Und in der Anrede steht “Hey, Jungs!”
Das ZAP-Magazin stellte in den 80er- und 90er-Jahren eine Art analoges Internet für die Punkszene dar. Vernetzt, witzig, aggro – und wer’s nicht im Abo hatte, dem fehlten wesentliche Infos und Szene-Diskussionen. Seit einiger Zeit nun ist das ZAP zurück. Mit der Buchautorin und Journalistin Diana Ringelsiep habe ich dort einen Text geschrieben. Darum – und um Sarah Lohr von Akne Kid Joe – geht es hier nun. Von Linus Volkmann
Einmal im ZAP schreiben dürfen, dafür hätte ich in den 90ern noch alle meine Dackelblut-Alben verkauft. Doch als 2021 die rüde Anfrage kam, ob auch ich gefälligst was beizusteuern hätte, war meine Begeisterung eher moderat. Das lag nicht am rauen Ton von Punk-Guru Moses, der jener Anfrage zur Grunde lag – nein, das fand ich zwar verstörend und unangenehm aber irgendwie auch erfrischend.
Die Schwierigkeit lag eher in der Anfrage selbst: Denn was könnte man in diesen ikonischen Anachronismus ZAP bloß Relevantes hineingeben? Was wollte man der Szene aus ergrauten Punk- und Hardcore-Platzhirschen endlich mal mitteilen mit einem Gastbeitrag?
Vor einigen Jahren besaß ich eine Kolumne im deutlich anders aufgestellten Plastic Bomb Magazin, nannte diese “Warum Punk untergehen muss” und arbeitete mich darin an einer konservativ und penislastig empfundenen Punkbewegung ab.
Und jetzt, im ZAP noch mal dasselbe machen? Wohl kaum.
Lieber Diana Ringelsiep aufsuchen, die den – nicht nur in der Kaput-Bubble – vieldiskutierten Artikel “Sexismus, geh sterben (damit Punk nicht noch hässlicher wird)” verfasst hatte. Darin ging sie auf aktuelle Ereignisse im nur vermeintlich emanzipierten Punk ein – und auf die Sprachlosigkeit in den Szenemedien wie dem Ox-Heft. Mit ihr entwickelte sich schnell die Idee, ein Update zum Thema beziehungsweise ein eher unbequemes Stimmungsbild fürs ZAP zusammenzutragen. Auf dass mit jenem Absender ZAP, der im Punk immer noch enorm ehrfurchtgebietend ist, feministische Positionen auch dahin vordringen, wo sie sie sonst höchstens genervt weggewedelt werden.
Wir führten diverse Interviews, die in den Text einflossen. Nachzulesen dann dort – und zwar auch ausschließlich dort. Das ZAP verbietet nämlich rigoros jeglichen Abdruck im Netz. Auch schon wieder geil.
Geil – aber ehrlich gesagt auch ein bisschen schade. Denn es gibt ja einiges zu lesen in dem Beitrag: Diana tauschte sich aus mit Sabrina von Lügen und der Fotografin Jette Mamarazzi, es ging um Gaslighting und Victim Blaming, es ging darum, dass es gerade für FLINT-Personen selten ohne Folgen bleibt, szeneintern Kritik zu üben.
Ich habe dabei u.a. auch mit Sarah Lohr von der Band Akne Kid Joe gesprochen. Die veröffentlichten letztes Jahr einen Song, der sich ebenfalls mit der Verfasstheit einer selbstgefälligen bis toxischen Punkszene befasst. Er heißt “Sarah, (Frau, auch in ner Band)”. Da nur paar Sätze aus dem Interview im ZAP-Text vorkommen, erlaube ich mir, hier den Hintergrund-Talk mit Sarah Lohr abzubilden. Seht es als Teaser – und holt euch halt das ZAP. Ein Fanzine aus Papier in der Post – da staunen Nachbarn, Eltern und Lehrer.
Was war der Rücklauf zu diesem ja sehr programmatischen Song? Wie wurde reagiert auf “Sarah, (Frau auch in ner Band)”?
SARAH LOHR Wir haben fast ausschließlich gute Reaktionen bekommen. Ich glaube, es haben sich viele Leute angesprochen gefühlt bzw konnten die Erfahrungen, die in dem Song geschildert werden, gut nachvollziehen. Die Geschichte ist ja nicht außergewöhnlich, sondern wurde so oder so ähnlich vermutlich von vielen Frauen* genauso erlebt, dementsprechend waren eben auch die Rückmeldungen. Das positive Feedback hat auf jeden Fall gut getan, im Vorfeld hatte ich da schon ein wenig Sorge, weil es eben auch ein sehr persönlicher Song ist, den man da so in die Öffentlichkeit trägt. Aber das hat sich ja zum Glück als unbegründet herausgestellt.
In den Kommentar-Diskussionen einschlägiger Punk-Institutionen erlebt man immer wieder Alt-Punks, die ganz offensiv/aggressiv darauf bestehen, dass es kein Macker-Problem in der Szene gibt, wie reagiert ihr darauf?
In Bezug auf uns direkt haben wir diese Diskussion so noch gar nicht erlebt, glaube ich. Aber klar, man kennt das Internet und seine Diskussionskultur, da unterscheidet sich die Punkszene nicht viel von anderen gesellschaftlichen Bereichen. Oft denke ich, dass das einfach eine Generationenfrage ist, aber das ist so auf jeden Fall nicht 100% richtig, denn es gibt natürlich auch ältere Punks, die sau cool sind. Sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass es einfach nicht DIE eine Punkszene gibt, sondern sich unter dem Label Punk alles tummelt, was den kleinsten gemeinsamen Nenner „gegen Nazis“ hat. Sobald man dann aber diesen einen Themenbereich verlässt stößt man eben schnell auf potentielle Konfliktherde. Auf jeden Fall finde ich solche Diskussionen inzwischen sehr ermüdend und würde mich gerne in Zukunft raushalten, weil es mich nicht weiterbringt und ich schon zigfach alles dazu gesagt habe, was ich eben zu sagen habe. In den meisten Fällen sind das auch keine konstruktiven Diskussionsrunden, die Fronten sind von Anfang an klar und absolut verhärtet. Das frustriert mich einfach nur noch.
Punk-Festivals bleiben Würstchenpartys – kann man als Veranstalter dagegen wirklich so wenig tun, wie man von jenen oft hört?
Auch von dieser Diskussion habe ich echt die Schnauze voll. Dieses Rumgejammer von einigen Veranstalter*innen nervt mich. Machs einfach oder lass es bleiben. Entweder das Thema ist dir wichtig, dann wirst du das auch auf die Reihe bekommen oder es hat halt eben nicht die höchste Prio bei dir, auch ok. Es kann ja jede*r entscheiden, welche Festivals man besucht und welche nicht. Aber tu nicht so, als wäre es dir persönlich ein großes Anliegen und beschwer dich im gleichen Atemzug darüber, wie anstrengend das doch alles ist, weil es ja angeblich nur so wenig Bands mit Frauen* gibt und die haben dann auch immer alle keine Zeit und so. Ich hatte mal so ein Gespräch mit einem Veranstalter, da hatte ich das Gefühl, er möchte jetzt einfach, dass ich ihm gleich über den Kopf streichel und sage: „Im Namen aller Frauen dieser Welt bedanke ich mich bei dir für deine harte Arbeit und ich verzeihe dir auch, dass dein Festival jetzt trotzdem ne Würstchenparty geworden ist, weil es eben kaum gute Bands gibt, die nicht nur aus Typen bestehen, da hast du vollkommen recht. Aber wirklich Danke dafür, dass wir Frauen* dir so wichtig sind“ Das langweilt mich. Es gibt so viele Veranstalter*innen, die das ganz ohne Jammern schon seit Jahren echt gut hinbekommen und AKJ ist doch auch nicht die einzige Band weit und breit, in der ein so außergewöhnliches Wesen wie ich mitspielt. Google halt einfach!
In der “Freundin von”-Debatte wird deutlich, wie wenig Wertschätzung Musikerinnen auch im Punk zukommt. Hast du schon ähnliches erlebt?
Ja, sicher habe ich ähnliches erlebt. Man wird nicht ernst genommen oder nicht begrüßt, wenn man vor einer Location aus dem Auto aussteigt, weil die Leute dort gar nicht auf die Idee kommen, dass man eventuell auch zur Band gehören könnte. Oder man bekommt Emails von Leuten, die einen buchen wollen und in der Anrede steht „Hey Jungs“. Ich glaube jede Frau* erlebt sowas, gesellschaftlich sozialisiert worden sind wir ja dann doch einfach in einer klar patriarchalen Gesellschaft, das wirkt sich natürlich auch auf unsere Subkultur aus. Ich habe aber das Glück, dass ich einen zutiefst sarkastischen Charakter besitze, der mir meistens dabei hilft, halbwegs schlagfertig auf solche Situationen zu reagieren, aber es ärgert mich trotzdem jedes Mal aufs Neue. Ich verstehe einfach nicht, was so schwer daran ist, sich nicht wie ein*e Idiot*in aufzuführen!