Record of the Week

Messer „Kratermusik”


Messer
„Kratermusik”
(Trocadero/Indigo)

Befangen bin ich mittlerweile gerne. Nun geht es hier ja aber auch nicht um objektive ‚Berichterstattung‘ oder investigative Recherche, die guten politischen Journalismus bekanntlich auszeichnet und so grundlegend gesellschaftsrelevant macht. Nein, hier geht es um Pop und Subjektivität. Also: Messers Pogo radelte neulich in Münster an mir vorbei zum Schrebergarten. In derselben Stadt hielt Hendrik vor einigen Monaten im Audi Max an der Uni die Auftaktvorlesung zu seiner Poetikdozentur. Super. Und von Philipp möchte ich mal endlich dessen bei mir gelandeten essayistisch-wissenschaftlichen Beitrag zu Subjektivierungen in/durch/mit Popsongs studieren. Hendrik und Pogo sind regelmäßig Gäste bei uns in den Pop-Studiengängen an der Uni Paderborn: Mal als Talk-Gast zu Anti-Stars und Images, mal als Lehrbeauftragter zu Sprache und Songtexten. Zu Milek wird bestimmt auch noch eine mehr als parasoziale Verbindung hergestellt.

Letztlich aber bildet die Gruppe Messer den Grund und Nukleus unserer Beziehungen. Auch wenn ich hier bei Kaput zuletzt die faszinierenden Solo- und Seiten-Projekte von Hendrik (solo  und als Gast von Isabelle Pabst) und Pogo (mit Seoi Nage) fokussierte, so bleiben Messer doch die Schnittstelle und für mich eine der seit nun auch schon wieder vielen Jahren spannendsten deutschsprachigen im weiten Sinne Post Punk Bands. Mit dieser Genre-Bezeichnung meine ich weder nur Punk nach dem Punk noch irgendwas mit New Wave und schwarzen, engen Jeans. Messer waren in ihrer Ambivalenz zwischen akademisiertem Arts School Punk der UK-Sorte und einfach jüngerem produktiven Genervtsein oder charmantem Groll ein popmusikalischer Kommentar zur Zeit. Und dann wurden sie weit mehr. Durch sie angestupst habe ich Bands unterschiedlicher Generationen weiter (Swell Maps, Cabaret Voltaire, Gewalt, The Pop Group), wieder (EA 80, Ja, Panik, Candelilla, Die Heiterkeit, Friends of Gas) und neu (Big Flame, Medium Medium, Parquet Courts) entdeckt. Dazu gesellt sich keine überakademisierte, sondern die ein großes Wissen, Diskurs und Kommunikation schaffen wollende Neugierde aller Messer.

Hör mal die ersten beiden in tollen Musikclips wild bebilderten Songs „Taucher (Für Smukal)“ oder „Schweinelobby (der Defätist)“. Eine reflektierte totale Offenheit, die immer mehr Dub, Ska, Funk, Soul, NdW oder Krautrock einfließen lässt und zum Messerland oder besser -ozean machen möchte.

„Kratermusik“ ist das fünfte Album der Gruppe Messer (nicht der Messer-Gruppe), ist sich erfreulich seltsam kohärent uneinig und wird, wie seine Vorgänger, ständig in meiner engeren Auswahl zum Auflegen sein. Nicht zuletzt auch durch mittauchende schillernde Gäste wie Pola Lia Levy (Dews), Mille Petrozza (Kreator) oder den superfunky Bläsersätzen von Philipps Eltern (wie cool ist das denn bitte?) erweitern Messer ihren Sound, ihre Welt(en), ihre Haltung, wirken einerseits zappeliger denn je, sind andererseits bei sich geblieben, noch mehr Band als Gruppe geworden und immer mehr suchend angekommen. Naja, fast. Wie auf „Frieden finden“. Im Krater. Denn das Fragen und Ausleuchten gehört ja zum Kern der Band. Des Fluiden. Des Lebens. Der Liebe. Darum geht’s doch schließlich.

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