves Tumors drittes und letztes großes Album aus dem Jahr 2018 (inklusive des verstörend-tanzbaren Minihits „Noid“) war für mich persönlich eine echte Offenbarung. Umso schöner, dass „Heaven To A Tortured Mind” nun genau da weiter macht und himmelhoch jauchzend und bombastisch kriechend nachlegt.
Meine Beziehung mit und zu Yves Tumor begann auf dem Festival für experimentelle Popmusik Madeiradig (auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira), zu dem mich vor zehn Jahren mein guter Freund Jean-Michel (aka Bersarin Quartett) anlässlich eines seiner Auftritte mitgenommen hat und das ich in der Folge auch schon mit wunderbaren studentischen Exkursionen besuchen durfte.
Auf dem Madeiradig trifft man gerne mal Lee Renaldo (Sonic Youth), Daniel Lopatin (Oneohtrix Point Never), Liz Harris (Grouper, Nivhek) und Sonic Boom (Spacemen 3, Spectrum) am im Dezember sonnenbestrahlten Klippen-Pool oder im postmodernen Designhotel-Fahrstuhl.
In eben jenem Fahrstuhl grüßte Yves Tumor mich Ende 2016 auf dem Weg nach oben freundlich, bevor er abends bei seinem Soloauftritt athletisch und spielerisch-bedrohlich das Unerwartetes erwartende Publikum nicht nur auf die Bühne befahl, sondern sich sogleich mit diesem in artistische Prügeltänze und Raps begab, ohne jemandem wehzutun wohlgemerkt, zumindest soweit ich es beobachten konnte. Eine seltsame und beeindruckende Performance, die die Musik freilich etwas sekundär erklingen ließ.
Umso wichtiger ist es, die Alben des gebürtigen US-Amerikaners und Wahl-Deutschen bzw. -Italieners, daraufhin genauer anzuhören. Auch „Heaven To A Tortured Mind“ ist beunruhigend, mitreißend und einfach ohrwurmhaft zugleich – Tumor wird immer mehr zur Band. Ein ganzes Pfund Ill Hop mischt sich weiter mit Electronica, Experiment und Rap-Gesang – mal mehr, mal weniger, mal leiser, mal lauter, mal lässiger, mal appellativer – und knallt bunt, ohne jemals ‚sweet‘ zu sein.
Nicht unwesentlich für den Sound von Yves Tumor ist die Co-Produktion durch Justin Raisen (unter anderem Sky Ferreira, Ariel Pink), die den Gesamteindruck aus Tischfeuerwerk und Apokalypse mit generiert. Die neuen Tracksongs sind schriller, sägen mehr, brüllen manchmal etwas sehr laut, toller gefallen mir jedoch noch immer die herunterkommenden Phasen dazwischen, aber auch in den einzelnen Stücken, wenn die Sirenen und Feedbacks etwa bei „Medicine Burn“ abklingen und einen Luft holen (lassen). In diesen Momenten blühen die Soul- und Funkreferenzen auf, man höre nur das intensive „Kerosene!“, das verwickelnd-plockernde „Hasdallen Lights“ oder das teilweise von Tumor geflüsterte „Romanticist“ – geeint von geradezu chorverdächtig vielstimmigen Momenten. Tumors Gesang thront dabei nölig-selbstbewusst und glamourös über den fies verzückenden Biestern. Lediglich klitzekleine, für meinen Geschmack etwas sehr rockistisch röhrende Splitter (Co-Vocals, Gitarre etc.) müssten eigentlich gar nicht sein. Ist doch alles auch ohne diese fulminant toll und ein Trip. Wenn der kopfstimmige Prince psychotischer und etwas fatalistischer gewesen wäre, hätte er „Strawberry Privilege“ gesungen. Die Sexyness ist ähnlich. Die Weirdness hingegen erinnert mehr an die Shabazz Palaces.
Ach, komm, Yves, schmeiß uns jetzt sofort nochmal geschmeidig auf den Bühnenboden. Oder die anderen. Und lass uns verdammt nochmal bewegen – mit verzerrtem Grinsen und ohne die Extraportion Pathos.