Down by the River Festival #14

„Das DBTR soll auch ein Zeichen setzen gegen den Ausverkauf der Stadt und die Verdrängung alternativer Kultur“

DBTR Festival 2024 – Double Deuce (Photo: Tanja Krokos (Diproton))

Am 6. Juli findet im Garten des ://about blank die 14. Auflage des DOWN BY THE RIVER Festivals statt. Mit dabei in diesem Jahr Scotheque, Culture Crush, Fastmusic, Kaskadeur, Lail & Lomar, Rita Braga, Sedlmeir, Vandalisbin, Vasylysa, YodelRoar sowie Selbstgebaute Musik. 

Das Down by the River Festivalteam (vertreten durch Ran Huber + Nina Töllner) hat uns im Vorfeld ein paar kapute Fragen beantwortet. 

 

Jedes Jahr hoffen wir, dass das nächste besser wird, aber aktuell sieht es wieder so aus, als ob 2025 wieder nicht so ist. Wie geht ihr als Veranstalter:innen damit um, dass die Welt ständig im Ausnahmezustand ist?

DBTR: Es bringt uns nichts, in Schockstarre zu verfallen. Wir machen einfach weiter und versuchen mit dem DBTR für einen Tag einen Freiraum zu kreieren bzw. eine Zone zu schaffen, in der alle zusammenkommen und dabei verschiedenste Acts und Musiken geniessen können. Dabei versuchen wir das Festival möglichst barrierefrei zu gestalten, vor allen Dingen was den Preis betrifft.

Neben den emotionalen Folgen hat das auch massive ökonomische Auswirkungen. Das Geld der Besucher:innen wird immer knapper (Stichwort: Inflation, Mietenwucher), und auch das Geld für staatliche Kultursubventionen wird immer knapper (Stichwort: Militärausgaben haben Priorität). Was bedeutet das für ein Festival wie Down By The River?

DBTR: Wir haben unser Festival vor zwei Jahren schon einmal ohne jegliche Fördergelder durchgeführt, ein bisschen kleiner als sonst. Fürs Publikum war es genau so schön. Inhaltlich war es auch top. Aber wir mussten natürlich überall sparen und an die Artists kleine Gagen zahlen, was keinen guten Eindruck hinterlässt. Wir selbst haben trotz monatelanger Arbeit nur ein Taschengeld bekommen. Dieses Jahr haben wir Gott sei Dank trotz der großen Einschnitte im Kulturhaushalt wieder eine Förderung vom Musicboard erhalten. Diese liegt zwar erneut deutlich unter der beantragten Summe. Aber wir haben Übung darin, den Kostenplan anzupassen, ohne die Gagen zu sehr drücken oder den Eintritt anheben zu müssen. Wir sparen eher an Werbung oder bei uns selber. Glücklicherweise sind bisher immer genug Besucher*innen gekommen, sodass wir nie Minus gemacht haben. Eine weitere Kürzung der Kulturgelder würde uns aber früher oder später zum Aufhören zwingen.

DBTR Festival 2024: Bella and the Bizarre (Photo: Tanja Krokos-Diproton)

Empfindet ihr das Down By The River eigentlich als politisches Festival?

Ran Huber (Photo: Marion Radszuweit)

RAN: Unabhängige kleine Konzerte, und auch unser Festival, sind per se politisch. In Berlin wird das vielleicht nicht so wahrgenommen. Wenn sie aber auf dem Land stattfinden würden, hätten sie großes politisches Potenzial. Vielleicht ist das DBTR ein musikpolitisches Festival, weil wir unabhängig von Verwertungskriterien und dem Musikbusiness-„Rat Race“ – Produzieren, Veröffentlichen, Touren – buchen.

NINA: Das DBTR soll auch ein Zeichen setzen gegen den Ausverkauf der Stadt und die Verdrängung alternativer Kultur. Noch gibt es am Ostkreuz einen Ort wie das ://about blank. Aber im Zuge großer Bauprojekte und der geplanten Verlängerung der A100 wird die Luft immer dünner. Andere Clubs aus der Gegend mussten bereits weichen oder stehen kurz davor: Zukunft, Rummels Bucht, Zur Wilden Renate.
Durch das Buchen von vielen kleinen und neuen Acts aus der Region, denen wir dank der Förderung vernünftige Gagen zahlen können, unterstützen wir zudem die lokale Subkultur. Und wir wollen eine möglichst niedrigschwellige Veranstaltung sein, zugänglich auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel. Der reguläre Eintrittspreis hat sich im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten nicht verändert und liegt konstant bei 20 Euro. Es gibt zudem einen höheren Soli-Preis und einen niedrigeren Sozial-Preis. Die Leute sollen zahlen, was sie können und das funktioniert ziemlich gut.

Vielleicht ein guter Moment, um über die Teamstrukturen hinter einem Festival wie Down By The River zu sprechen: Wie viele Menschen gehören zum Team? Wie stark seid ihr auf ehrenamtliche Mithelfer:innen angewiesen?

DBTR: Aktuell besteht das Festival-Team aus vier Personen: zwei Frauen, zwei Männer, drei Generationen. Drei sind selber Musiker*innen, einer Promoter. Von den Gründer*innen des Festivals – zu denen auch das Kollektiv Fourtrack on Stage gehörte – ist nur noch Ran Huber von amSTARt übrig, der seit 1999 in Berlin Underground-Konzerte veranstaltet. Der Rest, Dori, Nina und Tom. ist seit dem Neustart des Festivals im Jahr 2023 nach und nach dazugestoßen.
Die meisten Entscheidungen, inklusive des Bookings, werden gemeinsam getroffen. Während des Festivals arbeiten wir mit dem Team des ://about blank zusammen, das sich beispielsweise um Security und Bar kümmert. Für Technik, Kasse oder Catering holen wir eigene bezahlte Kräfte dazu. Ohne freiwillige Helfer*innen geht es allerdings nicht. Mit einer zwei-Stunden-Schicht am Merch-Tisch, im Backstage oder am Einlass ist der Einsatz aber überschaubar. Im Gegenzug gibt es freien Eintritt und ein Getränk.

Was ist euch in der kuratorischen Arbeit wichtiger: Vielfalt der Stimmen, thematische Tiefe oder das Zusammenbringen von scheinbar Unvereinbarem?

DBTR: Alle drei Aspekte sind uns wichtig, wobei die Vielfalt und der Genremix im Vordergrund stehen. Wir bemühen uns immer um eine spannende musikalische Mischung, die diesmal vom rotzigen, queeren Soul-Pop von Vandalisbin über die dystopische Disco-Performance von Culture Crush bis zum entschleunigenden, psychedelischen Minimalismus von fastmusic reicht. Stilistische Grenzgänger interessieren uns besonders. Entscheidend ist aber auch, dass wir vornehmlich neuere und wenig bekannte Artists präsentieren, wovon mindestens die Hälfte der Musiker*innen im Raum Berlin ansässig sind. Gleiches gilt für den Anteil an FLINTA-Acts. Wobei wir gar nicht extra darauf achten müssen, genug weibliche oder weiblich gelesene Künstler*innen zusammenzubekommen. Uns fallen automatisch viele ein und dann müssen wir fast schauen, dass wir noch ein paar Herren ins Programm hieven.

Wie leicht oder schwer ist es 2025, in einer Zeit, in der jegliche Musik nur einen Klick entfernt ist, noch „unerhörte und windschiefe Töne“ (wie euer Subtitel es beschreibt) zu finden?

NINA: Wer viel im Berliner Untergrund unterwegs ist und, wie im Falle von Ran, seit Jahrzehnten als Konzertveranstalter arbeitet, also entsprechend gut vernetzt ist, dem fällt es nicht schwer, solche Töne aufzutun. Da heißt es vielmehr irgendwann die Reißleine ziehen, damit Ran nicht mit noch mehr Booking-Ideen um die Ecke kommt. Diesmal hat er uns spät noch YodelRoar vorgeschlagen, ein ziemlich neues und grandios skurriles Duo zwischen Jodeln, Drone und Dudelsack. Anfang Juli sind beide Mitglieder grade in der Stadt und werden uns mit einem ihrer raren Auftritte beehren. Wir sind sehr gespannt!

Der ://about blank Garten ist ein besonderer Raum – was bedeutet er für euch als Festivalteam dort zu veranstalten?

DBTR: Nach den anfänglichen Jahren direkt an der Spree, in der legendären Bar25 und dann im Kater Holzig, ist das Festival bereits seit 2013 im Garten des ://about blank zu Hause. Dieser verwinkelte, etwas verwunschene Ort mit seinen Bäumen, Badewannen und vielen Sitzmöglichkeiten trägt maßgeblich zur entspannten Atmosphäre bei. Er ist mittlerweile Teil der Identität des Festivals. Im Rahmen der eskalierenden Gewalt in Nahost ist das ://about blank aufgrund seines Rufs als antideutscher Club Attacken und Boykotten ausgesetzt. Dabei sind auch Unwahrheiten, Übertreibungen und Vereinfachungen im Spiel. Wir sehen diese zunehmenden Zersetzung und Polarisierung innerhalb der alternativen Kulturszene und der Linken mit großer Sorge und möchten dem etwas entgegensetzen – indem wir bei der Spaltung nicht mitmachen und uns auf die Gemeinsamkeiten fokussieren.

Wie nutzt ihr diesen Raum nicht nur als Ort, sondern auch als Teil der Erzählung eures Festivals – als politischer, sozialer oder utopischer Raum?

DBTR: Ein Indie-Festival auf dem Gelände eines Technoclubs – allein das ist schon ein Statement, nämlich eine Absage an das Verharren in Szeneblasen. Unser Publikum ist wie unser Programm ziemlich divers: Da sind junge Leute, ältere Musikfans, Familien mit kleinen Kindern. Diskriminierung jeglicher Art hat bei uns keinen Platz. Und es gibt eigentlich auch nie Stress. Die Stimmung ist relaxt. Man kann vor der Bühne tanzen oder sich entspannt in eine Ecke des Gartens hocken und plaudern. Natürlich lebt das DBTR nicht allein von Luft und Liebe, auch wir müssen wirtschaften. Aber unsere Förderung und unsere treue Besucherschaft erlaubt es uns, das Festival nicht nach knallharten kommerziellen Gesichtspunkten aufzuziehen, Experimente zu wagen und den Eintrittspreis niedrig zu halten. Wenn wir das nicht könnten, würden wir es vermutlich auch nicht mehr machen.

Wie denkt ihr über Nachhaltigkeit im Festivalkontext – ganz konkret? Ist das für euch eher ein logistisches Thema oder auch ein kuratorisches? Gibt es Dinge, auf die ihr bewusst verzichtet oder die ihr in Zukunft lieber machen würdet, aber (noch) nicht umsetzen könnt?

DBTR: Das DBTR findet durchaus absichtlich innerhalb des Berliner S-Bahnringes statt, gleich um die Ecke vom Bahnhof Ostkreuz. Es soll gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad erreichbar sein. Beim Programm liegt unser Fokus auf Künstler*innen aus Berlin und der Region. Zwar buchen wir in der Regel ein, zwei Acts aus anderen Ländern, aber diese sind meist ohnehin grade in Deutschland, etwa weil sie touren, wie z.B. YodelRoar. Durch das Teilen der Backline auf der Bühne versuchen wir außerdem zu vermeiden, dass jede Band ihr eigenes Equipment ankarrt. Es gibt auf dem Festival zudem ausschließlich vegetarisches und veganes Essen und wir achten darauf, dass beim Essensverkauf keine Müllberge produziert werden. Luft nach oben gibt es natürlich weiterhin.

DBTR Festival 2024: Anna Erhard (Photo: Tanja Krokos-Diproton)

Zum Ende nochmals der Blick auf die Berliner Musikszene: Habt ihr das Gefühl, dass es dort zuletzt neue Akzente gibt, sowohl bei den Protagonist:innen und Projekten als auch bei den Sounds?

RAN: Eindeutiger Trend in Berlin seit nun schon fast zehn Jahren: 80er-Jahre-, Post-Punk-, Punk- und Wave-Ästhetik. Optisch wie musikalisch. Liegt wahrscheinlich daran, dass die Kinder der 80er-Jahre-Protagonist*innen jetzt im spätadoleszenten Alter oder schon in ihren Zwanzigern sind und viel von ihren Eltern mitbekommen haben. Die meisten Bands bedienen sich natürlich nicht nur aus dieser Zeit, sondern sie erweitern das musikalische Konzept, das heißt: Sie klingen nicht retro, eher wie ein Traum der 80er. Super ist auch, dass sich im Berliner Underground eine neue große queere Subkultur gebildet hat. Andererseits: Heutzutage sind die Musiker*innen alle technisch total versiert und jede*r kann alles. Diese Perfektion ist manchmal langweilig.

Man muss ja heutzutage schon im Vorfeld des aktuellen Festivals an die Ausgabe danach denken. Gibt es bereits jetzt Pläne für 2026, über die es sich lohnen würde, zu sprechen?

DBTR: Nicht wirklich. Natürlich möchten wir weitermachen. Ein Event wie das DBTR braucht es mehr denn je! Und es bleiben immer genug Künstler*innen übrig, die wir gerne mal buchen würden. Aber es hängt auch davon ab, ob wir wieder eine Förderung erhalten. Wenn nicht, müssen wir uns genau überlegen, ob wir das Ganze nochmal quasi ehrenamtlich organisieren und ins finanzielle Risiko gehen wollen, wie im Jahr 2023. Erstmal drücken wir aber die Daumen!

Im letzten Jahr habt ihr zu jedem Künstler:in im Lineup etwas gesagt und einen Bandcamp- oder YouTube-Link geliefert. Das würde ich gerne für das 2025-Lineup wiederholen.

DOWN BY THE RIVER FESTIVAL #14
Sonntag, 6. Juli 2024, ://about blank (Garten)
Markgrafendamm 24 c, 10245 Berlin-Friedrichshain (S-Bahn: Ostkreuz)
Einlass: 13:00 Uhr, Programm: 14:00 – 22:00 Uhr

Mit: Adi Scotheque, Culture Crush, Fastmusic, Kaskadeur, Lail & Lomar, Rita Braga,
Sedlmeir, Vandalisbin, Vasylysa, YodelRoar, Selbstgebaute Musik (Moderation,
Installation & Performance)

Verlagssitz
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop | Aquinostrasse 1 | Zweites Hinterhaus, 50670 Köln | Germany
Team
Herausgeber & Chefredaktion:
Thomas Venker & Linus Volkmann
Autoren, Fotografen, Kontakt
Advertising
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop
marketing@kaput-mag.com
Impressum – Legal Disclosure
Urheberrecht /
Inhaltliche Verantwortung / Rechtswirksamkeit
Kaput Supporter
Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop dankt seinen Supporter_innen!