LENNART BRAUWERS IS LOOKING BACK ON 2024
2024 wird leider als das Jahr in die Kaput-Geschichte eingehen, in der die Verhältnisse im Bundesdeutschen Kultur(Haushalts)betrieb dazu geführt haben, dass wir wirklich niemanden mehr den 2014 seismographisch feinfüllig und von DIY-Kultur geschult gewählten Magazinuntertitel “Insolvenz & Pop” erklären mussten. Standen damals zunächst primär Lebenserwartung und Altersvorsorge auf der Agenda (siehe unsere Interviews mit Gudrun Gut & Hans-Joachim Irmler) sowie Frank Spilker), also die “Längsfolgen” von einem Leben mit (Pop)musik, geht es nun explizit um das Überleben im Kulturalltag.
Umso mehr danken wir auch 2024 unseren Autorinnen und Fotograph:innen für die Mitarbeit am Kaput-Experiment. Und freuen uns, dass sie wie jedes Jahr Ihre Highlights mit uns und Euch teilen. ❤️
TOP 5 Alben:
Platz 5: „The Past Is Still Alive“ von Hurray for the Riff Raff
Supertoller Alternative-Country von einer Singer-Songwriterin (richtiger Name: Alynda Segarra), die ich zuvor noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Produziert wurde das Album von Brad Cook, der in diesem Jahr auch „Tigers Blood“ von Waxahatchee produziert und beide Platten mit einem organischen, schimmernden Roots-Rock-Sound ausgestattet hat. Beide Alben sind großartig, doch überraschenderweise war „The Past Is Still Alive“ ein noch treuerer Wegbegleiter für mich.
Platz 4: „GNX“ von Kendrick Lamar
Insgesamt war 2024 ein ziemlich enttäuschendes Rap-Jahr – und irgendwie nervt es mich auch, dass die HipHop-Platte des Jahres von einem Rapper stammt, der vielmehr für die vorherige Dekade steht. Aber „GNX“ ist wieder so verdammt geil, ich lieb’s komplett: Aggressiv, trotzdem vielschichtig und vor allem auch humorvoll. „Bing-bop-boom-boom-boom-bop-bam. The type of shit I’m on, you wouldn’t understand.“
Platz 3: „BRAT“ von Charli XCX
Für die Stadtrevue hab ich über die (bisher) wichtigsten Alben der 2020er Jahre geschrieben – zu finden ist der Artikel in der kommenden Januar-Ausgabe – und da durfte „BRAT“ natürlich nicht fehlen. Hier ein Ausschnitt aus dem Artikel: „‚BRAT‘ war ein instant classic, ein knallgrüner Clubspaß für alle, ein wichtiger Aufruf zum Abgehen.“
Platz 2: „Only God Was Above Us“ von Vampire Weekend
Hier ein Ausschnitt aus der Albumkritik, welche ich für Kaput über „Only God Was Above Us geschrieben hab: “So punky, roh und aggressiv hat man Vampire Weekend nur auf ihrem Debütalbum gehört, wenn überhaupt. Ultra-verzerrte Instrumente knallen gegeneinander, prallen aneinander ab und kulminieren letztlich in einem dissonanten Klavier-Schlussakkord. Eins ist sicher: Dissonanz war zuvor nie etwas, was man mit Vampire Weekend assoziiert hätte. Vielmehr stand die Band bisher für glatte Perfektion, für eine adrette Weltoffenheit in Dur.“
Platz 1: „Manning Fireworks“ von MJ Lenderman
Hier ein Ausschnitt aus der Albumkritik, welche ich für die Stadtrevue über „Manning Fireworks“ geschrieben hab: „Das ist bescheidene Musik, die komplett zufrieden mit sich selbst ist. Übermäßig spürbare Ambitionen machen die meiste Kunst doch eh kaputt, oder? Also will MJ Lenderman vor allem locker wirken. Er klingt humorvoll, aber nicht albern; sentimental, aber nicht weinerlich; wie aus einer vergangenen Ära, aber nicht retro. Seine Stimme ist passend dazu schluffig und unperfekt, mit anderen Worten: glaubwürdig. Das waren jetzt einige Adjektive, aber jedes ist essenziell für die Beschreibung der wunderbaren Lenderman-Ästhetik.“
Lieblingssong: „ROCKMAN“ von Mk.gee
Hab Mk.gee zum Ende des Jahres richtig lieben gelernt, sein Album „Two Star & The Dream Police“ gehört ebenfalls zu meinen Lieblingsplatten aus 2024. Doch sein allerbester Song erschien erst nach dem Album: „ROCKMAN“ zeichnet sich durch das ultraoriginelle Gitarrenspiel von Mk.gee aus und beinhaltet Gesangsmelodien, die mit jedem Hördurchgang einfacher zu greifen sind – und doch abstrakt bleiben.
Lieblingsbuch: „There Was Nothing You Could Do: Bruce Springsteen’s ‚Born In The U.S.A.‘ and the End of the Heartland“
2024 war das Jahr, in dem mein Lieblingsautor (Steven Hyden) ein Buch über meinen Lieblingsmusiker (Bruce Springsteen) veröffentlicht hat. Ganz so scheiße kann 2024 also nicht gewesen sein. Das Buch ist clever, herzerwärmend und lustig. 10/10.
Schönstes Konzert: The Lemon Twigs auf dem Reeperbahn Festival 2024
The Lemon Twigs sind eigentlich keine Band, die mir wahnsinnig viel bedeutet – doch ihr Liveauftritt auf dem diesjährigen Reeperbahn Festival war überragend. Fantastische Songs im 60s/70s-Gewand, supertalentierte Instrumentalisten/Vokalisten, am Ende wurde eins meiner Lieblingslieder gecovert: „Runaway“ von Del Shannon. Ich war außerdem in bestmöglicher Begleitung. Shoutout Marco, Shoutout Marvin! Zwei absolute Süßmäuse. Ganz viel Liebe und so!
Bester Film: „Civil War“ von Alex Garland
Viele mochten den Film nicht, weil diverse Fragen über den dargestellten Bürgerkrieg in den USA nicht geklärt werden. Doch darum soll es in „Civil War“ auch gar nicht gehen: Dieses Meisterwerk ist eine ergreifende Darstellung der Kriegsfotografie, und noch vieles mehr – mit sehr guten Performances, u.a. von Kirsten Dunst!
Lieblingsartikel: “WE BETTER TALK THIS OVER”
Wenn ich nochmal Werbung machen darf: Dieses Jahr hab ich mit meiner eigenen Kolumne „We Better Talk This Over“ gestartet! Darin schreib ich über unterbewertete Alben gefeierter Berühmtheiten! Checkt das aus!