Record of the Week

Santigold “99¢”

Cover_Santigold_99¢-Santigold
“99¢”
(Warner)

Vor ein paar Jahren verkündete Rocko Schamoni, er würde sich jetzt „€ 14,-“ nennen, das klänge doch viel wertiger als zum Beispiel 50 Cent. Das war natürlich ein Scherz, aber ein guter – gar nicht so gut fand ich dagegen, als bekannt wurde, dass Santigolds neues Album „99¢“ heißen solle; ein solcher Titel öffnet despektierlichen Kommentaren Tür und Tor, dachte ich, das nimmt die Verramschung doch schon vorweg. Aber da hab‘ ich mir wohl selber ein Bein gestellt, beziehungsweise vom Alten aufs Neue geschlossen, weil: Die letzte Platte „Master of My Make-Believe“ schien mir zu sehr auf Erfolg getrimmt, als sollte Santi White einen Platz zwischen M.I.A., Madonna und Gwen Stefani einnehmen. Irgendwie wild und tough, das ja – aber bitteschön im Mainstream schwimmen. „Urban riot“ nannte das mal irgendwer, jaja, Riot for sale. Das fand ich nach dem Superdebüt von 2008, als die Sängerin, Produzentin, Komponistin noch Santogold hieß, irgendwie schade und behielt aus Trotz nur einen Song von „Master…“ im Gedächtnis, die Nick-Zinner-Kooperation „Go!“.

 

Aber Schluss jetzt mit dem Gemecker über Vergangenes, denn jetzt ist „99¢“ ja da – und straft den Ramschverdacht Lügen: Ja, Santigold verweist qua Titel und Cover ganz klar auf den Produktwert von Menschen, Musik und überhaupt allem heutzutage (sich selbst eingeschlossen), knüpft musikalisch aber eher ans Debüt als an die zweite Platte an. Die zwölf neuen Tracks schillern und funkeln dank großer stilistischer Bandbreite bei gleichzeitiger Trademark-Pflege: Ob Ragga-Dancehall-Rap bei „Big Boss Big Time Business“ oder superpoppige Mitsing-Hits wie „All I Got“, „Who I Thought You Were“ und das synthiefizierte„Rendezvous Girl“ – Santigold vereint bissige Kritik an den Verhältnissen mit allerbester Laune. Die Single „Can’t Get Enough Of Myself“ zitiert 1960er-Girlgroup-Sound, um sich genüsslich über Selfie- und Personality-Kult lustig zu machen, in Tracks wie „Before the Fire“ und „Outside the War“ regieren gebrochene Beats und eine deutlich dunklere Stimmung als auf dem Rest der Platte. In „Banshee“ nimmt Santi den Cheerleader-Style Gwen Stefanis wieder auf, aber hier singen Girls für Girls, nicht für irgendeine Football-Truppe. Ach, Santigold: Das macht mir alles (wieder) großen Spaß. Und dir ganz offensichtlich auch.
Christina Mohr

 

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