Clubs in Zeiten von Corona / Covid-19

Club der Ewigkeiten: Melt

Somewhere at Melt in den Nullerjahren. (Photo: Thomas Venker)


Nicht alle Menschen mögen Tänzer_innen sein, aber das soziale Bedürfnis mit anderen zusammen zu kommen, das teilen wir doch fast alle. Clubs und Festivals kam dabei schon immer eine zentrale Rolle zu, gerade da sie nicht nur den einen Möglichkeitsraum offerieren, sondern derer multiple. Sie sind zugleich Ort für scheinbar sinnlosen Smalltalk als auch  intellektuelle Debatten, bieten dunkle Ecken für viele Gefühle und  überfrequentierte Toiletten für andere Bedürfnisse  – und nicht zuletzt die Tanzfläche als jenen magischen Ort, an dem alle und alles zusammen kommt, um ein ganz besonderes Bündniss auf Zeit einzugehen. Oder um es anders auszudrücken, es gibt so gut wie nichts, was man nicht im Club oder auf dem Festival machen kann. Und natürlich gilt noch immer die alte Regel: Was auf dem Gelände passiert, das bleibt auf dem Gelände. 

In Zeiten von Corona/Covid-19 operieren die Clubs und Festivals in einem Klima unendlicher Unsicherheit. Mit “Club der Ewigkeiten” (betitelt nach dem Track von DJ Koze) wollen wir in den kommenden Wochen ein klein wenig von der Liebe zurückgeben, die wir in ihnen erfahren durften. Bisherige Episoden:

Good Room, Brooklyn
Gewölbe, Köln
Robert Johnson, Offenbach
Dusk Camp, Los Angeles
Hott Mass, Pittsburg 
://about blank, Berlin 
Contact, Tokyo 

Um das einzigartige Melt feeling zu verstehen, muss man selbst einmal am Montag morgen auf dem Sleepless Floor getanzt haben und mit Gänsehaut die nun wirklich letzten Klänge des nun wirklich letzten Sets des Wochendes erfahren und sich erschöpft gefragt haben, wo um Himmels Willen die letzten 80 Stunden geblieben sind. Einen guten Eindruck vermittelt aber auch unser Interview mit dem langjährigen Künstlerischen Leiter und Mitveranstalters des Festivals Stefan Lehmkuhl und unser “Club der Ewigkeiten” mit einigen der aktuellen Teammitglieder_innen. Wir freuen uns, dass fünf  fünf von Ihnen sich die Zeit genommen haben, um ihre Corona-Gedanken, schöne Erinnerungen  und persönliche Lieblingsmusik mit uns zu teilen.

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Seit wann gibt es das Melt

Seit 1997.

Wisst ihr noch, wer das erste Konzert / Set gespielt hat?
Das aller aller erste Melt-Set hat A. Langenfeld gespielt – Plakat attached.

Gibt es sowas wie eine Festivalphilosophie in drei Sätzen?
Das Melt ist als Festival der Inbegriff von Zeitgeist. Bewusstsein für Trends, Lifestyle und Diversity prägen die Musik- und das Non-Music-Angebot sowie Ästhetik und Design. Wir bieten Raum für vielfältige Experiences und teilen mit unserer Community ein weltoffenes und fortschrittliches Mindset.

Ich weiß, keine leichte Frage, aber gibt es in der Geschichte des Festivals einen Auftritt, der besonders in Erinnerung geblieben ist – und wenn ja, warum?
In der gesamten Festival-Geschichte gab es so einige unvergessliche Momenten. Seit dem wir als neues Projektleiter-Team am Start sind, war es aber auf jeden Fall der Auftritt von The Blessed Madonna 2019. Hinter dem DJ Pult hat sich irgendwann eine riesige Gruppe an Voguing Tänzer_innen, Drag Queens und wundervollen Menschen versammelt und gemeinsam gefeiert.

Könnt ihr euch erinnern, wann ihr das erste Mal von Corona gehört habt?
Das erste mal davon gehört haben wir im Februar, da war uns aber noch nicht ganz bewusst, was auf uns zukommt. Und dann ging‘s stetig bergab, bis zu dem Tag, an dem wir das Melt absagen mussten und es erst so richtig realisiert haben, dass dieses Jahr gelaufen ist.

Ab welchen Zeitpunkt war euch bewusst, dass es sich auf Eure Arbeit beim Melt auswirken wird?
Ab dem Zeitpunkt als die Kontaktsperren in den Nachbarländern ausgerufen wurden. Da wurde uns zum ersten mal so richtig bewusst, dass wir dieses Jahr wahrscheinlich kein Festival mehr veranstalten können. Doch erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Regierung alle Großveranstaltungen für den Sommer abgesagt hat, wurde es so richtig real.

Gibt es viel Kommunikation mit den Besucher_innen des Melt? Bekommt ihr viele Nachrichten?
Ja, total. Unsere Community teilt unser Leid. Wir bekommen neben wirklich traurigen Nachrichten auch ganz viel positiven Zuspruch und Support von unseren Besuchern, was natürlich wunderschön ist. Daraus schöpfen wir super viel Kraft und Motivation, um das Festival nächstes noch schöner und familiärer zu gestalten.

Gibt es Streams im Namen des Melt? Und wenn ja bitte Links schicken und gibt es viel Feedback?
Wir hatten an dem eigentlichen Festival Wochenende mit MELTdgtl eine kleines aber feines Online-Programm zusammengestellt. Gemeinsam mit vergangenen und zukünftigen Medienpartner_innen, Künstler_innen, Kollektiven und Freund_innen haben wir von Freitag bis Sonntag unseren Instagram-Kanal mit DJ-Sets, Talks, Workshops und Produzenten-Sessions bespielt. Das Feedback war super, vor allem die interaktiven Talk-Formate kamen besonders gut an.

Es ist natürlich sehr früh für Ableitungen, aber rechnet ihr denn damit, dass sich das Clubleben / die Festivalszene nach dem Überwinden wesentlich vor jenem davor unterscheiden wird? Wenn ja, inwieweit?
Wir glauben: Ja!So krasse Einschnitte in die Norm führen unserer Meinung immer zu Veränderung.
Man musste sich so schnell auf so absurde Umstände einstellen und anpassen, sodass man überhaupt weitermachen konnte. Wir glauben bzw. hoffen, dass das Business ein bisschen bewusster wird; dass die Menschen bewusster und reflektierter mit anderen Menschen umgehen; dass verantwortungsvoller und nachsichtiger gehandelt wird, da wir gerade sehen, wie viele Menschen in unserer Branchen schwer betroffen sind, wenn sich unseren normalen Arbeitsbedingungen verändern.

Der Fragenkatalog wurde von Nina Nagele und Florian Czok für das Melt-Team beantwortet. 

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Florian Czok

Florian Czok
Projektleitung, Artistic Direction

Gibt es in der Geschichte des Festivals eine besonders Erinnerung – und wenn ja, warum?
Eine besondere Erinnerung war die gute Stimmung während des Sturms 2019 – die Besucher haben sich trotz Unwetter nicht aus der Feierlaune bringen lassen. In den Toiletten-Häuschen sind Dancefloors entstanden und nach dem Unwetter ging die Party weiter – diese gute Laune bleibt für immer in Erinnerung.

Wie verbringst Du die derzeitige Coronaphase?
Ich habe mir während der Zeit viele neue Hobbys gesucht und versucht mehr Sport zu machen. Klappt manchmal besser, manchmal schlechter. Hehe.

Favorite Track:  Jayda G “Both Of Us”

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Nina Nagele

Nina Nagele
Projektleitung, Creative Direction

Gibt es in der Geschichte des Festivals eine besonders Erinnerung – und wenn ja, warum?
Als am Bon Iver 2019 am Sonntag “Skinny Love” gespielt hat und ich am Boden in der Arena vor der Mainstage geweint habe, weil ich so glücklich war.

Wie verbringst Du die derzeitige Coronaphase?“
Bei mir hat sich nicht viel verändert, außer dass ich versuche mir mehr Zeit für mich zu nehmen – mehr Selfcare & mehr Skincare.

Favorite Track: 070 Shake “Guilty Conscience”

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Sophie Stempner

Sophie Stempner
Brand Partnership / Sponsoring

Wie verbringst Du die derzeitige Coronaphase?
Arbeitstechnisch ist es natürlich um einiges ruhiger als sonst. Nichts desto trotz haben wir ganz gut tun mit neuen Konzepten und digitalen Strategien um bestmöglich mit der Situation umzugehen. Mit Home Office auf dem Balkon konnte ich mich auch ganz gut anfreunden.
Privat erlebe ich den Sommer in Berlin gerade zum ersten mal so richtig seit einigen Jahren. Normalerweise wäre aktuell ja die absolute Festival High Season und keine Zeit um 16:00 den Laptop zu schließen und zum nächsten See zu fahren.
Natürlich herrscht aber auch ein bisschen Wehmut, nun nicht mit dem Team auf dem Festivalgelände zu stehen, auf die Bühnen zu schauen und zu sehen wofür man das alles eigentlich macht.

Favorite Track:  Bicep “Opal (Four Tet Remix)”  / Lauryn Hill “Ex-Factor” 

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Sarah Bergmann

Sarah Bergmann
Guest Relations, Schwerpunkt Awareness & Nachhaltigkeit

Gibt es in der Geschichte des Festivals eine besonders Erinnerung – und wenn ja, warum?Hast du das Auge schon gesehen? – Welches Auge? – Na das, was über dem Sleepless-Floor hängt? – Waaas?
Ein riesiges Auge aus Holz wurde in das Design integriert und hing plötzlich über der Bühne – es ist das Logo unseres Awarenessteams😭

Wie verbringst Du die derzeitige Coronaphase?
// mit Selflove 🖤

 

 

 

 

 

Favorite Track: FKA Twigs “Cellophane”

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Julia Gudzent

Julia Gudzent
Head of Artist Liaison

Gibt es in der Geschichte des Festivals eine besonders Erinnerung – und wenn ja, warum?
Zu viele, um sie hier alle aufzuzählen, aber als wir vor Fever Ray eine Dragshow mit circa 20 als Vagina verkleideten Queens auf der Hauptbühne performen hatten, das war ein ganz besonderer Moment für mich, weil endlich einmal Frauen und Diversity einen Platz auf der Hauptbühne bekamen.

Wie verbringst Du die derzeitige Coronaphase?
Ich bastele Dinge: töpfern, nähen, backen, Gingerbeer herstellen. Außerdem bekämpfe ich derzeit das Patriarchat und Alltagsrassismus 🙂

 

 

Favorite Track:  Sam Hentshaw feat Earthgang „Church“ – bester Song um morgens aus dem Bett zu kommen

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